Kapitel 11

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Arun spannte seinen ganzen Körper an. Je näher er dem Dorf kam, desto mehr wurden seine Gefühle durcheinander gewirbelt.

Er konnte das Dorf vom weiten sehen, immerhin hatte er ein überdurchschnittliches Sehvermögen.

Lyanna würde dies erst später sehen, aber er musste sie jetzt wecken. Sie sollte die Möglichkeit haben, sich geistlich darauf vorzubereiten.

"Lya. Wir sind bald da!"

Ich werde langsam munter und blicke verwirrt um mich. Ich war schon wieder eingeschlafen. Jedes Mal, wenn wir gemeinsam ritten, lehnte ich mich unbewusst an Arun und schlief ein.

"Guten Morgen, Schlafmütze."

Seine Stimmlage war amüsiert und ich drehte meinen Kopf leicht zu ihm.

"Wieso lässt du es immer zu, dass ich einschlafe?"

"Mach dir keine Sorgen darum."

Dann wurde mir bewusst, was er vorhin gesagt hatte.

"Moment. Wir sind bald da?"

Er nickte und ich drehte mich nach vorne.

"Ich muss meine Haare verdecken."

Ich spürte, wie sich Arun's ganzer Körper anspannte und besitzergreifend zog er mich noch enger zu sich.

"Ich möchte nicht, dass du dein wahres Ich verbirgst. Es ist nicht das richtige. Glaube mir. Ich spreche aus Erfahrung."

"Das sagst du ständig, aber nie erzählst du mir davon."

Er seufzte. "Ich wünschte, ich könnte. Aber es ist kompliziert."

"Ich habe dir alles erzählt. Ich habe dir vertraut. Vertraust du mir etwa nicht?", fragte ich traurig.

Als er nicht antwortete, seufzte ich diesmal.

"Arun. Halte an. Ich möchte hinunter."

"Lya.-"

"Nein, Arun. Einfach nein."

Er half mir von Jaro abzusteigen und fuhr sich nervös durch seine Haare.

"Ich wünschte, ich könnte es dir erzählen. Aber ich kann es nicht. Versteh mich doch."

Aufgebracht lachte ich kurz auf.

"Du vertraust mir einfach nicht. Du würdest es mir nie sagen, habe ich Recht?"

Er senkte seinen Kopf. "Wenn ich es dir erzähle, dann wirst du weglaufen. Ich...Ich kann dich einfach nicht verlieren, Lya."

Ich starrte hinauf in den Himmel und sprach: "Das hast du schon längst."

Mit diesen Worten machte ich mich allein auf dem Weg ins Dorf.

"Lya, bitte!", hörte ich ihn verzweifelt.

"Nein, Arun. Wenn dir überhaupt irgendetwas an mir liegt, dann lass mich jetzt einfach allein."

Seine verzweifelten Bitten ignorierte ich.

(...)

Komische Blicke wurden mir zugeworfen und ich verbarg mein Gesicht nur tiefer in den Schleier.

"Sie kommt mir bekannt vor."

"Wer ist das?"

"Ich habe sie schon irgendwo gesehen."

"Wieso versteckt sie sich?"

Dorfbewohner waren einfach Tratschtanten. Die sollten sich gefälligst um ihren eigenen Kram kümmern.

Vor der Tür meines ehemaligen Zuhauses blieb ich stehen. Zwei Soldaten stellten sich mir in den Weg.

"Wohin des Weges, junge Frau?"

"Ich muss meinen Vater sprechen. Er ist der Fürst dieses Guts."

Seine Augen wurden groß.

"Lyanna?"

Ich nickte.

"Der Fürst behauptete, du seist davongelaufen. Weil du nicht heiraten wolltest."

Mein Vater hatte jeden im Dorf angelogen? Ein Schmerz durchzog mich. Hätte er lieber die Wahrheit gesagt. Das wäre mir lieber gewesen, als das jeder dachte, ich sei ein ungezogenes, undankbares Gör.

"Wo ist sie?", brüllte eine Stimme.

Angst durchströmte meinen Körper und ersetzte die Enttäuschung.

Ich wich schnell einige Schritte vom Eingang zurück, als mein Vater hinaustrat.

"Was zur Hölle, willst du hier?"

"Ich...Ich möchte nur reden. Mit meiner Schwester."

"Lyanna?", hörte ich die Stimme meiner kleinen Schwester, die hinter unseren Vater stand.

"Was willst du hier?"

Es traf mich. Ihre Tonlage klang wütend und sie schien sich überhaupt nicht zu freuen, mich zu sehen.

"Ich wollte dich sehen, Fiona."

"Ich dich aber nicht und jetzt kehre dorthin zurück, wo du warst."

Sprachlos und entsetzt über ihre Worte, blieb ich stumm und verdrängte meine Tränen.

"Ich hätte dich damals einfach umbringen sollen!", sagte mein Vater leise.

"Was geht hier vor sich?", fragten schon einige aus unserem Dorf. Schaulustige haben sich um uns herum gebildet und einen Kreis geformt.

"Ich bin nie davon gelaufen, Fiona. Vater schickte mich weg. Er verbannte mich."

Sie schien unbeeindruckt zu sein und zuckte lediglich mit ihren Schultern.

"Und du musstest unbedingt wieder kommen?"

"Wieso hast du deine eigene Tochter weggeschickt?", fragten einige.

Mein Vater kam mit schnellen Schritten auf mich zu und ohrfeigte mich, sodass ich zu Boden fiel. Meine Tränen flossen und meine Wange pochte.

"Weil ich mein Volk schützen wollte. Sie ist eine verdammte Hexe!", brüllte mein Vater in die Menge und riss mir meinen Schleier vom Kopf.

Die Menge raunte aufgebracht. Mein Vater lachte, als er meine Brandnarbe entdeckte.

"Wie es aussieht, bin ich nicht der einzige, der dich als Hexe sieht. Damals habe ich über ihr Schicksal entschieden. Aber nun...Fiona. Du darfst entscheiden, was mit ihr geschehen soll."

Fiona trat in die Menge und ich sah sie bittend an.

"Wir sind Schwestern!", wimmerte ich.

"Mutter hat dich viel mehr geliebt als mich. Das lies sie mich jeden Tag spüren. Mich hatte sie nie so geschützt wie dich. Als du fort warst, war ich nun die Erbin dieses Guts. Ich würde einen ansehnlichen Mann ehelichen, der dir bestimmt war. Ich will nicht, dass du kommst und mir all das wieder wegnimmst. Ich will deinen Tot, große Schwester. Oder soll ich sagen, Hexe?"

Bride of Dragon (Arun & Lyanna)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt