* Kapitel 19 *

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Der Abend rückte näher, aber Daniel war immer noch nicht gekommen. Jasmine, die mit der Hilfe von Miss Pelwin ein Bad genommen und sich neu eingekleidet hatte, saß nun in ihrem Zimmer vor dem großen Spiegel und besah sich ihr Gesicht. Sie sah wirklich furchtbar aus, die Schläge von Ronny hatten deutliche Spuren hinterlassen und besonders ihr Kinn schmerzte, wo sie einen saftigen blauen Fleck erblickte. Auch ihr Bauch hatte Flecken, wie sie beim Baden bemerkt hatte und sie konnte wirklich froh sein, dass sie nichts Schlimmeres abbekommen hatte. Manchmal musste sie noch Husten, aber auch das wurde mit der Zeit besser. Mit einem schweren Seufzen dachte sie an Sabine, nach der sie vorhin geschaut hatte und die noch immer bewusstlos war. Es würde lange dauern bis ihre Schwellungen im Gesicht verheilt waren und Jasmine hoffte für sie, dass keine Narben zurückbleiben würden. Das wichtigste aber war, dass sie lebte und dass sie, so war sich Miss Pelwin sicher, bald wieder zu sich kommen würde.
Ziemlich schwach fühlend, erhob sich Jasmine und spazierte etwas in ihrem Gemach umher. Sie konnte einfach keine Ruhe finden und wie so oft in den letzten Stunden, flogen ihre Gedanken zu Daniel. Sie wollte unbedingt mit ihm reden und gefälligst eine Entschuldigung von ihm hören. Doch gleichzeitig hatte sie auch Angst davor. Würde er, nun wo er wusste, dass sie nicht Claudia, sondern nur Jasmine war, sie aus seinem Leben verbannen? Ihr Herz schmerzte bei der Vorstellung, dass er sie nun nicht mehr brauchte und doch war ihr klar, dass sie diesen Umstand nutzen und ein neues Leben beginnen sollte. Diese Stadt hier war eigentlich ganz schön, vielleicht könnte sie hier Arbeit finden.
Erschrocken fuhr sie aus diesen Gedanken als die Haustür lautstark knallte.
"Sie sehen furchtbar aus, soll ich ihnen ein Bad einlassen", hörte man Miss Pelwin rufen und eine rüde Antwort von Daniel hallte durch das Haus. Aufgeschreckt griff sich Jasmine an die Brust, dorthin wo ihr Herz nun wie verrückt hämmerte. Seine raschen Schritte kündigten an, das er sich ihrem Zimmer näherte. Plötzlich fühlte sie sich gar nicht bereit dazu, sich ihm zu stellen und hätte sich liebend gerne irgendwo verkrochen. Doch bevor sie dieser Panik nachgeben konnte, öffnete sich die Tür und Daniel trat ein. Als ihre Blicke sich trafen, hielt er ruckartig inne. Offensichtlich hatte er nicht damit gerechnet sie wach und mitten im Zimmer stehend zu erblicken. Eine viel zu lange Zeit verging, in dem beide nichts sagten und sich auch nicht bewegten. Jasmine sah, das seine Kleidung blutbefleckt und rußverschmiert war. Miss Pelwin hatte recht, er sah furchtbar aus und er verströmte noch den deutlichen Geruch des vergangenen Feuers. Dann plötzlich löste er sich aus seiner Starre, trat vollends in das Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Jasmine ließ sich sichtbar zittrig auf die Bettkante nieder und sah ihm abwartend entgegen. Verwundert beobachtete sie, wie er nun schweigend vor ihr auf und ab lief, so als würde er nach passenden Worten suchen. Diese Situation war ihm wohl sehr unangenehm.
Schließlich blieb er stehen und wandte sich ihr zu.
"Ich denke, ich sollte mich entschuldigen", sagte er und das war der Moment, wo der Knoten in ihr riss und sie sich schwungvoll erhob, eindeutig zu schwungvoll, denn es begann ihr sogleich zu schwindeln. Daniel kam sofort auf sie zu, um ihrem schwankenden Körper eine Stütze zu sein, doch sie stieß ihn von sich.
"Eine Entschuldigung wäre, wenn man bedenkt, was ihr mir angetan habt, durchaus angebracht", sagte sie und bevor er etwas sagen konnte, schubste sie ihn, sodass er noch weiter von ihr wich.
"Ihr habt mich entführen lassen, wie Dreck behandelt und mich in eine Ehe gezwungen. Ich habe euch so oft gesagt ich bin nicht Claudia, das ich schon an mir selbst zweifelte. Ihr mit eurem verdammten Dickkopf. Pete, Venus, Edward und wer weiß ich nicht noch alles, hat es euch gesagt und doch wolltet ihr es nicht glauben. Ihr seid so ein sturer, verbohrter Mann, das es zum Haare raufen ist", schimpfte sie und sah, wie sich sein Mund öffnete, um etwas zu sagen, da schubste sie ihn aber gleich nochmal.
"Ihr habt mich eine Hure genannt und mich dingen beschuldigt, die ich nie begangen habe", sagte sie schluchzend und es war ihr ziemlich peinlich, dass ihr nun die Tränen kamen. Rasch vergrub sie ihr Gesicht in ihren Händen und versuchte ihre Emotionen zu zügeln, die gerade wie eine Sintflut über sie hereinbrachen. Sie war so voller Zorn und doch so voller Verzweiflung. Einerseits hätte sie ihm gerne mehrere Ohrfeigen verpasst und, andererseits gerne in seinen Armen gelegen. Es war verwirrend. Erschrocken hielt sie den Atem an, als sich seine Hände auf ihre Hüften legten und er sie zu sich heranzog.
"Ich entschuldige mich hiermit aufrichtig bei dir und ich werde alles tun, was du willst, um das wieder gutzumachen", sagte er und mit tränen verschleierten Blick sah sie ihm entgegen, als er behutsam ihr Kinn ergriff und seinen Daumen sanft über den dortigen blauen Fleck gleiten ließ. Diese Berührung entfachte das Verlangen sich ihm, um den Hals zu werfen und diesen Mann nie mehr los zu lassen, doch sie verweigerte sich ihren eigenen Wünschen. Hastig schob sie seine Hände hinfort und wich einige Schritte vor ihm zurück.
"Die Ehe zu annullieren wäre angebracht", sagte sie ohne ihn anzusehen.
"Das soll hiermit geschehen sein, streng genommen, war sie nicht rechtskräftig, da du nicht Claudia bist, aber wenn es dir beliebt, können wir die Annullierung gerne auf Papier bringen", sagte er und sie nickte.
"Ich werde alles veranlassen", sagte er und als sie bemerkte, wie er sich ihr wieder näherte, wich sie rasch weiter vor ihm zurück.
"Was kann ich noch tun, um dich zu besänftigen?", hörte sie ihn leise fragen.
"Es gibt nichts. Sobald die Annullierung auf Papier ist, ist die Sache zwischen uns erledigt", sagte sie und ihre eigenen Worte schnitten sich tief in ihre Seele. Es war nicht das, was sie eigentlich wollte. Doch diesen Mann konnte sie nicht haben, sie war nur eine Dienstmagd, er würde sie nicht einmal wollen und noch dazu führte er ein gefährliches Leben, eines, an dem sie nicht teilhaben wollte. Er tötete, er tat immer das, was er wollte und er hatte dunkle Geheimnisse, die sie lieber nicht ergründen wollte. Es war sicherer, wenn beide getrennte Wege gingen. Doch sie wusste bereits, das ihr Herz dabei bluten würde.
Da er nichts sagte, wagte sie einen forschendem Blick zu ihm und erschauderte. Er sah sie mit einer Entschlossenheit an, das es ihr ganz bang wurde. Ehrlich gesagt, war sie sehr enttäuscht, als er dann plötzlich nickte, sich herumdrehte und wortlos ihr Zimmer verließ. Tief in ihrem Inneren hatte sie gehofft, er würde sie bitten, bei ihm zu blieben.

Jasniel - Die falsche Lady *Pausiert*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt