Avery's Detektivbüro - Kapitel 1

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September 1917

„Maman, hast du meinen Hausschal gesehen?", Saphira Selwyn lehnte sich seicht über das Geländer der massiven Steintreppe um sicherzustellen, dass ihr Ruf bis zu ihrer Mutter in die Küche vordringen würde. „Saphira, wofür haben wir einen Hauselfen? Frag doch einfach Billy", kam die unerwartete Antwort von Mr. Selwyn, der im Türrahmen zur Küche stand und mit geschürzten Lippen an seinem Tee nippte. Saphira verdrehte leicht die Augen, jedoch ohne, dass ihr Vater es bemerken konnte und gab nur zurück: „Billy weiß auch nicht wo er ist". „Theodore, hat sie dich gefragt oder mich?", Adelie trat neben ihren Mann in den Türrahmen und wandte ihren Kopf hoch, direkt ihrer Tochter zu, die immer noch über das Treppengeländer gelehnt nach unten blickte. „Nein ma chère ich habe ihn nicht gesehen, aber ich glaube Elian hatte ihn als letztes, non?", sagte Adelie sanft. Saphira machte auf dem Absatz kehrt, sodass ihre dunkelbraunen Haare durch die Luft flogen und stapfte durch den Flur zur Zimmertür ihres Bruders.

„Elian", sie riss die Tür auf und betrat das geräumige Zimmer, „hast du meinen Hausschal-?", ruckartig stoppte sie, als sie sah, wie ihr Bruder einen dunkel-blau, weiß gestreiften Raben durch sein Zimmer fliegen ließ. „Deinen Hausschal?", fragte der dunkelhaarige junge Mann scheinheilig, „nein, tut mir leid Schwesterchen, hab ich leider nicht gesehen". Wütend schwang die junge Hexe ihren Zauberstab, sodass der Rabe sich auseinander faltete und als Schal auf dem Boden zusammensackte. „Hast du nichts Wichtiges zu tun?", fragte Saphira mit gerunzelter Stirn, „für deine Auroren-Prüfung lernen zum Beispiel?". Elian zuckte nur mit den Schultern und verschränkte die Arme, während Saphira ihren Schal vom Boden aufsammelte. „Wieso kannst du nicht deinen eigenen für solche Spielchen benutzen?", seufzte die junge Hexe. „Ach, ich hab meinen auf die Schnelle nicht gefunden, außerdem wäre eine grüne Schlange nicht so schön geflogen.", antwortete er schulterzuckend. „Und Saphira, du musst dringend aufhören so vorlaut zu sein", fügte Elian hinzu und begann zu grinsen. Sonst benutze ich das nächste Mal deinen Kater dafür. „Wenn du Albert auch nur anrührst, bringe ich dich um", zischte Saphira und funkelte ihren Bruder wütend an. Sie wusste, dass er diesen Gedanken mit Absicht so laut und offen ihr förmlich entgegen gebrüllt hatte, nur damit sie hochfuhr, etwas Unangebrachtes sagte und Ärger von ihrem Vater bekommen würde.

Jedoch wusste Saphira auch, dass er es eigentlich nicht so meinte, weshalb sich ihr Atem beruhigte und das Funkeln aus ihren Augen verschwand. Elian lachte nur. „Schon klar Schwesterherz, ich weiß, du liebst das Vieh mehr als mich und jetzt raus hier. Ich muss mich jetzt um wichtige Angelegenheiten kümmern. Das Ministerium hat eine Eule geschickt", mit einer Handbewegung scheuchte er die junge Hexe aus seinem Zimmer. Sie seufzte entrüstet, wickelte sich ihren Schal um den schlanken Hals und machte sich auf den Weg in ihr eigenes Zimmer, in dem der Koffer mit dem Hogwarts-Emblem bereits teils gefüllt in der Mitte stand. Sie schmiss ihren Schal hinterher und streichelte dem schwarzen Kater über den Kopf, der es sich bereits in seiner Tragetasche bequem gemacht hatte.

Saphira setzte sich auf ihr Bett, stützte den Kopf mit beiden Händen auf und dachte darüber nach, wie es wohl sein würde, nächstes Jahr nicht mehr ihren Koffer für Hogwarts packen zu müssen. Sie würde nicht mehr in den vertrauten Zug steigen, so viel Süßigkeiten mit ihren Freunden essen bis ihr der Bauch weh tat, den Lehrern Streiche spielen oder durch die große Halle zum Ravenclaw-Tisch gehen. Ebenso wenig würde sie in ihrem Gemeinschaftsraum mit einem Buch auf dem Schoß einschlafen oder später durch den Wind, der so oft an den Fenstern des Turmes rüttelte, geweckt werden. Sie wusste, dass nach ihrem letzten Jahr in Hogwarts alles anders werden würde. Irgendwie musste sie sich dann entscheiden, was sie mit ihrem langen Leben anfangen würde. Auror werden, wie Elian, kam für die dunkelhaarige Hexe nicht in Frage. Auroren dachten nicht objektiv, sie handelten stets so, als hätte sich der Zaubereiminister mit seinen manipulierenden Floskeln in ihre Köpfe eingebrannt. Es waren keine selbstdenkenden Wesen mehr. Viel mehr bissige Hunde, die niemals hinterfragten, ob die Anordnungen, die sie bekommen hatten, auch rechtmäßig waren. Sie könnte Heilerin werden, so wie ihre Mutter, die ihre Patienten mit einer großen Hingabe pflegte, oder sie könnte bei Gringotts arbeiten. Wohl eher nicht, Kobolde waren unangenehme Zeitgenossen.

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