Kapitel 4 - Die Befremdlichkeit seiner selbst

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15. Juli 2014, Wohnung von Chris und Piers, Atlanta, Georgia – Nordamerika

Piers japste nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen. Er fuhr schlagartig aus dem Schlaf und saß kerzengerade im Bett. Er war schweißgebadet und völlig desorientiert sowie panisch.

„Wow, ganz ruhig!" hörte er die beruhigende Stimme von Chris Redfield, der den Jüngeren sofort behütend in seine Arme schloss, um ihn zu besänftigen.

Piers klammerte sich augenblicklich an dem Älteren fest und nahm einen tiefen Atemzug des bekannten Duftes. Die Anwesenheit Redfields bändigte seinen verstreuten, konfusen Geist und erstickte die aufkeimende Panik in Windeseile. Nivans war dankbar dafür und saugte die sedierende Wirkung des Veteranen in sich auf, die ihm bewusst machte, dass er sicher war und sich in vertrauter Umgebung befand.

Sorgfältig löste Chris die Umarmung auf und blieb auf der Bettkante sitzen. Der Dunkelhaarige blickte aus sorgsamen Augen drein und legte seine Hand an die Wange des Jüngeren. Piers atmete tief durch, denn die warme, starke Handfläche Redfields vertrieben auch den letzten Rest seiner Panik.

Dennoch wurde der Jüngere von Rückblenden eingeholt, als er langsam die Orientierung wiedererlangte. Er entsann sich daran, dass er umgekippt war, nachdem er Ben Morgan....

Der junge Scharfschütze schluckte schwer und zischte, als ein stechender Schmerz durch sein Hirn fuhr. Sein Schädel pochte, und er fühlte sich mit einem Mal schwindelig. Allein wenn er daran dachte, was geschehen war, wurde ihm speiübel. Er presste die Finger gegen die Schläfe, in der Hoffnung den Kopfschmerz eindämmen zu können.

Chris seufzte leidig über den Umstand und presste die Lippen aufeinander. „Es war zu früh, dich für die Mission einzuspannen...", resümierte Redfield ernüchtert, denn er gab sich selbst die Verantwortung daran.

Er hätte Piers davon abhalten müssen. Er hätte sich gegen den Jüngeren durchsetzen müssen, aber er hatte Nivans die Bitte an der Mission teilnehmen zu dürfen, nicht ausschlagen können. Er hatte es nicht gekonnt, weil er wusste, wie sehr es an Piers genagt hätte. Er hatte wochenlang trainiert und sich abgemüht, um die erste Mission des HWS nicht zu verpassen. Chris hatte es daher nicht übers Herz gebracht, den Hellhaarigen davon auszuschließen, wenngleich es die vernünftigere Entscheidung gewesen wäre. Als Captain und Älterer hätte er sich nicht davon hinreißen lassen dürfen. Er hätte streng sein müssen. Es hätte ihm oblegen, egal wie hart es für sie beide gewesen wäre, die Vernunft zu wahren, anstelle sich der Erweichung durch Gefühle hinzugeben. Chris hätte es besser wissen müssen. Immerhin hatte er derweil genügend Erfahrung damit und etlichen Rekruten Derartiges gepredigt, dennoch ließ er sich ständig wieder dazu hinreißen, auf sein Herz zu hören, anstelle seines Verstandes.

„Ich wollte es unbedingt so", setzte Piers zerknirscht an. „Es ist meine eigene Schuld. Ich war naiv und egoistisch, zu glauben, dass ich schon bereit dafür bin. Tut mir leid..."

Chris lächelte zärtlich und strich dem Jüngeren liebevoll durchs Haar. Piers war einfach unglaublich tugendhaft und ehrgeizig. Er konnte ihn also nicht verurteilen und dafür bedurfte es auch keinerlei Entschuldigung.

„Chris, was ist eigentlich passiert?" fragte der Schütze vorsichtig, denn eigentlich kannte er die Antwort, aber er wollte Gewissheit. Es schlich sich töricht die unterschwellige Hoffnung ein, dass er womöglich sich irrte oder geträumt hatte. Er wollte es also aus Chris Mund hören, um die Bestätigung zu erhalten, dass seine Erinnerung ihn nicht trog.

„Nun ja, dasselbe wollte ich dich eigentlich fragen", erwiderte der Veteran und glitt fahrig durch sein sattes, dunkelbraunes Haar. „Du warst eine Weile lang bewusstlos. Und um ehrlich zu sein, dachte ich, du könntest mir erklären, was in jener Gasse geschehen ist. Als Jill und ich dich eingeholt hatten, da fanden wir nur noch die völlig zerfetzten Überreste von Ben Morgan vor. Was zum Teufel ist passiert, Piers?"

Operation Darkness || A Nivanfield Story [Resident Evil] - Band 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt