Kapitel 5 - Das Ringen mit der inneren Angst

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Er rannte so schnell er konnte, die düsteren, klammen Gänge entlang. Die Lichtröhren an der Decke flackerten, als stünden sie kurz davor im Kampf gegen die Finsternis aufzugeben. Stellenweise lagen einige Passagen des riesigen, unterirdischen Tunnelsystems gänzlich im Dunkeln, weil an jenen Stellen die Beleuchtung bereits ihren Dienst versagt hatte. Nichtdestotrotz rannte er einfach weiter – immer weiter. Er musste sich beeilen, da er zur Flucht gezwungen wurde, denn jemand war hinter ihm her.

Er hörte die massiven Schritte, die polternd durch die Gänge hallten und ihm unerlässlich folgten. Der Klang der verfolgenden Schritte war bedrohlich. Ihm kam es so vor, dass egal wie schnell er rannte, es unmöglich war seinen Verfolger abzuschütteln.

Die feuchte, muffige Luft legte sich unangenehm auf seine Lungen und erschwerten ihm zusätzlich das Atmen. Hier unten herrschte eine solch hohe Luftfeuchtigkeit, dass sich das Wasser bereits an den gewaltigen Deckenrohren sammelte, nur um von dort hinab zu tropfen und sich in kleinen Unebenheiten des Betonbodens zu sammeln. Die Wasserpfützen plätscherten unheilvoll, wenn er in eine hineintrat. Das monotone Geräusch des tropfenden Wassers vermengte sich zudem mit den hallenden Schritten zu einer Melodie des Grauens, die dumpf an den kahlen, nassen Wänden und Rohren echote.

Er stoppte abrupt an einer Weggabelung und überlegte fieberhaft, welchen Weg er einschlagen sollte. Er konnte sogar seinen heißen, aufgeregten Atem in der feuchtkühlen Luft sehen. Die Schritte waren ihm dicht auf den Fersen, und er fühlte die Präsenz seines Verfolgers im Nacken. Er hatte daher keine Zeit, um ausgiebige Überlegungen anzustellen, weshalb er sich auf seinen Instinkt verlassen musste. Er eilte daher weiter und folgte dem rechten Pfad.

Allmählich begannen seine Lungen zu brennen, ebenso wie seine Muskulatur. Er hatte keine Ahnung, welche Strecke er bereits zurückgelegt hatte, aber seine Kondition baute zunehmend ab, was eindeutig ein Zeichen dafür war, dass diese Flucht schon viel zu lange andauerte.

Ein Tropfen von der Decke troff ihm ins Gesicht. Verwundert blinzelte er, da sich die Substanz zähflüssiger und wärmer anfühlte als Wasser. Ein weiterer landete auf seinen Lippen. Er schmeckte unweigerlich den Geschmack von Kupfer. Irritiert hob er die Finger und befühlte die Tropfen in seinem Gesicht. Als er die Fingerkuppen betrachtete, haftete wie bereits vermutet kein Wasser daran, sondern eine rote, zähflüssige Masse – eindeutig Blut.

Er atmete zischend vor Schock, ignorierte schleunigst den Umstand, dass plötzlich nicht nur Wasser von den Deckenrohren troff, und rannte einfach weiter. Je weiter er jedoch kam, desto mehr transformierte sich das Wasser in das rote Lebenselixier. Die Pfützen und die Wände waren voll mit rot.

„Vom Jäger zum Gejagten", höhnte eine Stimme gefolgt von einem dröhnenden Lachen. „Du wurdest nun selbst zu dem, was du einst schworst auszulöschen und wovor du die Menschheit stets beschütztest. Welch Ironie!"

„Sei still...", murmelte er atemlos und versuchte die Stimme abzuschütteln, indem er heftig den Kopf schüttelte. „Ich bin nicht eines dieser Dinger."

„Oh, natürlich bist du das. Sieh dich um. Du bist ein Monster", hohnlachte die Stimme von Kaidan.

Piers blieb abrupt stehen, als er in eine ausgewachsene Blutlache trat und sein Körper von purer Erschütterung erfasst wurde, da sich ihm grausige Bilder offenbarten. Er war geradewegs in eine Sackgasse gelaufen, jedoch war dies nicht, was ihn entsetzte. Viel mehr waren es all die Überreste, die an den Wänden hingen und die zerfetzten Leichen, die sich vor ihm häuften.

Piers taumelte schockiert zurück und hielt sich die Hand vor den Mund, als er scharf einatmete. Es waren die Überreste seiner eigenen Freunde. Jill, Claire, Sheva, Rachel....

Er sackte auf die Knie und hustete, als ihm schlecht wurde und er befürchtete, sich übergeben zu müssen. Er fühlte regelrecht, wie sich sein Magen grausig umdrehte und der Mageninhalt empor seiner Speiseröhre kroch. Piers hustete abermals. Er bekam kaum Luft und spuckte zur Seite aus, was sein elendes Befinden jedoch nicht linderte.

Operation Darkness || A Nivanfield Story [Resident Evil] - Band 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt