- Kapitel 26 -

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Kapitel 26 - Wahre Freunde

Wahrscheinlich war es sehr dumm, dass Nico einfach losrannte. Das ließ ihn aussehen, als würde er das, was Mattheo ihm gerade gesagt hatte, Punkt für Punkt ausführen. Aber das wollte er definitiv nicht tun. Doch war es besser so schnell wie möglich von hier wegzukommen, wenn er Joela und ihre Geschwister noch lebend wiedersehen wollte. Wer wusste schon, was die Soldaten im Moment alles unternahmen?

Während Nico zurück zu dem Punkt rannte, an welchem er Joela das letzte Mal gesehen hatte, fiel ihm ein Problem auf. Ja, es war sogar ein sehr großes Problem, dass sie hatten. Mattheo hatte gelogen. Das war offensichtlich. Allerdings hatte er dann auch in der Hinsicht gelogen, dass heute jemand kommen und sie mitnehmen würde. Sie mussten auf eigene Faust abhauen. Das konnte vielleicht etwas werden. Es waren zwei fast erwachsene Jugendliche, ein Kleinkind und drei Kinder, die unauffällig über die Grenze wollten. Damit würden sie garantiert auffliegen und sie konnten schon fast freiwillig ein paar Gefängniszellen reservieren lassen. Schließlich war das der Grund gewesen, weshalb sie sich diese ganze Aktion hier überlegt hatten. Nichtsdestotrotz musste Nico zu den anderen zurückkehren und ihnen immerhin den Stand der Dinge mitteilen. Danach blieb ihnen vielleicht kurz Zeit, um darüber nachzudenken, was sie als nächstes tun würden. Vielleicht aber auch nicht. 

Joela hatte Recht behalten. Die Kämpfe und Verhaftungen tobten noch immer und sie würden wahrscheinlich nicht Ruhe geben, bis sie auch den Rest von Joelas Familie gefunden hatten. Etwas abgewandt stand sie an einer Seitenstraße und wartete auf ihn, während die Nationalsozialisten Stück für Stück die Häuser und Straßen durchkämmten und die Leute skrupellos mitnahmen. Ihre Geschwister standen alle dicht hinter ihr. Als sie ihn erblickte, huschte ein fragender Blick über ihr Gesicht. „Wo ist Mattheo?", fragte sie leise und sah ihn mit großen Augen an. Fast als würde sie glauben, er sei tot. Wie sie sich täuschte... 

„Er hat gelogen...", antwortete Nico bedrückt, war aber im Moment nicht gewillt, all die Fragen zu beantworten, die ihr im Moment wohl auf der Zunge liegen mussten. „Das ist egal jetzt. Wir müssen trotzdem weg. Sie sind hinter euch her und werden nicht aufhören, ehe sie euch und einige andere haben."

„Was? Dann ist das alles etwa unsere Schuld?", entgegnete Amon aufgebracht. Das war einer der längsten Sätze, den Nico ihn je hatte sprechen hören. „Wir können für nichts, was hier passiert!" Nico schüttelte hastig den Kopf. „Nein, so hab ich das doch gar nicht gemeint. Ich kann es euch später in Ruhe erklären. Aber wenn wir diese Ruhe haben wollen, müssen wir wohl so schnell wie möglich weg von hier."

Plötzlich ertönte hinter ihnen ein Gelächter der grausamsten Art. Hermann. Den hatte Nico bei diesem ganzen Trubel schon fast wieder vergessen. Er lachte und hielt eine Pistole nach oben. Um ihn herum standen zahlreiche Soldaten, die ebenfalls ihre Geschosse erhoben hatten und auf Nico, Joela und ihre Geschwister zielten. Und ihr Ziel würden sie gewiss nicht verfehlen...

„Ein Volksverräter und einige Juden, die noch dazu die Kinder des netten Widerständlers gewesen sind. Wie tragisch, dass die Liebesgeschichte hier ein Ende nimmt, nicht wahr Nicholas? Ich hätte mir für dieses süße Pärchen gerne ein fröhliches Ende, am besten händchenhaltend im Sonnenuntergang gewünscht, aber so ist das Leben. Keine Sorge. Ihr werdet eine nette Strafe bekommen. Wenn du Glück hast, kannst du zusammen mit deiner Angebeteten hingerichtet werden, dann sterbt ihr gemeinsam einen Ehrentod. Wie ihr wollt. Aber über die Planung machen wir uns später Gedanken. Erst einmal seid ihr alle hier und jetzt festgenommen und kommt raus aus eurem süßen Versteck."

Nachdem die herumstehenden Soldaten schallend in sein Lachen eingestiegen waren, deutete Hermann auch auf die ganzen anderen Juden, die sich bis hierhin retten konnten und nun ebenfalls im Schock erstarrt waren. Vorsichtig taten die sechs, wie ihnen befohlen wurde und schlichen sich aus der Gasse heraus. 

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