Kapitel 12

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Ich stehe gerade vor meinem Spiegel und überlege immer noch, ob ich heute wirklich für Arun arbeiten möchte. Immerhin weiß ich jetzt schon, dass ich mich mit Sicherheit in seiner Nähe nicht konzentrieren kann.

Aber ich habe nun mal keine andere Wahl. Schließlich wäre ich arbeitslos und die Chance für das größte Unternehmen zu arbeiten, bekommt nicht jeder.

Nun, ich werde es versuchen. Etwas anderes wäre auch dumm von mir.

Ein letzter Blick in den Spiegel und ich ziehe meine Schuhe an. Schnell öffne ich meine Öffnungstür und springe erschreckt auf.

"Spinnst du? Du hast mich erschreckt!", sage ich und versuche meine Atmung wieder in den Griff zu bekommen.

"Begrüßt man so etwa seinen neuen Chef?", grinst Arun provokativ.

Ich werfe ihm einen tödlichen Blick zu, weshalb er noch breiter grinst.

"Was willst du hier?", wechsle ich das Thema.

"Nun, ich dachte, dass es für dich leichter ist, wenn ich dich an deinen ersten Tag zur Arbeit bringe."

"Du und deine Ideen!", sage ich und schließe die Tür hinter mir zu.

"Wollen wir?", fragt Arun mich, weshalb ich lediglich nicke.

An seinem Auto angekommen, beobachte ich ihn.

"Wie läuft das jetzt ab? Ist das nicht eigenartig, wenn wir deine Firma zusammen betreten?"

"Es denkt sowieso jeder, dass wir verlobt sind. Also ist das nicht eigenartig."

Ich stöhne auf. Das habe ich komplett vergessen. Verdammt noch mal.

Während der Autofahrt, sprechen wir nicht. Da Radio läuft und überbrückt die Stille zwischen uns. Ich höre kaum hin. Erst als ich das C&C Company höre, werde ich hellhörig.

«Die C&C Company meldet heute seinen Konkurs an. Der CEO. - Mr. Johnson - wurde vorerst in Untersuchungshaft geschickt, da mehrere Mitarbeiter seines Unternehmens ihn wegen sexueller Belästigung gemeldet haben. Sie wurden gezwungen, mit ihm zu schlafen um nicht gekündigt zu werden. Seine Frau hat bereits die Scheidung eingereicht.»

Schockiert blicke ich zu Arun, der aber nicht beeindruckt schien. Ein schlechtes Gewissen überkommt mich. Ich dachte jedes Mal, dass die Frauen freiwillig mit ihm geschlafen haben. Ich hätte eingreifen können.

"Was ist los?", fragt Arun besorgt.

"Ich...es ist nichts."

"Lya, rede mit mir bitte. Du siehst blass aus. Ich mache mir Sorgen um dich."

"Ich wusste immer, dass er seine Frau betrügt. Aber ich habe nie etwas unternommen. Ich wusste nicht einmal, dass sie dazu gezwungen wurden."

"Hey!", muntert Arun mich auf und legt seine rechte Hand auf meine.

"Du trägst überhaupt keine Schuld. Mach dir keine Vorwürfe deshalb."

Eine Woche später...

Ich habe mich bereits an meine neue Arbeit gewöhnt. Nun, Arun macht es mir auch nicht gerade schwer. Er ist zuvorkommend, will mich nie überfordern und allein ein Lächeln reicht aus, dass ich den ganze Stress vergesse, den ich seinetwegen eigentlich nicht habe.

"Hey, willst du eine Pause machen?", fragt Arun mich.

"Haben wir nicht eben eine Pause gemacht? Vor nicht einmal einer halben Stunde?", frage ich ihn.

Er lächelt lediglich als Antwort und mir bleibt nichts anderes übrig, als meine Tasche zu nehmen und ihm zu folgen.

"Findest du das gut, wenn wir andauernd weg sind?", erkundige ich mich. "Ich habe Angst, dass mich irgendjemand verurteilt."

"Lya, mach dir keine Sorgen. Du bist erst hierher gekommen, als jeder dachte, wir seien verlobt. Also denkt niemand, dass du dich..."

"...hochgeschlafen habe?", frage ich direkt.

Er hat Recht. Wenn ich hier als gewöhnliche Angstellte angefangen hätte, dann würde man mich als Schlampe betiteln.

"Außerdem stört es keinen, wenn ich Zeit mit meiner Verlobten verbringen möchte!", sagte Arun lächelnd.

Ich verdrehe die Augen. Er kann manchmal wirklich ein Idiot sein.

...

"Woher hast du deine Narbe?", frage ich ihn, als ich wie gewohnt, gegenüber von ihm sitze. Sie ist mir bereits seit der ersten Begegnung aufgefallen. Woher er sie hat, habe ich mich nie getraut zu fragen.

Arun sieht mich ernst an, weshalb ich direkt ein schlechtes Gewissen bekomme. So etwas fragt man doch keinen!

"Tut mir leid, vergiss dass ich dich gefragt habe."

Arun greift nach meiner Hand und streichelt beruhigend über meinen Handrücken.

"Nein, ich erinnere mich nur nicht gerne an diese Zeit. Mein Onkel hat mir das angetan."

Schockiert blicke ich ihn an.

"Es tut mir leid."

"Muss es nicht." Er lächelt mich aufmunternd an und ich spüre, dass er sich mit seiner Narbe abgefunden hat. Anders als ich.

Ich fasse automatisch an meiner Wange und sage: "Ich weiß nicht, woher ich die habe. Man sieht sie kaum. Du hast sie bestimmt nicht einmal gesehen. Das tut niemand."

"Glaub mir, ich kenne alles an dir."

Meine Wangen werden rot: "Dann findest du mich bestimmt hässlich damit. Anders als du, steht mir das nicht. Deine Narbe sieht gefährlich an dir aus. An mir..."

"Du bist wunderschön, Lya. Glaub mir."

"Das sagst du jetzt nur aus Mitleid!".

"Du bist unglaublich dumm!", sagt Arun
plötzlich.

Verärgert versuche ich meine Hand von ihm zu
lösen, aber er hielt sie immer noch fest.

"Lass mich."

"Nein. Ich lasse dich nicht los, bis dir endlich
bewusst wird, dass du wunderschön bist!".
sagt er aufgebracht.

Meine Augen werden groß.

Wunderschön? Ich?

"Hör auf damit. Hör auf mich anzulügen."

"Außerdem bist du wahnsinnig stur. Aber das
bin ich bereits gewohnt!", lächelt er
plötzlich.

"Was ich sagen möchte ist, dass dich diese
Narbe um ein vielfaches schöner macht,
als du es ohne sie gewesen wärst. Sie zeigt,
dass du stark bist. Dass du tapfer bist und
eine wahre Kämpferin. Jede Narbe zeigt eine
Schlacht an, die man gewonnen hat."

Vor mir blitzt plötzlich eine Szene in meinen Kopf herum.

Arun. Anders gekleidet. Wie er mich festhielt uns mir genau dieselben Wörter sagt.

Bride of Dragon (Arun & Lyanna)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt