* Kapitel 14 *

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Die nächsten Tage vergingen im Schneckentempo und noch immer durfte Jasmine die Mauern nicht verlassen. Wie sie inzwischen von Pete wusste, gab es auch einen guten Grund dafür und der nannte sich Derrick. Wie Pete ihr erklärt hatte, war dieser ein Erzfeind von Daniel. Früher waren sie wohl mal Freunde gewesen, doch eine Sache, die Pete ihr nicht genauer erzählen wollte, hatte beide zu Feinden gemacht und Derrick war darauf aus, Daniel und alle, die mit ihm zu tun hatten, zu ruinieren. Für lange Zeit war Derrick wohl nicht mehr in der Stadt gewesen, doch nun war er zurück und da Jasmine die Frau von Daniel war, bestand die Gefahr, dass Derrick es auch auf sie abgesehen haben könnte. Daher hatte Daniel befohlen, dass sie die Mauern nicht mehr verlassen durfte. Der Gedanke, dass da draußen solch ein Irrer war, machte ihr ziemliche Angst. Pete und Daniel verließen jeden Tag das Haus zur selben Uhrzeit und kehrten zur selben auch wieder zurück. Wie Pete ihr erklärte, versuchten sie Derrick ausfindig zu machen, der aber wie vom Erdboden verschluckt war. Jasmine hoffte, dass sie ihn schnell fanden und sie bald wieder in die Stadt durfte. Bis dahin verbrachte sie ihre Zeit damit, weiter für Ordnung im Haus zu sorgen. Im Garten, den sie nur unter strenger Bewachung betreten durfte, pflückte sie Wildblumen und verschönerte damit das Haus.
Manchen der Männer im Haus schien dies nicht zu stören, doch einigen schon. So wurden viele Blumen zu Boden geworfen und mit Absicht zertrampelt. Doch Jasmine gab nicht auf und pflückte immer wieder neue. Vier Tage lang ging dies auch gut, doch am fünften platzte einem der Männer der Kragen. Es war jener Mann, der sie schon einmal im Flur angegangen war und diesmal schien er noch wütender zu sein.
"Es reicht mir! Im ganzen Haus stinkt es nach diesen Blumen. Es geht mir gegen den Strich, wie ihr euch hier aufführt, als wäret ihr die Herrin des Hauses", kam er laut schimpfend auf sie zu gestampft, als sie gerade dabei war, eine der zerstörten Vasen vom Boden aufzukehren. Erschrocken sah sie ihm entgegen und ein Schrei entfuhr ihr als er ihr grob die Kehrschaufel aus den Händen schlug.
"Ich sorge dafür, dass ihr euch in Erinnerung ruft, weshalb ihr eigentlich hier seid", rief er, packte sie und zerrte sie quer durch die Eingangshalle. Panisch begann sich Jasmine gegen ihn zu wehren, als sie erkannte, dass er die Treppen ansteuerte, die nach unten in den Keller führten. Ihr Schrei hatte sehr schnell einige der anderen Männer angelockt, darunter auch Jamal, der sich ihren Peiniger sogleich in den Weg stellte.
"Lass sie los, Rico", verlangte er.
"Geh mir aus dem Weg Jamal, die Schlampe gehört in die Zelle und nirgendwo sonst hin", schimpfte der sogenannte Rico, aber zur Erleichterung von Jasmine, schien Jamal es nicht so zu sehen.
"Der Befehl vom Boss lautet, dass ihr nichts geschehen darf, also lass sie los", sagte Jamal aber er schien bei Rico auf taube Ohren zu stoßen.
"Sieh dich doch mal um, es ist widerwärtig zu sehen wie sie sich hier einnistet und alles nach ihren Wünschen verändert", fauchte Rico.
"Wenn dich das stört, dann beschwere dich beim Boss, aber lass sie jetzt sofort los", sagte Jamal und diesmal schwang in seiner Stimme eine gewisse Ungeduld mit. Da Rico nicht reagierte, wollte Jamal sie befreien, doch Rico stieß ihn fort, wobei Jamal beinahe das Gleichgewicht verlor, da er dank seines Arms, der noch immer in einer Schlaufe lag, deutlich im Nachteil war. Nun mischten sich andere Männer ein, einige schlugen sich auf die Seite von Jamal, andere auf die von Rico.
Zuerst entfachte eine hitzige Diskussion, die sich dann urplötzlich zu einer Prügelei verwandelte. Jasmine war mittendrin und als Rico sie losließ, versuchte sie hastig aus der Gefahrenzone zu entkommen. Doch da landete schon eine der umherfliegenden Fäuste mitten in ihr Gesicht und sie flog zu Boden. Kurz kämpfte sie gegen eine drohende Ohnmacht an, als ihr im ganzen Wirrwarr auch noch jemand auf die Hände trat. Ein Schrei entfloh ihr und sie spürte nur noch Schmerzen am ganzen Körper. Die Männer um sie herum waren so in Rage, dass sie von ihnen gar nicht bemerkt wurde und unter Tränen versuchte sie kriechend dem Chaos zu entkommen. Dann plötzlich hallte die donnernde Stimme von Daniel durch das Haus und sofort hielten die Männer mitten in ihren Bewegungen inne. Durch die Füße der um sie stehenden spähend, sah Jasmine ihren Mann, der wohl gerade eben mit Pete das Haus betreten hatte. Sie waren früher als sonst zurück. Mit einem Blick, den niemanden deuten konnte, lief Daniel auf seine Männer zu. Einen, nachdem anderen schob er zur Seite, nicht sanft, sondern so grob, dass sie teilweise wortwörtlich beiseite flogen. Immer weiter lichtete sich die Reihe vor Jasmine und dann plötzlich stand Daniel vor ihr. Zitternd auf dem Boden kauernd und mit einer blutigen Nase, spähte sie zu ihm empor.
Sie war nicht in der Lage seinen Blick zu deuten und kurz fürchtete sie sogar, dass er ihr die Schuld an diese Prügelei geben würde. Dann plötzlich, so schnell das keiner Reagieren konnte, wandte sich Daniel von ihr ab, machte einen Satz auf Rico zu und verpasste ihm solch einen gewaltigen Kinnhaken, dass er sofort Ohnmächtig nach hinten wegkippte.
"Hat hier sonst noch einer etwas dagegen auszusetzen, wie ich meine Frau behandle?", fragte Daniel zornig in die Runde, aber keiner der Männer ergriff das Wort. Die jenen, die vorher noch so lautstark auf Ricos Seite gewesen waren, senkten nun betreten ihre Köpfe, während Jamal und die anderen grinsten, wissend, dass sie alles richtig gemacht hatten. Jasmine versuchte aufzustehen, doch ihre Finger schmerzten sehr und als sie einen Blick zu ihnen riskierte, sah sie, dass sie geschwollen waren. Der Anblick erschreckte sie, doch schnell war er vergessen, als Daniel wieder zu ihr trat. Überrascht schnappte sie nach Atem, als er sie wortlos auf seine Arme hob und mit ihr die Treppe emporstieg. Sie versuchte erst gar nicht ihn dazu zu bringen, sie herunterzulassen, denn ehrlich gesagt fühlte es sich ganz gut an von diesem starken Mann getragen zu werden. Pete, der ihnen folgte, huschte im Flur an ihnen vorbei und öffnete die Tür zu ihrem Gemach. Dort setzte Daniel sie auf ihrem Bett ab. Sie wagte es nicht ihn anzusehen und beobachtete stattdessen wie Pete aus dem Schrank eine kleine Tasche holte und sie auf dem Bett öffnete. Hastig wühlte er in den Salben und Bandagen nach den Sachen, die er brauchte. Jasmine erstarrte, als sich die starke Hand von Daniel um ihr Kinn schloss und er ihr Gesicht zu sich drehte. Als hätte jemand ein wertvolles Gemälde von ihm beschädigt, besah er sich die Blessuren und sein Augenlid zuckte dabei gefährlich. Dann ließ er sie los, drehte sich herum und verließ das Gemach, wobei er die Tür so heftig knallte, dass sowohl sie als auch Pete heftig zusammenzuckten.
"Der ist Stinksauer", flüsterte Pete und Jasmine schluckte schwer, froh darüber, dass seine Wut nicht gegen sie ging und erlaubte Pete Wortlos, sich um ihre Verletzungen zu kümmern.

Es wurde Abend und Jasmine hatte ihren Schrecken einigermaßen überwunden. Ihre Nase war nicht so schlimm verletzt wie befürchtet, doch ihre Finger schmerzten fürchterlich. Als Pete ihr das Abendessen brachte, berichtete er ihr, dass Rico vom Boss windelweich geprügelt worden wäre.
"Keiner wagt es mehr den Boss seit diesem Vorfall anzusprechen, wenn doch, erntet man nur ein Donnergrollen", sagte Pete und erschauderte. Jasmine sagte nichts dazu und das brachte Pete dazu, sie mit dem Essen alleine zu lassen. Kaum war er weg, hörte sie, wie ihr Mann das Bad betrat und dem plätschernden Wasser nach, schien er sich gerade zu waschen. Kurz versuchte sie ihn sich vorzustellen, errötete dann und widmete sich rasch ihrem Essen. Wie sie bemerkte hatte sie diesmal das vergnügen mit einer Suppe. Ein leiser Schmerzenslaut entfuhr ihr als sie den Löffel greifen wollte und ein schrecklicher Schmerz durch ihre Finger fuhr. Offensichtlich hatte Daniel dies gehört, denn im nächsten Moment öffnete sich die Tür und er trat ein.
Als sie zu ihm blickte, entglitten ihr jegliche Gesichtszüge. Da stand er, nur mit einer Hose bekleidet. Sein Haar war nass und wild zerzaust. Mit offenem Mund betrachtete sie seinen nackten Oberkörper. Solch ein Anblick war gewiss nicht jugendfrei und sie konnte sich an seinen Muskeln kaum sattsehen. Ein Wassertropfen löste sich von seinem Haar und sie verfolgte ihn, während er an seinem Körper hinabfloss und da verschwand, wo seine Hose begann. Heiß und brennend entfachte in ihr ein Gefühl, von dem sie schockiert begriff, dass es Begehren war. Rasch ließ sie ihren Mund wieder zuschnappen und wandte sich von diesem herrlichen Anblick ab. Ihr Herz raste so schnell, dass sie fürchtete, gleich würde es ganz erschöpft versagen.
Versuchend ihn zu ignorieren, versuchte sie noch einmal zu essen, jedoch mit dem gleichen Ergebnis wie zuvor. Ihr beginnender Fluch, brach abrupt ab, als Daniel sich plötzlich zu ihr setzte, den Löffel nahm, ihn in die Suppe tauchte und ihn ihr dann hinhielt. Entgeistert starrte sie erst ihn und dann den Löffel an. War das jetzt sein Ernst?
"Ich kann alleine essen", sagte sie hastig, doch etwas an seinem Blick brachte sie dazu, lieber rasch nachzugeben. Verlegen nahm sie den Löffel in den Mund, schlürfte die Suppe hinunter und ließ ihn wieder frei. Sogleich tauchte Daniel ihn wieder in die Schüssel und hielt ihn ihr erneut hin. Jasmine fragte sich, ob sie gerade träumte. Er saß doch nicht wirklich halbnackt neben ihr und fütterte sie? War der Schlag zu heftig gewesen? Fantasierte sie? Einen Löffel, nachdem anderen nahm sie von ihm an und schließlich war die Schüssel leer. Das war mit Abstand das komischste und peinlichste Abendessen, das sie je gehabt hatte. Nervös rückte sie etwas von ihm fort und bemerkte wie er ihr Bett voll tropfte. Er folgte ihren Blick und rückte dann, wie sie bemerkte, näher an sie heran. Erschrocken darüber sprang sie auf und rutschte auf der kleinen Pfütze, die er vor dem Bett hinterlassen hatte aus. Sicher war sie sich, dass es eine unsanfte Landung auf dem Boden geben wurde, doch stattdessen endete sie in den Armen ihres Mannes, der sie im rechten Moment vor einem Sturz bewahrt hatte. Krachend ging die Suppenschüssel zu Bruch, die er, dank seines schnellen Handels zu Boden geworfen hatte. Wie gebannt sahen sie sich an und Jasmine dachte daran, dass sie von ihm geküsst werden wollte. Ihre Augen weiteten sich über diese Gedanken und sie versuchte sich hastig von ihm zu befreien. Doch anstatt sie loszulassen, presste er sie noch enger an sich und bevor Jasmine verstand, was geschah, legten sich seine Lippen auf die ihre. Jasmine erstarrte augenblicklich in seinen Armen und war zu schockiert, um irgendetwas zu tun. Ihr Herz schien ihr aus der Brust springen zu wollen und wie sie erkennen musste, fühlten sich seine Lippen herrlich an. Es war ein Kuss, der wohl auch Daniel überraschte, den viel zu schnell löste er sich wieder von ihr und sah ziemlich verwirrt aus. Doch als er sah wie sie erstaunt über ihre Lippen leckte, die, nachdem seinen schmeckten, veränderte sich etwas in seinem Blick. Ein Keuchen entfuhr Jasmine, als sie im nächsten Moment gegen die Wand gepresst wurde und er noch einmal ihre Lippen einnahm. Diesmal eroberte er sie im Sturm, plünderte sie mit einem Begehren, dass ihr die Beine einknickten und sie in seinen Armen zusammensackte. Sogleich presste er sie noch fester gegen sich, kostete ihre Süße und raubte ihr jeglichen klaren Verstand.
Jasmine ließ sich von seinem Feuer mitreißen und begann seine Küsse zaghaft, aber deutlich verlangend zu erwidern. Das stachelte ihn nur noch mehr an, wie von Sinnen plünderte er ihre unschuldigen Lippen. Doch die Leidenschaft fand ein schnelles Ende, als die Tür im hohen Bogen aufflog und Pete eintrat.
"Ist alles in Ord ...", er brach mitten im Satz ab und sah ihnen mit großen Augen entgegen als sie sich erschrocken voneinander lösten.
"Eh, Verzeihung, ich wollte nicht stören", stammelte Pete und er errötete von Kopf bis Fuß. Das Letzte, was er erwartet hatte, war, die beiden in solch einer Situation vorzufinden.
"Ich, eh, hörte es laut krachen und, eh, wollte nur, nachdem rechten sehen", stammelte er verlegen weiter und begann mit glühendem Kopf die Scherben vom Boden aufzulesen. Wortlos, aber mit einem Blick, der bezeugte, dass er verwirrt war, eilte Daniel aus dem Gemach. Jasmine sah ihm ebenso verwirrt hinterher, ehe sie sich, überrumpelt von ihren Gefühlen, langsam an der Wand entlang, zu Boden gleiten ließ.

Jasniel - Die falsche Lady *Pausiert*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt