Kapitel 3 - Eine "glückliche" Familie
Vorsichtig öffnete Nico die Tür. Tatsächlich. Er hatte sich weder das Licht noch die Geräusche seines betrunkenen Vaters eingebildet. Heinrich Wolter war noch wach. Weshalb verstand Nico nicht, denn normalerweise war er um diese Zeit schon längst im Bett und schlief. Deswegen hatte Nico besonders große Angst, seinem Vater zu begegnen. Dass er noch nicht schlief, war definitiv kein gutes Zeichen.
„Nicholas?", rief nun plötzlich die lallende Stimme seines Vaters durch den langgezogenen Flur. Es wäre auch besonders gewesen, wenn Heinrich nichts gesagt hätte. „Ja, bin da, Papa", antwortete Nico flüchtig und hoffte, ihm wenigstens für diese Nacht aus dem Weg gehen zu können. Sobald er das mit dem Mantel bemerkte, hatte er ein Problem. Ein ziemlich großes.
„Nicholas?", rief er erneut. Was wollte er denn noch?
„Was ist?"
„Komm her!"
„Hat das nicht bis morgen Zeit?"
„Nein!"
„Wirklich?"
„JETZT KOMM ENDLICH HER, VERDAMMT!"Nico atmete tief durch und bewegte sich vorsichtig durch den dunklen Flur ins Wohnzimmer, in welchem sein Vater auf dem roten Ledersofa saß und mit einer Bierflasche in der Hand Radio hörte. Es war ein kleiner, klobiger Kasten mit riesiger Antenne aus dem die Töne kamen. Irgendjemand redete gerade über die Gefahr, die die Juden in ihrem geliebten Deutschland darstellen. Es verfolgte Nico wirklich überall. Aber nicht viele hatten die Möglichkeit, regelmäßig Radio zu hören. Die Familie Wolter hatte dieses Privileg, da sie zum oberen Teil der Gesellschaft zählten... Ganz im Gegensatz zu anderen Familien.
Deswegen wohnten sie auch in einem größeren Haus als Larissa und besaßen auch das Doppelte an Einrichtung, obwohl es die Familie Schmidt wohl viel nötiger gehabt hätte, ein paar Zimmer mehr zu besitzen. Das Wohnzimmer der Wolters war vollgestellt mit allen möglichen Bücherregalen, in denen sich unzählbare Bücher zu den unterschiedlichsten Themen befanden. Auch eine Leselampe stand neben dem Sofa und feine Teppiche und Gardinen verliehen dem Raum den gewissen Hauch des Wohlstandes.
Sein Vater blickte nach einer halben Ewigkeit auf. Die Augen waren glasig, die Pupillen geweitet. Die großen, ebenfalls grünen Augen blickten zu Nico. Oder versuchten es zumindest. Mittlerweile hatten sie schon einen kleinen Gelbstich. Vermutlich suchte er einen Grund, um seine Aggression und Depression an Nico auszulassen.
"Wo...ist dein Ma...Man...Mantel?", nuschelte er undeutlich und zeigte unterstützend mit dem Finger auf seinen Sohn, wobei dieser häufig schwankte. „Ich hab ihn draußen an die Garderobe gehängt." Nico zeigte hinter sich und zuckte mit den Schultern, als wäre es nichts.
„Du lügst!", schrie sein Vater nun aufgebracht und ließ die Alkoholflasche sinken. Heute war er anscheinend besonders aggressiv. Aber wie hatte er es herausgefunden? Theoretisch konnte er es gar nicht wissen. In ihm herrschte ein Feuer an Fragen. Oder war es einfach nur Zufall, dass er gerade auf diese Tatsache gekommen war. Vielleicht weil Nico sich in dieser kurzen Zeit niemals ausgezogen haben konnte?
Nicos Vater sprang nun auf, taumelte Richtung Tür und stieß Nico, der sich höflich in den Weg stellen wollte, unsanft beiseite, sodass dieser erst gegen den Türrahmen fiel und dann zu Boden sank.
Nico knallte schmerzhaft auf dem Grund auf und fasste sich instinktiv an den Arm. Er brannte sehr, doch war er es gewohnt in diesem Haus zu fallen und sich wehzutun. Trotzdem rappelte er sich mit viel Mühe auf und versuchte, seinem Vater hinterherzueilen. „Vater, warte!" Doch es war bereits zu spät.
Heinrich Wolter war längst an dem besagten Kleiderständer angekommen und durchforstete ihn. Nico blieb einfach stehen. Ein paar Schritte von seinem Vater entfernt. Es hatte doch sowieso keinen Sinn.
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- System gegen Liebe -
Historical FictionEr ist Nationalsozialist, sie Jüdin. Sie lieben sich. Irgendwie. Trotz der grausamen Geschehnissen ihres Landes. Nico weiß nicht was er tun soll... Sein Land verraten und Joela lieben oder Joela verraten, für die Ehre des Landes? Sein Leben wird au...