* Kapitel 17 *

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Gegen frühen Mittag des nächsten Tages erreichten sie eine große Stadt, die direkt an einem prächtigen Hafen lag und von zahlreichen Schiffen angesteuert wurde. Die Luft hier war ganz anders als gewohnt und Jasmine glaubte sogar, den Geschmack des salzigen Meeres zu schmecken. In Sichtweite des Hafens kam die Kutsche zum Stehen und Pete öffnete ihr die Tür. Mit seiner Hilfe stieg sie aus und blickte zu ihrem Mann, der gerade von seinem Hengst stieg.
Als er zu ihr blickte, sah sie rasch zu dem Haus, vor dem sie gehalten hatten. Pete flüsterte ihr zu, dass hier Justin mit seiner alten Haushälterin lebte und wenn es im inneren genauso aussah wie von außen, schien Justin kein armer Mann zu sein. Plötzlich war Daniel bei ihr und schob sie mit einem finsteren Blick auf das Haus zu. Sein zuckendes Augenlid verwunderte sie, nicht wissend, was ihn so erzürnte. Leider entging ihr nämlich völlig, dass in der Nähe stehende Matrosen sie begierig musterten und in ihrer Fantasie zu entkleiden schienen.
Vor der Tür angekommen, hielt er mit ihr inne und klopfte. Erschaudernd bemerkte sie, wie seine Hand, während sie warteten, ihren Rücken hinab strich und ein prickelndes Gefühl verursachend, wieder hinauf. Rasch machte sie einen Schritt von ihm weg, was aber nur dazu führte, dass sich seine Hand auf ihre Hüfte legte und er sie wieder dichter neben sich zog. Verlegen blickte sie hinter sich und beobachtete, wie sich Jamal der Pferde annahm, während Pete das Gepäck von der Kutsche holte. Im nächsten Moment wurde die Tür geöffnet und sie blickte einem Mann entgegen, der Daniel an Muskelmasse nicht nachhinkte. Er hatte strohblondes Haar und Augen, die stark mit dem Blau des Meeres konkurrierten.
"Daniel mein Freund, wie schön dich zu sehen, ich habe dich eigentlich früher erwartet", rief der Mann und Jasmine machte riesige Augen als er Daniel in eine beherzte Umarmung zog und ihm ein Küsschen auf die Wange drückte. Wie sie sah, zuckte schon wieder das Augenlid ihres Mannes, doch er nahm die Begrüßung mit einer eisigen Mimik hin.
"Kumpels, wie schön euch zu sehen", rief der Mann dann, als er Jamal und Pete entdeckte. Stürmisch fegte er an Jasmine und Daniel vorbei um die beiden Männer ebenfalls zu Umarmen. Jasmine wusste nicht, was sie davon halten sollte, wenn das Justin war, dann war er anders als von ihr gedacht. Über das ganze Gesicht strahlend kehrte der Mann zu ihnen zurück und blickte dann Jasmine verwundert an und diese ebenso verwundert zurück.
"Und, wer ist das?", fragte er, was dazu führte, dass Daniel ihn verwirrt ansah.
"Meine Frau, Claudia", sagte Daniel mit stark gerunzelter Stirn.
"Mit Verlaub mein lieber, deine Frau mag sie vielleicht sein wie ich anhand eurer Ringe erkennen kann, aber Claudia ist sie nicht", erwiderte Justin und Jasmine blickte mit einem höhnischen Grinsen zu Daniel, dem die Gesichtszüge entglitten. Hinter ihm prustete Pete in seine Hand, während Jamal genauso entsetzt aussah wie sein Boss. Daniel kam nicht dazu irgendetwas zu sagen, da Justin an ihnen vorbeimarschierte und mit den Worten, dass sie doch eintreten sollten, im Haus verschwand. Sogleich folgte Jasmine ihm. Im inneren war alles so sauber, dass man von Boden und Wänden essen könnte und der Grund dafür war wohl die ältere, etwas rundlichere Dame, die ihr nun entgegen kam. Justin stellte sie als Miss Pelwin vor und sie nahm Jasmine sofort den Mantel ab.
"Ich mache für alle einen Tee", sagte sie und verschwand. Justin gab Jasmine zu verstehen ihm zu folgen. Kurz blickte sie zur Eingangstür und fragte sich verwundert, wo die anderen blieben, ehe sie ihm folgte.
"Woher wussten sie sofort, dass ich nicht Claudia bin?", wollte sie wissen.
"Hatte mal einen Kampf mit der Furie, der ihr Gesicht werde ich gewiss nie vergessen", antwortete er und Jasmine fragte sich erschrocken, was er unter einem Kampf genau verstand. Sie hinterfragte die Sache jedoch nicht weiter, weil nun Daniel die Stube betrat, in der sie Justin gefolgt war. Wie sie bemerkte hatte er einen sehr merkwürdigen Blick aufgesetzt und schien deutlich neben der Spur zu sein. Hinter ihm tauchte Pete auf, obwohl er sich mit dem Gepäck mühte, grinste er als wäre er Milliardär geworden. Justin ließ sich auf die Couch nieder und betrachtete seine Gäste neugierig. Jasmine setzte sich ihm gegenüber und spürte, dass eine unangenehme Stille herrschte. Vorsichtig schielte sie zu ihrem Mann, der sich an das Fenster begeben hatte, die Hände hinter seinem Rücken verschränkt und hinausblickend. Da sie ihn nur von hinten sah, konnte sie leider sein Gesicht nicht erkennen, doch sie fand, dass er sich merkwürdig verhielt.
Rasch lenkte sie ihre Aufmerksamkeit auf Pete, der sich neben sie setzte und Justin mit einem ungeduldigen Blick bedachte.
"Also? Wo genau hast du meine Mutter gesehen, wir sollten sofort handeln", sagte er und Daniel wandte sich ruckartig zu ihnen herum. Jasmine bemerkte, wie er ihr einen kurzen und sehr sonderbaren Blick zuwarf, ehe er sich an Pete wandte.
"Gedulde dich, wir sollten nichts überstürzen. Wenn es wirklich Sabine ist, dann ist sie in den Fängen von Ronny und dem sein Lagerhaus ist gut bewacht", sagte er und setzte sich neben Justin.
"Daniel hat recht, ich sah, wie die Männer von Ronny eine Frau zum Lagerhaus schleppten, die wie Sabine aussah und wenn es so einfach wäre sie zu befreien, hätte ich das schon längst getan. Wir sollten zuerst diesen Ort auskundschaften und einen geeigneten Plan überlegen", meinte Justin und Jasmine sah, wie schwer es Pete fiel, seine Geduld zu wahren. Verständlich, immerhin wusste man nicht, was mit Sabine in diesem Lagerhaus passierte und jede Sekunde könnte zählen. Stille legte sich über die Gruppe als Miss Pelwin kam und ihnen allen Tee servierte. Kaum war sie wieder gegangen, richtete sich die Aufmerksamkeit von Justin ausgerechnet auf Jasmine.
"Und falsche Claudia, wie finden sie es so mit Daniel verheiratet zu sein?", fragte er.
"Schrecklich", antwortete sie und bemerkte, wie Daniel zusammenzuckte.
"Das klingt so, als wären sie noch nicht in den Genuss seiner faszinierenden Manneskraft gekommen", stellte Justin fest.
"Nein, will ich auch nicht, aber so wie sie darüber reden, haben sie es wohl schon genossen", kam es prompt von ihr zurück und Daniel, der gerade einen Schluck von seinem Tee nahm, verschluckte sich und bekam einen heftigen Hustenanfall. Pete krümmte sich neben ihr, als er versuchte sein Lachen zu unterdrücken. Und Jamal, der just in diesem Moment den Raum betrat, flog vor Schreck über diese Behauptung über die Koffer, die Pete mitten im Weg hatte stehen lassen. Justin selbst, brach in schallendes Gelächter aus. Verzweifelt rang Daniel nach Atem und warf ihr einen schockierten Blick zu, den sie jedoch ignorierte und ehrlich gesagt, über ihre Worte selbst entsetzt war.
"Ich gebe zu, ich würde gerne mal von ihm kosten", sagte Justin, als er sich beruhigt hatte und nun war es Jasmine, die sich an ihrem Tee verschluckte und kräftig husten musste. Pete flüsterte ihr zu, dass Justin nicht an Frauen, sondern an Männer interessiert war und ihr entglitten die Gesichtszüge. Ein Jammern vom Boden zerriss die komische Situation und lenkte die Aufmerksamkeit aller nun auf Jamal, der sich gerade wieder auf die Beine kämpfte und darum bat, dass man sich doch bitte ernsteren Themen zu wenden sollte.

Die Zeit verging wie im Flug, während man beisammen saß und sich einen Plan zur Befreiung von Sabine ersann. Justin war der Meinung, dass sie einige tapfere Männer brauchen würden, wenn sie das Lagerhaus stürmen wollten. Wie sich herausstellte, gab es in dieser Stadt eine Söldnerstube, wo man Männer gegen genügend Bargeld für alle Arten von Diensten anheuern konnte. Daniel und Justin beschlossen, dass sie sich Morgen darum kümmern würden, während Pete das Lagerhaus aus der Ferne beobachten sollte.
Jamal musste in der Zeit bei Jasmine bleiben und wie Daniel betonte, ein Auge auf sie haben. Nachdem alle diesen vorläufigen Plan abgesegnet hatten, rief Miss Pelwin sie in die Küche, wo sie ein köstlich aussehendes Mahl gezaubert hatte. Während dem Essen bemerkte Jasmine, wie ihr Mann sie sonderbar ansah, doch immer, wenn sie zu ihm blickte, huschte sein Blick in eine andere Richtung. Verwundert fragte sie sich, warum er sich so merkwürdig benahm. Froh war sie, als Miss Pelwin sie, nachdem Essen auf ihr zugeteiltes Zimmer brachte. Es war klein, aber wirklich schick und es hatte sogar ein eigenes Badezimmer. Von großer Sorge über den nächsten Tag erfüllt, begab sich Jasmine recht früh an diesem Tage zu Bett, doch schlafen konnte sie nicht. Mehrmals hörte sie, wie jemand vor ihrem Zimmer auf und ab lief. Irgendwann wurde es ihr zu bunt und sie ging, um die Tür zu öffnen, sah aber nur noch, wie Daniel um die Ecke verschwand. Warum marschierte er vor ihrem Zimmer auf und ab? Rasch schloss sie wieder die Tür, bevor er auf die Idee käme, zurückzukehren.

Als Jasmine am nächsten Tag ihr Zimmer verließ, waren nur noch Miss Pelwin und Jamal anwesend. Alle anderen hatten das Haus bereits verlassen. Jasmine sorgte sich sehr um Pete und hoffte, er würde nicht überreagieren, während er das Lagerhaus beobachtete. Im Nachhinein fand sie, dass ihn dazu zu beauftragen, keine gute Idee gewesen war. Was, wenn er versuchte, seine Mutter alleine zu befreien?
Auch um Justin und ihren Mann sorgte sie sich, denn Söldner waren nicht auf die leichte Schulter zu nehmen und sie hoffte, dass beim Anheuern der Männer, keine Komplikationen aufkamen. Rasch löste sie sich aus diesen Gedanken, als sie bemerkte, wie Jamal sie merkwürdig musterte.
"Was ist?", fragte sie, doch er hüstelte nur und sah rasch woanders hin. Entnervt suchte Jasmine daher die Gesellschaft von Miss Pelwin und wollte ihr im Haushalt helfen. Doch die Ältere wollte absolut keine Hilfe, was Jasmine jedoch ignorierte und ihr tatkräftig zur Hand ging. Die Zeit flog dahin und irgendwann machte Miss Pelwin den Vorschlag, dass Jasmine doch einfach einen Spaziergang machen sollte. Natürlich war sich Jasmine bewusst, dass die ältere sich wohl nur von ihr gestört fühlte und sie loswerden wollte. Offenbar ließ sie sich bei den Hausarbeiten nicht gerne dazwischen funken. Seufzend gab Jasmine daher nach und verließ in Begleitung von Jamal das Haus. Mit ihren Gedanken bei Sabine und den anderen, schlenderte sie über den Hafen und besah sich die gewaltigen Schiffe, die dort ein und ab fuhren. Zwischen den großen waren oft auch kleinere Schiffe zu entdecken, die massig Fisch an Land brachten.
"Gehen wir lieber woanders hin", sagte Jamal, der bemerkte, wie die Matrosen, die teilweise wochenlang auf hoher See gewesen waren, Jasmine hinterher blickten wie notgeile Hunde. Dies selbst nicht realisierend nickte sie und sie bewegten sich in das innere der Stadt, wo sie schon bald einen Markt erreichten. Jasmine kaufte dort für sich und Jamal jeweils einen knackigen Apfel. Nachdem Jamal diesen vertilgt hatte, räusperte er sich mehrmals, offensichtlich ein Versuch ihre Aufmerksamkeit zu bekommen. Nachdem sie den Markt verlassen hatten und durch deutlich ruhigere Straßen schlenderten, blickte sie schließlich fragend zu ihm und bemerkte, dass ihm etwas auf dem Herzen lag.
"Du willst mir doch was sagen, also worauf wartest du noch", sagte sie und er schien nicht zu wissen, wie er anfangen sollte.
"Ich entschuldige mich für alles", sagte er dann schließlich und sie blieb stehen.
"Was genau meinst du?", wollte sie wissen.
"Der Groschen ist gefallen", sagte er und bevor dies weiter erläutert werden konnte, wurde sein Blick plötzlich todernst und sie erschrak, als er sie packte und rasch hinter sich schob. Verwirrt spähte sie hinter ihm hervor und erbleichte. Eine Gruppe von zehn Mann hatte sich ihnen in den Weg gestellt und sie sahen nicht sehr freundlich aus.
"Denkst du, du wirst den Weg zurück finden?", fragte Jamal und klang sichtlich angespannt. Verunsichert nickte Jasmine.
"Gut, dann renn, halt nicht an. Die Kerle gehören zu Ronny", sagte er und im nächsten Moment stürzten sich die Männer schon auf ihn. Entsetzt entfuhr ihr ein Schrei, als sich Jamal den zehn Männern entgegen stellte und eine blutige Prügelei entbrannte. Er hielt sich sehr gut, angesichts dieser Übermacht.
"Lauf endlich", rief Jamal ihr zu und sie wirbelte herum, in dem Vorhaben ihm zu gehorchen, doch hinter ihr stand ein Mann.
"Na, wenn das nicht das kleine falsche Vögelchen von Daniel ist", sagte er mit grollender Stimme und schlug zu. Sein Schlag schleuderte Jasmine wuchtig zu Boden, wo sie, ihr eigenes Blut schmeckend, gegen eine Ohnmacht ankämpfte. Ein Schuss ertönte und das Letzte, was sie sah, bevor sie gegen die Ohnmacht verlor war, wie Jamal getroffen zu Boden sackte.

Jasniel - Die falsche Lady *Pausiert*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt