- Kapitel 17 -

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Kapitel 17 - Wenn der Schein trügt

Natürlich war es sein Name. Wessen Name sollte es auch sonst sein? Mit wem sonst hätte Elias ein Gespräch führen wollen? Automatisch, wie bei der Anwesenheitskontrolle, richteten sich alle Augen automatisch auf Nico. Um die vierzig verschiedenen Augenpaare blickten ihn unschuldig an und in einigen konnte er sogar pures Mitleid sehen. Keiner würde gern mit Elias allein bleiben. Vor allem dann nicht, wenn man nicht zu den Lieblingsschülern des Leiters gehörte.

Als Florian nach vorne lief, um die Führung der Gruppe zu übernehmen, warf er ihm ebenfalls einen mitleidigen und aufmunternden Blick zugleich zu. Wie nach dem Motto: Wird schon, der wird dich nicht umbringen! Ob er sich da so sicher war? Florian gehörte schließlich zu eben diesen Lieblingsschülern - Nico hingegen nicht...

Die mausbraunen Augen des anderen Jungen sahen in Nicos grüne und für einen kurzen Moment hielten sie diesen schwachen Blickkontakt. Wie sehr er sich wünschte, dass Florian einfach hierbleiben könnte. Denn vor dem, was gleich geschehen würde, hatte er eine unsagbare Angst. Warum musste er denn schon wieder ein sinnloses Gespräch führen?

„In Zweierreihen aufstellen und mir geordnet folgen!", wies Florian die anderen Jungen harsch an, die diesem Befehl sofort Folge leisteten. Immerhin war er nun die verantwortliche Respektsperson, auf die die anderen selbstverständlich zu hören hatten. Auch Leonard drehte sich für einen kurzen Augenblick um, als würde er sich jetzt etwas Verbotenes anschauen, dass gar nicht für seine neugierigen Augen bestimmt war. Aber nachdem sich Florian zu ihm hinübergebeugt hatte, drehte sich sein Kopf automatisch zurück in die andere Richtung und die sie verschwanden alle langsam hinter den Straßen.

„Also Nico", räusperte sich Elias und brachte sich damit wieder in seine Aufmerksamkeit zurück. Moment. Nico? Solange er Elias kannte, hatte er ihn kein einziges Mal Nico genannt. Das war nicht sein voller Name. Nicholas lautete sein vollständiger Name und den gebrauchte Elias üblicherweise auch immer. Außer heute. Aus einem ihm noch unbekannten Grund.

„Ja?", lautete daher die vorsichtige und skeptische Rückfrage. Erst einmal schauen, was sich hinter der kryptischen Anrede verbarg. Er blickte voller Mut in die steinerne Miene seines Leiters und konnte sehen, wie sich seine Mundwinkel etwas verschoben. Zu einem Lächeln? Das hatte definitiv nichts Gutes zu bedeuten...

„Ich muss sagen... Du hast gut abgeschnitten", stellte Elias nun fest, den Blick starr auf dem Klemmbrett mit den eingetragenen Werten gerichtet. „Was echt?", rutschte es Nico heraus, obwohl er sich vorgenommen hatte, so abstoßend und uninteressiert wie möglich zu sein. Dann wäre das alles hier schnell vorbei. Aber diese Tatsache schien unglaublich. Wie konnte es sein, dass er doch gut abgeschnitten hatte?

„Ja, in der Tat. Sogar besser als Florian." Ohne angeben zu wollen, fühlte Nico einen klitzekleinen Hauch von Stolz in sich aufwallen. Denn besser zu sein als Florian musste schon etwas heißen. „Vier Minuten und fünfzig Sekunden. Neuer Rekord", stellte Elias mit einer sehr monotonen Stimme fest und machte sich noch mit seinem Stift eine Bemerkung am Rande, blickte dann auf und Nico direkt in die Augen. Der Blick seiner braunen Augen bohrte sich tief in die grünen Nicos. Es war ein anderer Blickkontakt als beispielsweise mit Florian oder Mattheo. Es war, als wäre der Blick von Elias aus Eisen und könnte nicht einfach gebrochen werden.

Bisher und auch in den letzten HJ-Stunden hatte er nicht ein einziges Mal den Zwischenfall vor einigen Wochen erwähnt. Würde er es jetzt tun?

„Was ist mit Mattheo?", fragte Elias nun aus dem Nichts und gab damit den Themenwechsel bekannt. Darum ging es also. „Ist er krank? Ich muss es wissen, schließlich muss ich alles eintragen und notfalls einen Bericht erstatten." Aber besorgt klang er nicht. Warum klang er nicht besorgt, wenn er sogar die Behauptung in den Raum stellte, dass es ihm nicht gut gehen könnte? Es war wahrscheinlich diese gängige Gleichgültigkeit, die er sonst auch immer hatte.

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