* Kapitel 36 *

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Jasmine hörte, wie sich die Fäuste trafen, es rumpelte und knallte im Gemach, als die beiden Kämpfenden alles mit sich rissen, was ihnen in die Wege kam. Sie wagte es nicht, hinzusehen und war schockiert über die Feindschaft der beiden. Da nach der Krone verlangt worden war, wusste sie, dass Daniels Bruder ein Anhänger von Avery war. Plötzlich hörte sie rasche Schritte nahen und im nächsten Moment entfloh ihr ein schmerzhafter Schrei als jemand sie an den Haaren packte und brutal nach hinten riss. Der Schwung schleuderte sie wortwörtlich in den Flur hinaus, wo sie unsanft zu Boden stürzte. Voller Angst sah sie nun in die Mündung einer Pistole, die ein fremder Mann auf sie richtete. Im Gemach rumpelte es gewaltig, ein zorniges Knurren ertönte und im nächsten Moment wurde dem Mann brutal in den Rücken getreten. Mit dem Kopf voran knallte er gegen die Wand. Daniel erschien in ihrem Blickfeld, trat dem Mann die Pistole aus den Händen und packte seinen Kopf, den er nun mehrmals wuchtig gegen die Wand schlug bis das Blut spritzte. Dann ließ er ihn los, wobei der Mann regungslos zu Boden sackte, ehe sich Daniel herumdrehte und gerade noch rechtzeitig einem Hieb seines Bruders ausweichen konnte. Nun ging der Kampf der Brüder im Flur ohne Erbarmen weiter und entsetzt kroch Jasmine auf allen vieren von ihnen weg. Zitternd kam sie nahe der Treppe auf die Beine und wollte die Flucht ergreifen, da sah sie aber einen weiteren Fremden, der hastig die Treppe emporgerannt kam. Panisch sah sie ihm entgegen und als er sie eindeutig angriffslustig erreichte, schnellte plötzlich eine Faust von hinten an ihr vorbei, die den Mann mitten im Gesicht traf, so wuchtig, dass dieser keuchend nach hinten wegkippte und krachend die Treppe hinabstürzte. Im nächsten Moment legte sich ein starker Arm um ihre Hüfte und sie wurde leicht angehoben. Daniel drehte sich schwungvoll mit ihr herum, sodass der Angriff seines Bruders ins Leere ging und ihn zum Taumeln brachte. Diesen Moment nutzte Daniel, in dem er die Tür eines Zimmers öffnete und Jasmine, sanft, hinein schubste und die Tür schloss. Was nun im Flur geschah, blieb ihr verborgen, doch es rumpelte weiterhin gewaltig. Zitternd wich sie zurück und eilte dann zum Fenster.
Genau wie im Haus tobte auch draußen ein heftiger Kampf. Es war nicht zu erkennen, ob die vielen Körper, die am Boden lagen, noch Leben in sich hatten. Doch als sie die Leiche von Aaron entdeckte, die schlaff am Pfosten hing, war sein Tod so gewiss wie das Amen in der Kirche. Sie ließ ihren Blick weiter schweifen und sah, das eines der Häuser lichterloh brannte. Dann entdeckte sie Keks, der zähnefletschend einen Angreifer daran hinderte, seinen Drang nach Blutvergießen an einer Frau mit einem zweijährigen Kind im Arm auszulassen. Nicht weit von ihnen erblickte sie Jamal, der sehr geschickt darin war, die Gegner in seiner Nähe mit der Hilfe der Peitsche zu entwaffnen. Vor dem Haus, von dem sie wusste, das es das sogenannte Ärztehaus war, entdeckte sie Edward. Anstatt einer Schusswaffe nutzte er einen Degen, den er von großem Talent beseelt, in die Leiber seiner Widersacher stieß. Hinter ihm tauchte Tobi auf, dem es zwar deutlich besser ging, aber der eigentlich noch immer strenge Bettruhe hatte. Gleich mit zwei Pistolen bewaffnet kam er Edward zur Hilfe.
Jasmine wandte ihren Blick ab und konnte kaum glauben, dass all das wirklich passierte. Direkt vor dem Haus wurde sie nun auf Pete aufmerksam und sie wurde von seinem angepriesenen Talent als Boxer zeuge. Er haute seine Angreifer um wie nichts. Entsetzt wirbelte sie herum als die Tür aufgestoßen wurde und zwei fremde in das Zimmer stürzten. Sie hörte den Bruder von Daniel etwas rufen, das klang wie, - schnappt euch die kleine! Ein wütendes Knurren von Daniel folgte vom Flure her und die beiden Männer stürzten sich auf Jasmine. Rasch wisch sie ihnen aus und es gelang ihr an ihnen vorbei und zur Tür zu eilen. Dort erschien aber nun ein dritter Mann und bevor sie sich versah, traf sie seine Faust. Benommen sackte sie in den Armen von einem der Männer zusammen und begann ihr eigenes Blut zu schmecken. Es war als würde sich die Hölle auftun, der Mann, der sie geschlagen hatte, blickte entsetzt neben sich, als er von dort ein mächtiges und zorniges Knurren hörte. Ein gewaltiger Knall ertönte und dröhnte in den Ohren von Jasmine, aber sie sah nur, wie durch einen Nebelschleier, dass der Mann an der Tür zu Boden sackte. Eine große Gestalt erschien nun.
"Lasst sie sofort los", donnerte die Stimme von Daniel, doch kaum hatte er geendet, wurde er erneut von seinem Bruder attackiert. Dies nutzten die Männer aus und versuchten, mit Jasmine zu flüchten. Wissend, das sie dies auf keinen Fall zulassen durfte, schüttelte sie die Benommenheit von sich und begann sich aus Leibeskräften gegen die beiden zu wehren. Wie eine Furie schlug sie um sich und traf einen der Männer im Gesicht. Ihre Fingernägel hinterließen dort blutige Kratzspuren. Dem anderen verpasste sie einen gezielten Tritt in seine Weichteile und sie spürte, wie sie losgelassen wurde. Sogleich warf sie einen Blick zurück. Der Mann, der sie geschlagen hatte, lag mit einem Loch im Kopf am Boden und unter ihm bildete sich eine Blutlache. Nicht weit von ihm lag die Pistole, mit der Daniel auf ihn geschossen hatte, die er aber offenbar verloren hatte, als sein Bruder ihn angriff. Der Flur war völlig demoliert und noch immer rangen die beiden Brüder miteinander. Eindeutig waren sie sich ebenbürtig und Wut entfachte in Jasmine als sie sah, das der Mann, den sie liebte, deutliche Blessuren abbekommen hatte. Sie wollte ihm helfen, irgendwie und ihr Blick richtete sich auf die Waffe am Boden. Obwohl es gegen all ihre Prinzipen sprach, hechtete sie darauf zu. Der Mann, dem sie das Gesicht zerkratzt hatte, preschte ihr hinterher, während der andere noch immer stöhnend sein Geschlechtsteil hielt und kaum aufrecht stehen konnte. Jasmine bekam die Waffe zu fassen, wurde aber sogleich gegen die Wand geschleudert, wo eine Faust sie wuchtig in den Magen traf. Keuchend sackte sie zusammen und war sich sicher, einen weiteren Schlag würde sie nicht verkraften. Alles schien ihr zu schmerzen und der Verband an ihrem Arm hatte bereits begonnen sich rot zu verfärben.
"Du verdammter ...", hörte sie Daniel brüllen und sah, wie er seinen Bruder von sich stieß, der gegen eine Tür krachte, die sich unter dem Druck öffnete und er taumelnd in den Raum dahinter stürzte. Mit einem mörderischen Blick wandte sich Daniel nun an den Mann, der vor ihr stand. Außer sich vor Zorn ging Daniel auf ihn los und schaltete ihn unglaublich schnell aus. Doch da kam schon der andere an und nach einer kurzen Rangelei, besiegte Daniel ihn ebenfalls. Schwer atmend blickte Daniel dann zu ihr. Ihre Augen weiteten sich, als sie in jenen Moment sah, wie sein Bruder wieder in den Flur taumelte und mit einer Pistole auf Daniels Rücken zielte. Sie reagierte ohne zu überlegen, Erhob die Pistole, die sie noch immer in Händen hielt und zielte. Für einen Bruchteil einer Sekunde weiteten sich die Augen von Daniel, da es für ihn aussah, als wäre er ihr Ziel und er zuckte zusammen, als sie abdrückte. Der Knall war ohrenbetäubend und leider verfehlte Jasmine ihr Ziel. Die Kugel schlug in der Wand neben Daniels Bruder ein. Der erbost über ihren Versuch, seine Waffe nun auf sie richtete. Innerhalb eines Augenblickes erkannte Daniel, dass sie ihm gerade das Leben gerettet hatte. Er sah, wie sein Bruder den Abzug tätigte, ein weiterer Knall ertönte und im letzten Moment riss Daniel die Frau, die er liebte aus der Schusslinie. Die Kugel schlug dort ein, wo sie eben noch gewesen war.
"David du ...", begann Daniel völlig außer sich, stockte aber, als sein Bruder ihn gehässig angrinste und dann plötzlich in das Gemach zurückrannte. Deutlich hörte man wie die Scheiben des Fensters barsten. Daniel rannte ihm hinterher, doch sein Bruder war tatsächlich durch das Fenster entflohen. Der Sturz aus dem Obergeschoss hatte ihm nicht sonderlich geschadet, doch deutlich hinkend sah man ihn davoneilen. Dies war der Moment wo auch die anderen Männer ihren Angriff beendeten und die Flucht ergriffen. Daniel verspürte gut Lust ihnen zu folgen und seinen Bruder zu töten, doch als er in den Flur zurückkehrte, sah er, wie Jasmine fassungslos die Waffe in ihrer Hand anstarrte und wie Espenlaub zitterte, während ihr unablässig das Blut aus der Nase floss. Dieser Anblick erschütterte ihn. Rasch kam er zu ihr, nahm ihr die Pistole ab und zog sie in seine Arme. Er hatte das starke verlangen sie nie wieder loszulassen und er erzitterte bei der Vorstellung, das er sie beinahe verloren hätte.


Düstere Wolken beherrschten den Himmel und der Geruch in der Luft kündigte einen baldigen Regenschauer an. Erschöpft und von dem Trunk benommen, den Edward ihr gegeben hatte, lag Jasmine im Bett eines ihr unbekannten Zimmers und war nicht in der Lage sich zu erheben. Der Schrecken, den David über das Landgut gebracht hatte, war nun einige Stunden her. Er und seine Leute hatten viele Leben genommen. Selbst vor Frauen und wehrlosen Kindern hatten sie nicht haltgemacht und nicht selten hörte Jasmine im Haus ein Schluchzen. Unzählige Verletzte hatte es gegeben und Edward kam kaum mit der Wundversorgung hinterher. Die jenen, die das Glück hatten noch auf eigenen Beinen stehen zu können, kümmerten sich um die Toten. Die Opfer der eigenen Reihen wurden in aller Ehre bestattet, während die Leichen der Feinde achtlos in die Wälder geworfen wurden, wo die wilden Tiere sich an ihnen labten.
Jasmine konnte hören, wie einige Frauen die Flure putzten, energisch versuchend, die Blutspuren zu beseitigen. Müde sah sie sich in dem Zimmer um. Es war sporadisch eingerichtet, da das Gemach demoliert und das Fenster zerstört worden war, hatte man sie hier untergebracht. Alles in ihr sehnte sich danach bei Daniel zu sein, doch mit deutlichem Widerwillen hatte er sie verlassen, da die Menschen ihn brauchten und er sich dieser Verantwortung nicht entziehen konnte. Wie so oft fühlte sich Jasmine völlig nutzlos. Doch als sie das Weinen eines Kindes hörte, nahm sie alle Kraft zusammen und erhob sich. Taumelnd lief sie zur Tür und verfluchte den starken Trunk von Edward. Offensichtlich hatte dieser verdammte Arzt sie ruhig stellen wollen. Er mag es gut gemeint haben, aber das machte es ihr nur schwerer sich zu bewegen. Als sie die Tür öffnete, erblickte sie das Kind nicht weit von sich. Es wirkte genauso erschöpft wie sie und weinte kläglich nach seiner Mutter. Eine der Frauen, die dabei waren, das Haus zu reinigen, versuchte bereits das Kind zu beruhigen. Jasmine kam zu ihnen und die Frau bat um Vergebung, da das Kind so laut sei. Jasmine winkte ab und erfuhr, das die Mutter des Kindes zu den Opfern zählte. Sogleich nahm sich Jasmine des Kindes an und unter dem überraschten Blick der Frau, nahm sie es mit sich auf das Zimmer. Jasmine versuchte ihr Bestes, um das kleine Mädchen zu beruhigen, doch nichts schien zu helfen. Erst als sie sich mit ihr in das Bett legte und es in eine Umarmung schloss, begann sich das Kind zu beruhigen. Tröstend streichelte Jasmine durch ihr Haar und das Mädchen drängte sich dichter an sie heran. Bald schon war es eingeschlafen und auch Jasmine gab der Müdigkeit nach. Als die Nacht hereinbrach und der Regen tosend auf das Erdreich niederfiel, betrat Daniel das Zimmer und blieb wie angewurzelt stehen. Der Anblick, der sich ihm bot, erwärmte sein Herz und nahm ihn den Schrecken, der ihn bis zu jenem Augenblick beherrscht hatte. Die Frau, die er liebte, schlief friedlich, während in ihren Armen ein kleines schlafendes Mädchen lag, das sich nach ihrer Wärme sehnend dichter an sie kuschelte. Lange, viel zu lange sog er diesen Anblick in sich auf, ehe er vorsichtig zu ihnen in das Bett stieg, sich von hinten gegen Jasmine drängte und seinen Arm um sie legte. Von zärtlichen Gefühlen übermannt vergrub er sein Gesicht in ihrem Haar und zum ersten Mal in seinem Leben, hatte er den Wunsch, Vater zu werden.



Jasniel - Die falsche Lady *Pausiert*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt