- Kapitel 2 -

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Kapitel 2 - Raus mit den Juden

Hinter ihm stand eine seiner Freundinnen, wenn nicht sogar seine beste Freundin: Larissa. Sie war zwar nur ein Jahr jünger als er, dafür hatte sie doppelt so viel Selbstbewusstsein und Eigenliebe. Ihre Haltung, ihr Auftreten - einfach alles... Larissa glaubte von sich selbst, die schönste, stärkste und perfekteste Person auf Erden zu sein. Allerdings stimmte das überhaupt nicht. Wenigstens sprach sie selten von Intelligenz. Denn davon besaß sie nicht gerade viel.

„Nico?", fragte sie besorgt und trat einen weiteren Schritt auf ihn zu. Ihre blonden Haare hingen etwas schlaff über ihren Schultern. Sie hatte den ganzen Abend bei dem BDM verbracht und daher saß die Frisur natürlich auch nicht mehr perfekt. Der Zopf hatte sich schon in seine einzelnen Bestandteile aufgelöst. „Nico, komm weg da!", schrie sie mit leicht zitternder Stimme, als ob er in irgendeinem Kampf wäre und die Kugeln gleich auf ihn herabregnen würden.

Nico sah auf und ging langsam auf sie zu, auch wenn er lieber dieser mysteriösen Joela nachgelaufen wäre. „Hallo, Larissa", sagte er etwas bedrückt.

„Nico, Nico", sie schüttelte den Kopf und ihre Haare flogen dabei direkt in Nicos Gesicht. Er schloss leidend die Augen. Doch Larissa kam immer näher. „Was machst du denn hier? Bist du irgendwem begegnet? Das ist ein Ort, an dem Arme, Drecksjuden und andere unwürdige Menschen herumlaufen. Und sag mal... Wo ist eigentlich dein Mantel?"

Am liebsten würde Nico ihr jetzt eine scheuern, ließ es aber bleiben. Musste sie das fragen? Gerade hatte er wichtigere Dinge zu tun, als über diesen verdammten Mantel zu reden, er hatte ihn doch gerade erst verschenkt. Aber er besaß Anstand. Ganz im Gegensatz zu Larissa. Doch im Lügen war er nicht sonderlich gut, einen Versuch war es jedoch trotzdem wert. Verlieren konnte Nico schließlich nichts.

„Ich dachte, ich hätte etwas gehört, und wollte nachschauen, ob da etwas war... Und den Mantel...den muss ich irgendwo liegen gelassen haben... Bestimmt im Gebäude, aber das ist schon abgeschlossen", begann er sich eine plausible Lüge aus den Haaren zu ziehen. Keine sonderlich schlüssige Ausrede, aber Larissa kaufte es ihm ab. „Oh... Das tut mir leid", entgegnete sie leicht besorgt. „Hast du etwas gefunden? In dem Süffloch da", fragte sie ganz aufgeregt und schmiegte sich nun fast an ihn. Mit einem Blick, der puren Ekel aussagte, zeigte sie mit ihrem Zeigefinger auf die finstere Gasse, in welcher Joela verschwunden war.

„...Ne...Nein", sagte Nico nervös und musste sich sehr zurückhalten. Nicht, dass ihm noch etwas über Joela rausrutschte.

Larissa sah ihm tief in die Augen. Sie besaß die Vorliebe, Menschen lange anzustarren. Ihre eiskalten, blauen und gemeinen Augen blitzten und bohrten sich in die grünen, soliden Augen Nicos. Er konnte diesem Blick einfach nicht standhalten. Es war wie eine Mauer, eine riesige Wand, die auf einen einstürzte. Ganz langsam, aber sie würde es tun. Früher oder später. Denn dieser Blick strahlte so viel Hass und Abscheu gegenüber den Juden aus, dass Nico am liebsten weggerannt wäre.

Larissa war zwar intelligent wie ein Zaunpfahl, doch zu spaßen war trotzdem nicht mit ihr. Sie könnte immer mit einem Messer oder einer Pistole hinter dir stehen, wenn du es am wenigsten erwarten würdest.

Aber das würde sie Nico niemals antun. Schon seit langer Zeit hatte er das dumme Gefühl, dass Larissa glaubte, zwischen ihnen wäre mehr als nur Freundschaft. An manchen Tagen war sich Nico nicht einmal sicher, ob sie überhaupt noch Freunde waren. Doch er wollte Larissa die Illusion nicht nehmen. Nur müsste er ihr in irgendeiner Weise klar machen, dass er niemals eine Beziehung mit ihr eingehen würde. Niemals. Das meinte er so, wie er es sagte. Oder eben dachte.

„Komm, Nico, lass uns zusammen nach Hause gehen", sagte sie nun eine Spur sanfter, deutete ein leichtes Zucken der Mundwinkel in Richtung Lächeln an und nahm seine Hand. Seine Hand! Wie konnte sie nur? Nico setzte alles daran, seine Hand wegzuziehen, aber Larissa schien nicht einmal mitbekommen zu haben, dass er versuchte, sich aus dem Griff zu lösen. Sie sah ihm tief in die Augen. Doch Larissa starrte nicht mehr. Es war ein sanfter Blick... Und trotzdem ein überzeugender. „Es ist doch schon spät und morgen müssen wir wieder früh raus", erwiderte sie, als Nico sich nicht sofort in Bewegung setzte. Als ob sie sich um das frühe Aufstehen kümmerte...

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