Kapitel 17

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Die Tage vergehen. Das Wetter wechselt täglich. Einmal ist es sonnig und warm, am nächsten Tag schüttet es wie aus Kübeln. Ich werde oft zum Küchendienst zugeteilt. Immer, wenn der eine Pirat wegschaut, stibize ich heimlich ein paar Brote in meinen Ärmel. Nachdem der Dienst vorbei ist, warte ich bis in die Nacht und gebe den anderen Jungs die Brote.

Die Jungs sind alle ganz nett. Aber sie haben auch Angst. Was ja eigentlich verständlich ist. In den letzten Tagen habe ich sie mehr und mehr kennengelernt. Da wären Derek und Marten. Die 2 sind beide 15 und ihr Segelschiff wurde überfallen.
Dann gibt es noch Peter, Tom und Sawyer. Die 3 sind Brüder und ihre Stadt wurde überrannt.
Ein rothaarige Junge heißt Sam. Er war eigentlich Soldat und segelte mit seinen Kameraden übers Meer. Er war der Jüngste mit seinen 16 Jahren. Doch dann kamen die Piraten und griffen in der Nacht an. Niemand überlebte - außer er.

Besonders schicksalhaft ist die Geschichte von dem Rest der Jungs. Diese heißen Charlie, Harry, Oliver, William und George. Sie waren angeln. Mit ihnen war auch Harrys kleiner Bruder. Dann trieben sie zu weit auf das weite Meer hinaus. Vergeblich versuchten sie, wieder an Land zu paddeln. Umsonst. Tagelang trieben sie auf dem Offenen Meer. Ein Schiff fand sie schließlich. Es war ein Handelsschiff aus Frankreich. Doch Harrys kleiner Bruder war zu schwach. Er starb am selben Tag. Sie dachten, sie wären jetzt in Sicherheit. Doch schon in der nächsten Nacht wurden sie angegriffen.

Als ich Will frage, reagiert er nicht. Er redet seit dem Vorfall kaum ein Wort mehr mit mir. Von den anderen erfahre ich, dass Will Kommandant war. Er segelte mit seiner Crew aufs Meer. Sie kamen gerade aus einer Schlacht, hatten diese aber gewonnen. Sie wollten zurück nach England. Wills kleine Brüder waren auch dabei. Er liebte sie und wollte sie beschützen. Doch er konnte es nicht. Er sah, wie sie fielen im Kampf. Dies brach ihn. Er kämpfte nicht mehr. Die Piraten nahmen ihn gefangen. Er war der erste, der hier war.

Meth ist ein Unglücksrabe. Sein Schiff sank und er trieb auf einem Holzbrett umher, bis sie ihn fanden.

Ich erzähle den Jungs meine Geschichte. Naja, fast die ganze Wahrheit. Nur Jack lasse ich aus. Und dass ich dort reingeschmuggelt wurde auch. Sie müssen es ja nicht wissen. Auf keinen Fall. Niemals.

Will sitzt seit dem Vorfall nur teilnahmslos in der Ecke. Er isst kaum noch etwas. Wenn ich mit ihm reden will, reagiert er nicht oder er brummt mich an.

Ich lasse ihn meistens in Ruhe. Aber ganz verstehe ich sein Verhalten mir gegenüber nicht. Was habe ich ihm getan? Warum ist er auf mich böse? Das mit der Figur wusste ich nicht. Also war und ist es nicht meine Schuld!

Er tut mir auch leid. Er hat seine Brüder verloren. Genauso wie ich. Ich fühle mich irgentwie mit ihm verbunden. Ja, ich habe Gefühle für ihn. Aber die werde ich ihm niemals sagen können.

In der Nacht schlafen schon alle. Außer ich und Will. Er tut so, als würde er schlafen. Ich merke das immer an seinem Atem.

"Will? Ich hatte auch 2 Brüder. Ältere Brüder. Der eine, William, wurde vor meinen Augen ermordet. Ihr seid euch sehr ähnlich. Ich vermisse ihn. Der andere war mit mir auf dem Handelsschiff. Keine Ahnung, ob er noch lebt. Er war mein Seelenverwandter. Ich vermisse ihn schrecklich. Ich habe mir geschworen, sie zu beschützen. Doch ich konnte es nicht. Ich habe mir sehr oft die Schuld daran gegeben. Doch dann ist mir mehr und mehr klar geworden: es war nicht meine Schuld! Es ist die Schuld dieser verdammten Piraten!", fange ich an zu reden.

Will dreht sich auf den Rücken und starrt die morsche Decke an.

"Sie waren meine kleinen Brüder. Jacki und Joshua. Jacki war ängstlich, aber dennoch mutig. Joshua war dagegen ein Draufgänger. Er wollte sich sofort in einen Kampf stürzen. Ich konnte ihn oft nur schwer davon abhalten. Als wir von zuhause aufbrachen, schwor ich meiner Mutter, auf sie aufzupassen, sie zu beschützen. Nachdem wir die Schlacht gewonnen hatten, malte ich mir aus, meine Mutter wieder in die Arme zu schließen. Aber so kam es nicht. Stattdessen musste ich mitansehen, wie zuerst Joshua und dann Jacki starben. Vor meinen Augen. Joshua versuchte Jacki zu beschützen und stellte sich vor seinen Bruder. Der Pirat war Morris. Der Käpt'n. Er lächelte dabei. Soetwas habe ich noch nie gesehen. Danach brach eine Welt für mich zusammen. Ich gab auf und wollte wie meine Brüder sterben. Doch stattdessen nahmen sie mich fest und nun hock ich hier.", erzählt er nach einer Weile.

Ich schaue ihn bedrückt an. Es ist wirklich eine traurige Geschichte.

"Aber... was hast du mit dem Mörder deines Bruders gemacht?", fragt Will.

"Ich habe ihn getötet. Schön langsam und schmerzvoll. Ich wollte, dass er genauso leidet wie ich in diesem Moment.", antworte ich und lächle dabei, als ich daran denke. Rache ist süß.

"Hey du kannst ja lachen!", bemerkt Will mit einem Zwinkern.

Stimmt. Seitdem ich hier bin, habe ich nie gelacht geschweige denn gelächelt. Dies ist das erste mal, dass ich hier lächle. In der Hölle.

"Das hat der Typ verdient!", sagt Will im ernsten Ton.

Ich nicke. "Ja. Das hat er. Und Morris genauso. Ihn solltest du an den hohen Mast binden und dann das Schiff aufs Meer lassen, ohne seine Crew. Ganz alleine."

Will kichert leise. "Du hast ja ne blühende Fantasie. Aber gute Idee. Sie gefällt mir."

Eine Weile schweigen wir nur.

"Aber weißt du, was ich mir gesagt hab? Ich hab mir geschworen, dass ich nicht aufgebe! Damit der Tod meiner Brüder nicht umsonst war!", sage ich fest entschlossen.

Will überlegt. "Du hast recht. Ich bewundere deinen Mut und deine Zuversicht. Du bist der einzigste Junge, den ich hier so kennengelernt habe. Die meisten hier hatten Angst und verkrochen sich in die Ecke. Aber du wolltest herausfinden, was hier abgeht. Das schätze ich sehr an dir, Jack.", flüstert er.

Ich grinse in mich hinein. Ein Kompliment habe ich schon lange nicht mehr gehört.

Wenn du nur wüsstest, Will, wenn du nur wüsstest, denke ich mir. Ich bin eigentlich ein ganz anderer, als du denkst.

Bevor ich jedoch etwas sagen kann, geht die Türe auf. Verwirrt schauen wir uns an. Warum kommen sie mitten in der Nach zu uns? Das haben sie noch nie gemacht! Alle sind wach geworden.
"Geht alle an Deck! Und wehe einer versucht zu fliehen!", brüllt der Pirat uns an. Verdutzt merke ich, dass wir nicht mehr fahren.

Was zur Hölle geht hier vor sich?

Die PiratenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt