Die Piraten

Kapitel 4

Das Einzigste, warum ich mich auf die Hochzeit freue, ist die Tatsache, dass mein Bruder Jack wiederkommt. Ich habe ihn schon lange nicht mehr gesehen und vermisse ihn wirklich sehr.

Es sind nur noch ein paar Tage bis zur Hochzeit mit Narbengesicht. Ich habe ihn schon ein paar mal gesehen, doch immer stank er nach Alkohol und Schweiß. Ich ekelte mich vor ihm und hatte Angst vor ihm.

Nicht nur seine Narben im Gesicht machten mir Angst, auch die Art, wie er mich immer ansah: er guckte mir bei jeder Gelegenheit hinterher. Dabei öffnete er leicht den Mund. Ich denk immer er fängt gleich an zu sabbern.

Als ich Schritte höre, zieht sich mein Herz und meine Brust zusammen.

"Mutter; bist du das?", frage ich.

Keine Antwort.

"Wer ist da?", frage ich abermals.

Mein Herz klopft mir bis zum Hals.

Ich gehe zur Türe und lausche. Draußen vor meiner Türe ist ein kratzen zu hören.

Ich greife zum Tüfgriff und mache sie mit Schwung auf.

Ich höre wie jemand schreit:"Autsch!"

Ich schaue um mich und sehe einen roten Schopf.

"Jack!", jauchse ich und fliege ihm um den Hals.

"Willst du mir die Nase brechen?!", fragt Jack leicht empört und hält sich dabei die blutende Nase.

"Tut mir leid, Jack!", sage ich sichtlich reumütig.

Wir fangen beide an zu lachen und ich bitte ihn in mein Zimmer.

"So, dann erzähl mal, Schwesterherz. Wie geht es dir so?", fragt er.

"Ich habe Angst, Jack!", antworte ich.

"Angst wovor?"

"Vor der Nacht, vor Narbengesicht, ach einfach vor allem!"

"Narbengesicht? Das ist dein Name für ihn?" Jack ist leicht amüsiert. "Du weißt, er hat die Narben von Krieg! Er ist ein ehrenvoller Mann! Aber hab keine Angst, er wird dir bestimmt nicht wehtun!"

Ich schaue ihn an. Er sieht unserem Vater sehr ähnlich: er hat genauso einen roten Bart und die gleichen Ohren. Doch die Augen hat er von seiner Mutter: Himmelblaue Augen.

Mit Jack verstehe ich mich am besten. William sehe ich kaum.

Jack und ich machen immer Witze und er ist zu jedem Spaß zu haben.

"Mutter ruft mich. Wir sehen uns später.", sagt er und gibt mir zum Abschied einen Kuss auf die Stirn.

"Es wird alles gut werden, du wirst schon sehen. Und jetzt sei glücklich und freu dich: du wirst bald heiraten!"

Dabei nimmt er mein Kinn und zwingt mich ihn anzusehen.

Ich nicke und bleibe in meinem Zimmer zurück.

Nachdenklich hole ich die Holzfigur von meinem Vater aus der Schublade und sehe sie mir an.

Sie ist recht klein und mittlerweile ist das Holz schon etwas ausgefranzt.

Ich vermisse meinen Vater so! Er hat mir doch versprochen dass ich mit ihm auf das Meer segeln darf! Und eines Tages werde ich den Menschen finden der schwarz angemalt ist und die Holzfigur gemacht hat. Doch wie soll ich das schaffen? Ich bin eine Frau und dazu noch bald verheiratet!

Den Gedanke verschlage ich fürs erste.

Es wird schon alles gut gehen! Es wird nicht wehtun, hat Jack gesagt!

Also bleibt mir nichts anderes übrig als auf Jacks Aussage zu vertrauen.

Dann ist der Tag der Hochzeit gekommen.

Ich sitze im Bad und lasse mir die Haare machen. Meine Haare werden mit Wasser und sogar einer ausgepressten Zitrone gewaschen. Durch die Zitrone habe ich glänzendes Haar.

Die Zofe macht mir eine Steckfrisur.

Dann geht es raus zur Kirche. Ich merke wie ich einen leichten Anflug von Panik in mir spüre.

In der Kirche sind sehr viele Leute. Die Kirche ist bunt geschmückt. Meine Familie steht in der ersten Reihe. Jack nickt mir aufmunternd zu.

Neben ihm steht William und meine Mutter.

Nach der Trauung gibt es ein großes Fest mit sehr viel Wein.

Narbengesicht trinkt und trinkt. Er wird immer betrunkener, bis er fast vom Stuhl fällt.

Ich sitze nur still da und schaue auf meinen Teller, der mit roten Weintrauben gefüllt ist.

Es wird langsam dunkel.

Ich gehe in mein Zimmer und zittere. Genau davor hatte ich die ganze Zeit Angst.

Ich kippe fast vor Angst um als ich Schritte vor meiner Türe höre...