* Kapitel 31 *

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Jasmine traute ihren Augen nicht. Das Meer war überwältigend, aber, nachdem sie eine weitläufige Kurve passiert hatten, erblickte sie weites Land, das genauso schön war. Bestückt war es mit saftig grünen Wiesen und Feldern. Das schöne Grün, das teilweise mit bunten Blumen geschmückt war, endete an einem prächtigen Strand, dessen fast weiß wirkender Sand, die Grenze zum funkelnden Meer zog. Jasmine erblickte mehrere Häuser, die meisten waren ziemlich klein und einfach gehalten, doch nahe dem Strand erhob sich ein prächtiges Herrenhaus, das alles übertrumpfte. Kurz gesagt, es war ein Anblick, der Jasmine den Atem raubte.
"Ich komme immer gerne hierher zu Besuch. Es ist schön, nicht wahr?", fragte Sabine, die erwacht war und nun ebenfalls aus dem Fenster blickte. Jasmine nickte und sah schon aus der Ferne, das hier viele Menschen lebten. Sie waren zum größten Teil auf den Feldern zu entdecken.
"Gehört das alles hier etwa Daniel?", wollte Jasmine wissen.
"Er besitzt es nicht wirklich, sagen wir eher, er verwaltet es. Um genau zu sein, gehörte alles hier einst Charles. Nachdem er jedoch gestorben ist, erbte sein Sohn alles. Doch Siggi ist noch zu jung für solch eine Verantwortung. Weshalb Daniel die Aufgabe erhielt, sich bis zu dessen Volljährigkeit um alles zu kümmern", erklärte Sabine und Jasmine sah überrascht zu ihr.
"Charles, ist das der König, dem Daniel diente?", fragte sie.
"Ja. Hat Daniel dir endlich alles erzählt?", wollte Sabine wissen. Jasmine verneinte mit einem Kopfschütteln und erzählte ihr nach kurzem Zögern von dem Buch.
"Ich verstehe nicht, weshalb er dir nicht einfach alles erzählt und dir stattdessen das Buch gegeben hat", meinte Sabine verwundert.
"Um ehrlich zu sein, vermute ich, das er mir mit dem Buch nur einen Ansporn geben wollte, um fleißig das Lesen zu lernen", sagte Jasmine und nach kurzem Überlegen, gab die Ältere ihr schließlich recht.
"Wenn du willst, kann ich dir alles erzählen", schlug Sabine vor und beinahe hätte Jasmine das Angebot angenommen. Schlussendlich lehnte sie aber ab. Sie wollte es schaffen, das Buch bis zum Ende zu lesen. Außerdem kannte sie bereits das grobe Gerüst der ganzen Geschichte. Sie wusste nun, das die Krone einem die Macht über Alteristan gab. Sie wusste auch, das Claudia diese Krone wollte und deshalb Siggi entführt hatte. Alles, was davor, dazwischen und danach geschehen war, würde sie mit etwas Geduld auch noch herausfinden. Jedoch fragte sie sich nun, weshalb Daniel die Krone nicht benutzte, um damit Siggi im Austausch zu befreien? War ihm das Königreich Alteristan etwa wichtiger als das Kind, was, wie ihr nun deutlich klar wurde, nachdem Tod von Charles der zukünftige König von Daniel war? Sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, das er bereit war, mit dem Leben des Jungen zu spielen. Sie zögerte eine Weile, ehe sie Sabine eben jene Fragen stellte.
"Daniel lässt es sich vielleicht nicht anmerken, doch er sorgt sich sehr um das Kind. Für Siggi, würde er sein Leben geben. Wenn er könnte, würde er die Krone und Alteristan für Siggi aufgeben. Er versuchte sogar, die Krone gegen das Kind zu tauschen, doch er wurde Hintergangen. Zum Glück war ihm die Falle rechtzeitig bewusst geworden, bevor die Krone in den Besitz der Feinde und ein falsches Kind in seinen übergehen konnte. Wissend, dass er unseren Feinden nicht trauen kann, hält er die Krone seitdem gut verborgen. Niemand außer ihm weiß, wo sie ist", erzählte Sabine und Jasmine verkrampfte sich. Da hatte Sabine unrecht, denn die Krone war hier bei ihnen. Nervös ließ sie ihre Hand über die Tasche gleiten und hielt es für das beste, die Ältere weiterhin im Unwissen zu lassen. Nicht, weil sie ihr nicht trauen würde, sondern, weil sie Sabine nicht zur Mitwisserin machen wollte und sie dadurch in Gefahr geraten könnte.
"Daniel weiß, die Krone ist im Ernstfall die einzige Rettung für Siggi. Doch er hofft noch immer, das er beides retten kann und ehrlich gesagt, hoffe ich dies auch. Sicherlich hast du die Geschichte mitbekommen, das Justin und Claudia eine ernsthafte Auseinandersetzung hatten, oder?", fragte Sabine und bekam ein Nicken zur Antwort.
"Es geschah kurz nachdem Siggi entführt worden war. Justin fand ihn in der Gewalt der Lady und versuchte überstürzt, das Kind zu retten. Doch Claudia war von guten Männern umgeben und sie selbst, ist auch nicht zu unterschätzen. Justin verlor und wurde, für Tod gehalten, zurückgelassen. Doch er überlebte und so erfuhren wir, das Claudia den zukünftigen König hat. Zunächst war die Lady uns allen unbekannt und wir versuchten Informationen über sie zu erhaschen. Pete und ich, haben für lange Zeit ihr Anwesen beobachtet, weshalb wir damals auch sogleich wussten, das du nicht Claudia bist. Es gab jedoch keine Hinweise darauf, das Siggi in diesem Anwesen war. Ein vermeintlich sicherer Hinweis führte Daniel schließlich nach Certezza. Doch es stellte sich heraus, das Siggi auch dort nicht zu finden war. Daraufhin wurde der Plan gesponnen, die Lady zu entführen und sie so lange in Gewahrsam zu halten, bis sie uns Siggi übergab. Nun, wie du von allen am besten weißt, gab es bei der Umsetzung des Planes, einen Fehler. Daniel war so versessen darauf aus den jungen zu retten, das er diesen Fehler lange Zeit nicht wahrhaben wollte. Denn der Fehler im Plan warst natürlich du. Die Hochzeit zwischen euch, war eher spontan, da das Gerücht aufkam, Claudia würde lieber sterben, als sich in eine Ehe zwingen zu lassen", erzählte Sabine und Jasmine dachte eher mit ungutem Gefühl an die ersten Tage bei Daniel zurück. Damals hatte sie wirklich um ihr Leben gebangt und es war kaum zu glauben, was nun aus ihr und Daniel geworden war.
"Wer glaubst du, ist Claudia wirklich?", fragte Jasmine.
"Sie ist eine Mörderin, so viel ist sicher. Laut Justin, ist sie sehr geübt im Umgang mit Stichwaffen. Inzwischen wissen wir, das ihr Titel und das Anwesen nur Fassade sind und dass sie vermutlich für Avery arbeitet", antwortete Sabine.
"Wer ist dieser Avery?", wollte Jasmine sogleich wissen.
"Der jüngere Bruder von Charles. Ihm war nur der Titel eines Prinzen vergönnt und heimlich gierte er danach selber König zu werden und Alteristan zu regieren. Hinterhältig versuchte er seinen eigenen Bruder zu ermorden, scheiterte aber. Charles brachte es trotz dieser Tat nicht über sich, seinen Bruder zu richten und verbannte ihn stattdessen in das Exil. Seine Barmherzigkeit rächte sich wenige Monate später, denn wir wissen inzwischen, das Avery der Drahtzieher hinter der Entmachtung von Charles ist", erklärte Sabine und Jasmine erschauderte.
"Das heißt, Avery hat auch die Entführung von Siggi befohlen. Glaubst du, dem Kind geht es gut?", fragte Jasmine besorgt.
"Avery ist ein grausamer Mann. Doch er wird Siggi nicht töten. Es wäre Dumm von ihm, da das Kind sein einziges Druckmittel ist und er ohne die Krone nicht über Alteristan regieren kann. Daniel weiß das und das ist wohl auch der einzige Grund, weshalb er vor Sorge nicht durchdreht", meinte Sabine und Jasmine war froh zu hören, das Siggis Leben nicht bedroht war. Dennoch fragte sie sich besorgt, ob es dem Kind gut ging. Sie wünschte, sie wüsste, wo er wahr, wünschte, sie könnte Daniel helfen, ihn zu retten und Alteristan ebenso. Erfreute Rufe lenkten ihren Blick wieder nach draußen, wo sie sah, das sie die ersten Felder passierten. Die Menschen, die dort gerade arbeiteten, ließen sofort alles stehen und liegen. Mit strahlenden Gesichtern folgten sie der Karawanne, die sich unablässig dem Herrenhaus näherte.
"Wer sind diese ganzen Menschen?", fragte Jasmine.
"Alteristaner, wie ich sie heimlich gerne nenne. Einige flohen damals mit dem König und die restlichen folgten ihm nach und nach. Wie du siehst, ist es ihnen gelungen in diesem, für sie damals fremden Land, neuen Fuß zu fassen", meinte Sabine, streckte ihre Hand aus dem Fenster und winkte energisch. Jasmine spürte, wie sie nervös wurde. Sie selbst kam als Fremde hierher und sie sorgte sich nun, das diese Menschen sie nicht Willkommen heißen würden. Ihr Herz kollabierte beinahe als sie vor dem Herrenhaus hielten und die Reise somit ein Ende fand. Durch das Fenster sah sie, wie Männer, Frauen und sogar Kinder die Rückkehrer begrüßten. Sie erblickte Daniel und es war nicht zu übersehen, das die Menschen ihn mochten und respektierten. Offensichtlich hatte er, wenn man Siggi nicht mit einberechnete, hier die höchste Stellung. Viele traurige Gesichter folgten als Daniel verkündete, das der zukünftige König nicht gefunden worden war. Jedoch schien niemand dazu bereit, seine Hoffnung deswegen verlieren zu wollen. Sie war erstaunt wie sehr Daniel die Menschen unter seiner Kontrolle hatte und dabei doch Freundschaftlich mit ihnen umging. Sicher war sie sich, das er selbst auch einen guten König abgeben würde. Bei diesem Gedanken schmunzelte sie, erschrak dann aber sogleich, als Sabine ohne Vorwarnung die Tür öffnete und aus der Kutsche stieg. Die umstehenden empfingen sie sofort mit großer Freude und offensichtlich war sie ein gerne gesehener Gast. Fürchtend, das es bei ihr nicht so sein würde, hielt sich Jasmine weiterhin in der Kutsche verborgen und sah, wie sich Daniel suchend umsah. Sabine sagte ihm etwas und sogleich flog sein Blick zur Kutsche. Jasmine stockte der Atem, als er sich mit großen Schritten näherte, doch weit kam er nicht, weil ihm plötzlich vier Frauen um den Hals fielen. Jasmine entglitten die Gesichtszüge. Daniel wirkte etwas überrumpelt und es war widerlich zu sehen, mit welcher Selbstverständlichkeit die Frauen ihn anfassten. Jasmine wusste sofort, das dies wohl seine Gespielinnen waren. Ihr war natürlich klar, das es vor ihr andere Frauen gegeben hatte, die seine Lust zu stillen gewusst hatten. Und sie hatte auch kein Recht darauf, es ihm übelzunehmen, weil es vor ihrer Zeit gewesen war. Dennoch war der Anblick verletzend und die Eifersucht stach auf brutale Weise immer wieder in ihr Herz hinein.
Auch wenn diese verdammten Weiber einst seine Zuneigung genossen hatten, war Jasmine der Meinung, das sie nun kein Recht mehr darauf hatten. Daniel gehörte nämlich jetzt ihr! Mit diesem Gedanken stieg sie, innerlich brodelnd aus und wünschte, sie hätte es nicht getan, denn sogleich blickten alle zu ihr. Die Alteristaner schienen verwirrt über das Auftauchen einer Fremden zu sein und durchlöcherten Jasmine regelrecht mit ihrem penetrantem Starren. Schwer schluckte sie und hätte liebend gerne die Flucht ergriffen. Dann sah sie jedoch höchst erfreut, wie Daniel seine ehemaligen Dirnen von sich schob und zu ihr kam. Rasch stellte er Jasmine den Alteristanern vor, die mit ihren Blicken seiner Hand folgten, die nun die von Jasmine umschloss. Diese Geste war mächtig genug, um auch ohne Worte allen begreiflich zu machen, in welcher Beziehung sie standen. Zufrieden sah Jasmine, wie seinen Dirnen allesamt die Gesichtszüge entglitten. Dennoch konnte sie nicht umhin, ihm selbst, einen vernichtenden Seitenblick zuzuwerfen, denn er registrierte und der ihn Sichtlicht verwirrte. Sein Mund öffnete sich sogleich, um den Grund für ihren Zorn zu hinterfragen, doch da strömte schon die Menge herbei und Jasmine bekam von unzähligen die Hände geschüttelt, während sie in strahlende Gesichter blickte. Erleichtert atmete sie aus, denn ihre Ängste waren unbegründet gewesen. Nachdem die Begrüßung vorbei war und man einstimmig beschlossen hatte, am Abend zu Ehren der Rückkehrer ein kleines Fest zu feiern, stob die Meute geschwind auseinander.
"Wenn Blicke töten könnten, würde ich bereits vor deinen Füßen liegen. Was genau hat dich so erzürnt?", fragte Daniel nun, da er niemanden mehr in Hörweite zu wissen glaubte. Jasmine vollführte ein Kopfnicken zu den vier Dirnen, die abseits standen und noch immer zu ihnen starrten.
"Ich nehme an, das sind deine Gespielinnen?", fragte sie und seiner nun folgenden Mimik war zu entnehmen, das sie richtig vermutete.
"Das waren sie", gestand er zögerlich, versicherte ihr aber sogleich hastig, das dies nicht mehr der Fall sein würde.
"Das will ich auch hoffen, sonst muss ich dich kastrieren", entfuhr es ihr und sein entsetztes Gesicht missachtend, lief sie zu Sabine, während Jamal, der alles vom Kutschbock aus gehört hatte, in schallendes Gelächter ausbrach. Sie hörte noch, wie Daniel mit ihm schimpfte, ehe sie sich bei Sabine einhakte und sich von ihr in das Haus führen ließ.

Jasniel - Die falsche Lady *Pausiert*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt