- Kapitel 23 -

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Kapitel 23 - Versprechen, die man nicht halten kann

Damit hatte Nico nicht rechnen können. Dieser Mann war nicht nur von Grund auf unsympathisch sondern hatte mehr als nur einen Menschen auf seinem Gewissen. Die Tatsache, dass er auch noch den Tod weiterer Leute zu verantworten hatte, machte ihn nur noch unsympathischer als ohnehin schon. Und Joelas Vater war sicherlich nicht sein einziges Opfer gewesen. Nico hatte keine Idee, wie er an ihm vorbei kommen sollte. Er lief das Gebiet fein säuberlich ab und würde so schnell auch nicht damit aufhören. Dieser Hermann war immerhin Soldat. Er sollte wissen, wie man gut und ordentlich patrouilliert. Die machten solche Sachen doch ständig und waren in Geduld und langweiligen und sinnlosen Aufgaben geschult. Nico konnte fast nicht glauben, dass er vor gar nicht all so langer Zeit selbst einmal darüber nachgedacht hatte, in die Armee zu gehen. Glücklicherweise war ihm dann Joela über den Weg gelaufen. Denn erst da hatte sich sein Leben wirklich geändert. Und seine Denkweise. Von seinem jetzigen Sichtpunkt aus würde er jeden Beruf lieber annehmen als einen, der den Staat unterstützte.

„Und jetzt?", flüsterte Joela leise. Es war nur ein seichter Hauch, der an sein Ohr drang. „Ich weiß nicht. Wir müssen ihn von dort wegbekommen ohne, dass irgendetwas passiert." Aber so weit war seine Freundin wahrscheinlich selbst gekommen. Wie ein Rätsel, dass unbedingt überwunden werden musste, standen die beiden da, versteckten sich hinter diversem Müll, den einige Bewohner einfach nur auf die Straßen stellten, weil ihn hier sowieso keiner sah und warteten auf die Dinge, die wohl kommen mochten.

Und, als hätte der liebe Gott ihr Gebet erhört, rief tatsächlich eine sehr bekannte Stimme nach Hermann. „Entschuldigen Sie, Herr Weber? Mir ist gerade eben etwas seltsames unterkommen. Ich habe einen Juden gesehen, der sich in der Stadt rumtreibt. Gerade eben war er noch in einem Geschäft einkaufen. Leider konnte ich ihn nicht aufhalten... Das tut mir wirklich leid... Aber ich meine mich zu erinnern, dass das verboten ist, oder?"

Das war doch wirklich Mattheo, der da sprach. Niemand sonst konnte solch eine manipulierende und besänftigende Wirkung erzählen. Mattheo hatte dafür einfach eine Begabung. Er konnte Menschen, die so vernarrt in etwas waren wie dieser Hermann, steuern wie eine dieser unzähligen Maschinen, indem er ihnen einfach das gab, in was sie ihren ganzen Wahn hineinsteckten. Mit dieser Strategie hatte Mattheo sich selbst und Nico schon aus der ein oder anderen unangenehmen Lage herausholen können.

Nico selbst stellte sich gerade seinen besten Freund vor, wie er sich trotz seiner kleinen Statur vor diesem riesigen Etwas aufbauen würde und ihm genau das in den Mund legte, was er verlangte. Und wenn Nico ehrlich zu sich selbst war, dann hatte Hermann sich hier ohnehin gelangweilt und war sicher nicht undankbar über eine Ablenkung.

„Bist du dir sicher? Wo genau?", erwiderte dieser plötzlich ganz aufgeregt, dabei war klar, dass er nur schon wieder das nächste Opfer im Sinne hatte. Ein Jude, der einfach nur einkaufen war. Ach nein. Das war schließlich verboten. Sollten sie doch verhungern. Aber Hauptsache war, sie gingen nicht in gewöhnliche Geschäfte einkaufen, die nur für die Arischen der Herrscherrasse vorgesehen waren. Für höhere Rassen, die sich das Recht gaben, über andere Menschen zu urteilen. Wie erbärmlich sie doch alle waren! Es machte keine einzige Person auch nur im Grunde besser, wenn sie so dachte. Im Grunde war es trotzdem ein gefundenes Fressen für Hermann.

„Ja, ich bin mir sicher! Es muss ein Jude gewesen sein! Der Gang, das Aussehen, dieser Schmuck. Einfach alles sah so jüdisch aus. Das ist gerade am Marktplatz unten passiert. Kennen Sie diesen Gemischtwarenhändler am Ende der Straße am Stadttor? Dort war er."

Vorsichtig traute sich Nico aus seinem Versteck, um einen Blick auf Hermann zu erhaschen, der unentschlossen umherblickte. Wahrscheinlich überlegte er, ob er seinen Posten hier überhaupt verlassen durfte oder ob das nicht zufällig verboten war. Doch am Ende schien der Drang, etwas Nützliches zu tun, zu siegen und mit einem diebisch bösen Funkeln in den Augen, so dass es jede Elster in die Flucht geschlagen hätte, richtete er sich zu voller Größe auf. Nun überragte er Mattheo um einige Köpfe. „Gut, ich gehe nachschauen. Versprichst du mir, dass du hier die Stellung halten wirst?"

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