- Kapitel 14 -

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Kapitel 14 - Halbe Sachen

Was könnte Joela mit diesen Worten wohl gemeint haben? Was sollte ihm denn bitte zuhause einfallen? Dort war er nur noch einsamer und es würden ihm erst recht keine guten Ideen kommen.

Denn die besten Ideen hatte Nico immer mit anderen zusammen. Aber er verstand natürlich auch, dass Joela auch einmal für sich sein wollte. Sofern das bei einer so großen Familie überhaupt ging...

Für eine kurze Zeit hatte Nico Angst, Larissa über den Weg zu laufen und sich wieder und wieder erklären zu müssen. Aber wieso sollte sie seinen Weg kreuzen? Sie waren keine Freunde mehr. Sie hatten nichts zu bereden und es gab nichts mehr zwischen ihnen, dass auf eine etwaige Freundschaft hindeutete. Das hatte Larissa heute erfolgreich bewiesen. Fehlte nur noch, dass sie ihn doch verraten würde, damit er in Haft käme. Oder in ein Konzentrationslager. Oder irgendwo anders, wo es grausam zuging. Doch was hätte sie davon? Genugtuung? Wohl kaum... oder doch? Larissa war in dieser Beziehung sehr schwer einzuschätzen. Aber Menschen konnten sich bekanntermaßen ändern. Das hatte Nico mittlerweile begriffen. Nie hätte Nico geglaubt, dass er Larissa so schlecht einschätzen konnte. 

Der Weg nach Hause kam ihm dieses Mal unendlich lang vor. Niemand lief neben ihm, mit dem er sich unterhalten konnte. Nicht einmal ein erzwungen konnte er mit jemandem reden. Niemand lief an ihm vorbei, den er gut genug kannte, um wenigstens ein kurzes Gespräch führen zu können.

Alles was Nico blieb, waren seine einnehmenden Gedanken. Er verlor sich in ihnen und immer wenn er einen Gedanken halbwegs zu Ende gedacht hatte, schien er gerade einmal ein paar wenige Meter vorangekommen zu sein. Es war fast so, als würde er einfach nur auf der Stelle gehen.

Eine einzige Frage wollte sich in seinem Kopf allerdings nicht beantworten lassen: Wie sollte es jetzt weitergehen? Es war eine Frage, die sich Nico zwar gestellt aber noch nicht beantwortet hatte.

Die Faktenlage war folgende: Sein Vater war tot. Seine ehemalige beste Freundin hasste ihn wahrscheinlich und konnte ihn jeder Zeit an den sicheren Tod verkaufen und was tat er stattdessen? Knutschte mit irgendeiner wildfremden Jüdin rum und glaubte auch noch, es könnte etwas Ernstes sein. Aber wie sollte es? Sie waren komplette Gegensätze und die Chance, dass sie beide ein friedvolles und schönes Leben miteinander führen könnten, war gleich null.

Sein Inneres hingegen war anderer Meinung: Es wollte mit Joela glücklich werden. Doch wie?  Wie sollte er ihr eine schöne Zukunft ermöglichen? Abhauen? Keine Option. Der Wille allein reichte nicht aus. Joela würde ihre Familie nie allein zurücklassen, auch wenn Nico niemanden mehr hatte, der mit ihm käme außer vielleicht Mattheo. Und es wäre sehr auffällig wenn eine Mutter mit einer ganzen Horde Kinder versuchte, über die Grenze zu kommen, oder nicht?

Angenommen sie wären drüber - Wohin dann? Es war wieder nur einer dieser unendlich vielen halber Gedanken, die in Nicos Kopf herumschwirrten, die er aber nicht zu Ende brachte, weil ihm Mittel und Kraft dafür fehlten.

Nachdem seine Gedanken immer wieder die gleichen Züge annahmen und er sich in seinem alltäglichen Kreislauf des Wahnsinns befand, der wie immer undurchdringlich schien, erreichte Nico endlich sein Haus. Sein Zuhause. Ein Ort der Geborgenheit. Normalerweise. Für Nico ein Ort der Einsamkeit und des Alleinseins.

Dieses Mal natürlich mit seinem Schlüssel ausgestattet, machte er, dass er schnell hinein kam, für den Fall, dass Larissa doch irgendwo lauerte, auch wenn dies eher unwahrscheinlich war. Drinnen sah alles genau so aus, wie er das Haus heute Morgen verlassen hatte. Nikola war nicht noch einmal da gewesen. Schade eigentlich, wie Nico fand.

Die Haushilfe war für ihn wie eine Mutter gewesen, so wie sie sich um ihn gekümmert hatte. Sie hatte ihn gepflegt, mit ihm geredet und hatte ihn sogar, so bizarr es auch klingen mag, vor Nicos Vater verteidigt.

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