Kapitel 14

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Durch ein lautes Poltern werden wir wach. Schlaftrunken blinzle ich in die Ferne. Ich fühle mich, als hätte ich nur 2 Minuten geschlafen.

Ein muskulöser Pirat stellt uns Essen hin. "Essen. Dann wascht ihr euch. Der Neue und der Daneben werden zur ersten Schicht eingeteilt."

"Was für eine Schicht ist das?", frage ich neugierig.

Der Pirat starrt mich lange hasserfüllt an. In seinem Blick spiegeln sich Wut und Hass wieder. Ich beiße mich auf die Lippe und schaue zu Boden.

Wortlos schnappt er sich meinen Teller und will gehen. Ich atme entrüstet auf. Warum nimmt der Idiot mein Essen weg?! Ich hab einen Sterbenshunger!

"Du musst lernen, die Regeln einzuhalten. Wenn dus nicht tust, wirst du bestraft! Weißt du, warum ich dich bestrafe?"

Ich nicke zerknirscht. Der Pirat grinst und geht mit meinem vollen Teller davon. Ich würde am liebsten losheulen. Doch ich will mich nicht blamieren und als Mädchen rüberkommen. Ich darf niemals auffliegen!

Also sage ich mir: Bleib stark! Nicht weinen! Bleib stark!

Ich verkrieche mich in die Ecke und ziehe die Knie an meinen Körper.
Dann spüre ich eine Berührung an der Hand.
Es ist Will. Und er gibt mir ein Stück Brot ab!

"Nein. Das brauchst du doch selber!", sage ich ihm.

Doch er schüttelt den Kopf.
"Nimm es. Sonst fällst du noch um."

Also nehme ich es dankbar an. Seit einer halben Ewigkeit bekommt mein Magen wieder was zu essen! Ich verschlinge es in einem Bissen.

"Du bist sonderbar.", sagt Will plötzlich. Ich schaue verwundert auf.

"Warum?"

"Du gibst sehr viel. Doch für dich selber sorgst du nie. Hier ist das anders. Hier musst du lernen, zu überleben. Hier interessiert es keinen, ob du Hungerstreik machst oder so etwas. Bleib einfach am leben. Dafür muss man manchmal, so hart es auch klingt, über Leichen gehen."

Ich fühle mich danach ehrlich gesagt beschissener als vorher. Mir ist schlecht geworden. Ich fühle mich, als müsste ich mich gleich übergeben. Na wunderbar.

"Warum gibst du mir dann zu essen, wenn man schon über Leichen gehen muss um zu überleben?", frage ich.

"Weil... weil du ein netter Junge bist... du bist anders... alle haben Angst... und sitzen zitternd in der Ecke... aber du... du bist stark und gibst nicht so schnell auf... und auch ein wenig, weil ich dich gut leiden kann. Du bistn guter Junge.", sagt er wissend.

Ich bin völlig baff danach. Mir steckt die Stimme im Hals fest. ER MAG MICH!
Doch mehr auch nicht. Er wird nie wissen, wer ich wirklich bin.

"Noch was: Bevor du was sagst, überlege gut, was du sagen willst. Stelle keine Fragen!", warnt Will mich.

Ich nicke. "Danke Will!"

Ein Pirat kommt herein. In seiner Hand ein Eimer Wasser. In mir kommt Panik auf.

Wie soll ich das machen?! Hilfe! Ich werde auffliegen! Lass dir was einfallen! Schnell!

Er stellt den Eimer in die Mitte und schließt die Zellentüren auf. Die Fußfesseln macht er auch ab.

"Los, ihr faulen Arschlöcher! Ausziehen und waschen! In 15 Minuten bin ich wieder da!", brüllt er uns an und verschwindet wieder.

Ein etwas dickerer Junge mit blonden Haaren geht als erstes an den Eimer. Er tunkt den Lappen in das Wasser und wäscht sich überall. Dabei zieht er sich völlig nackt aus.

Spätestens jetzt wird mir klar, dass ich am Arsch bin!

Es geht der Reihe nach durch. Als Will dran ist, verschlucke ich mich fast an meiner eigenen Spucke. Er hat einen schier PERFEKTEN Körper!

Doch als er den Rücken mir zuwendet, sehe ich viele Narben. Es sind lange Striemen, die sich über seinen ganzen Rücken gehen. Ich versuche, ihn nicht ständig anzustarren.

Als er fertig ist, bin ich an der Reihe. Mit klopfenden Herzen nehme ich den Lappen. Ich hab immernoch keine Ahnung, wie ich das machen soll. Ich bin ja nicht wie sie!

Ich bin gerade dabei, meine Hose auszuziehen, als ich aus der misslichen Lage befreit werde. Der Pirat kommt zurück und brüllt:"GENUG GEWASCHEN! DU DA UND DU, MITKOMMEN!"

Ich ziehe also meine Hose wieder an. Glücklicherweise habe ich eine Unterhose an, damit die anderen nicht gleich sehen, wer ich wirklich bin.

Der Pirat führt mich und Will zu einem Raum. Es ist vermutlich der Schlafraum der Piraten. Er knallt uns einen Eimer und 2 Bürsten hin und sagt:"IHR MÜSST DEN BODEN PUTZEN!"

Wir beide nicken gleichzeitig.
Der Pirat sagt nicht und bleibt an der Türe stehen und beobachtet uns.

"Warum beobachtet er uns?", frage ich verwirrt.

"Er passt auf."

"HEY IHR DA! NICHT REDEN, PUTZEN!", brüllte der Pirat uns an.

Ich ducke mich und und schruppe den Boden. Nach einer Weile sagt der Pirat:"Ich gehe etwas essen! Und ihr putzt hier schön weiter!"

Wir nicken und er geht davon. Will und ich haben wunde Hände vom Schrubben. Ich sehe auf meine Hände. Sie sind schon fleischrot und die Haut ist aufgeweicht.

Ich mache einen Schritt nach hinten und stoße ungeschickt an den Eimer mit Wasser. Er fällt mit einen lauten Plumps um und das Wasser schwabbt heraus.

"Jack! Was hast du getan?", fragt Will fassungslos und blickt auf den umgefallen Wassereimer.

In diesem Moment kommt der Pirat zurück. Will schubst mich leicht nach hinten.

"Was ist hier passiert?", fragt er wütend.

"Ich war ungeschickt und hab den Eimer umgestoßen. Es tut mir leid.", sagt Will, bevor ich antworten kann. Überrascht starre ich ihn an. Warum tut er das? Warum beschützt er mich?

Der Pirat läuft auf uns zu. Er packt Will am Nacken, sodass dieser vor Schmerz aufschreit.

"DAS wirst du nie wieder tun! Na warte du Ratte!", brüllt er und zerrt Will nach draußen. Ich folge ihnen und will Will helfen. Ich schreie:"NEIN, LASST IHN LOS! LASS IHN LOS!"

Er befiehlt 2 anderen Piraten ihm ein Seil zu bringen. Er macht es an dem Masten fest. Dann fesselt er Will an dem Händen und bindet ihn an den Masten.

Der Pirat ist rasend vor Wut. Wütend dreht er Will um und zerreißt ihm das Hemd, sodass sein ganzer Rücken frei ist.

Ich schreie:"NEIN! Was habt ihr vor?! LASST IHN IN RUHE! BITTE!"
Ich bettle schon fast. Denn mir wird bewusst, was sie vorhaben.

"LASST IHN GEHEN! BITTE!", bettle ich und versuche den Piraten sein Handeln zu unterbrechen. Natürlich ist es hoffnungslos. Er schlägt mich mit einem kräftigen Stoß auf den Boden. Ein anderer Pirat zerrt mich auf die Beine und hält mich mit beiden Armen fest. Ich schlage um mich und will mich aus seinem Griff befreien. Zwecklos. Er ist stärker als ich.

Immer wieder schreie ich:"NEIN! AUFHÖREN!"

Doch es nützt nichts. Der wütende Pirat lässt sich nicht abbringen. Von nichts und niemandem.

Will wehrt sich nicht dagegen. Er steht mir leerem Blick da.

Der Pirat holt eine Peitsche heraus. Ich höre nur noch wie jemand schreit:"IHR KÖNNT DAS NICHT TUN! AUFHÖREN!"

Bin ich das die so schreit?! Es sieht alles so unreal aus. Niemand hört mich. Immer wieder höre ich, wie Will vor Schmerzen aufstöhnt. Immer wieder wehre ich mich gegen den festen Griff.

Irgentwann hört der Pirat auf. Ich komme zurück in meine Zelle.

Will ist bewusstlos geworden. Er wird benommen in die Zelle gebracht.

Wills Schreie und seine blutigen Striemen auf seinem Rücken gehen mir nicht aus dem Kopf.

Dies hier ist wirklich die Hölle.

Die PiratenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt