14. Der Aufzug

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Nun stand Alice Weidel vor ihr und hielt immernoch Sahras Handgelenk fest. Ausgerechnet mit dieser Frau, die sie seit Wochen ignorierte, stand sie nun alleine in einem Aufzug. Normalerweise ignorierte man Leute, die man nicht mochte oder sogar hasste. Doch bei Sahra war es das Gegenteil davon.

Nach dem erotischen Vorfall auf der Damentoilette war sie sich sicher, dass sie Gefühle für die blonde Frau entwickelt hatte. Die Kommunistin war sich bewusst, dass diese Gefühle schon für einen längeren Zeitraum existiert hatten, doch diesen Schwachsinn wollte sie sich endgültig aus ihrem Leben streichen. Sahra beschloss, dass es besser war, vorerst nichts mehr mit Alice zu tun zu haben. Es tat weh aber sie wollte es ja.

Oskar hatte schon bemerkt, dass irgendetwas in dem Leben seiner Ehefrau vorgefallen sein musste. Als Sahra an dem Tag des Vorfalls mit verweinten Augen nach Hause kam, hatte Oskar ihre schlechte Laune gleich gespürt. Auf die Frage, ob alles okay sei, hatte Sahra nur mit einem halbherzigen Nicken beantwortet. Den ganzen Abend lang hatte sie den fragenden und besorgten Blick ihres Ehemanns auf sich gespürt, doch sie hatte nur so weitergemacht als wäre nichts geschehen.

Sie brachte es einfach nicht übers Herz ihm zu sagen, dass sie ihn mit einer lesbischen Faschistin aus der AfD betrogen hatte und vor allem, dass es ihr auch noch gefallen hatte. Dafür liebte sie ihn zu sehr. Sahra wollte ihre Reue und ihren Schmerz lieber für sich behalten. Das Geständnis hätte diese negativen Gefühle nur noch verschlimmert und zusätzlich auch auf Oskar übertragen und das hätte sie nicht mehr ausgehalten. Die Situation war sowieso schon schlimm genug.

Die Entscheidung seiner Ehefrau, ihm nicht zu sagen wie es ihr wirklich, ging respektierte Oskar. Irgendwann würde sie es ihm sagen, wenn sie bereit dazu war. Dennoch machte es ihn traurig, dass Sahra ihm nichts erzählen wollte. Normalerweise teilten sie alle ihre Gedanken und redeten darüber.

„Lass doch das alberne Siezen Sahra! Man siezt sich doch nicht mehr, wenn man miteinander geschlafen hat. Dort ist die Grenze schon längst überschritten. Wieso ignorierst du mich?" sagte Alice verletzt. Auch wenn sie versuchte keinerlei Emotionen zu zeigen, schwang doch ein verletzter Unterton in ihrer Stimme mit.

„Ich bitte sie, kein Wort mehr über diesen Vorfall zu verlieren. Das liegt in der Vergangenheit und hat keinen Einfluss mehr auf die Gegenwart und Zukunft. Könnten sie jetzt bitte ein einziges Mal so nett sein und mich nicht weiter aufhalten? Ich müsste in meinem Büro noch einiges erledigen. Aber bei der AfD wird Respekt und Anstand ja bekanntlich nicht großgeschrieben."

Sahra versuchte, den Knopf zu drücken, der sie in die Etage ihres Büros bringen würde, doch Weidel stellte sich davor und fing Sahras Hand ab.

„Ich bitte sie, seien sie doch nicht albern! Wir haben hier nichts zu besprechen. Lassen sie mich gehen."

„Du hast Recht. Wir haben hier  nichts zu besprechen. Das ist nicht der richtige Ort dafür." sagte Alice und kramte einen Zettel und einen Kugelschreiber aus ihrer Tasche. Die Faschistin hielt Sahra den gelben Zettel hin, wo sie schnell ihre Adresse draufgekritzelt hatte. Doch Sahra nahm diesen nicht an.

„Um 19 Uhr heute Abend bei mir? Dort könnten wir das in Ruhe besprechen."

Die Kommunistin regte sich immernoch nicht und starrte mit einem ausdruckslosen Blick auf den Zettel vor ihr. Sollte sie das wirklich tun?


mit dem Essen spielt man nichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt