Kapitel 4

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Sie sah müde aus. Der Kampf und Beta Leo mussten sie mehr gestresst haben, als sie zugeben konnte und dennoch... Alpha Eros hatte ihre Wunden bereits neu versorgt. Tränen verschwammen meine Sicht auf Lia. Morgen früh würde sie abreisen, weg von hier. Sie seufzte. Ihre Stirn runzelte sich vor Trauer und dennoch hoben sich ihre Mundwinkel.

Sie bereute nichts.

„Ich habe nur eine Bitte: Kümmere dich um Onkel Theo. Er ist noch schlimmer als ich, was Ordnung angeht."

„Du hast mein Wort", sagte ich.


„Wir werden uns wiedersehen. Da bin ich mir sicher."



Ich konnte nicht schlafen und als die Sonne dämmerte, stand ich vor dem Laden und starrte auf die Berge zum Norden. Die Herbstluft verwandelte meinen Atem in kleine, zittrige Wölkchen.

Dann sah ich sie.

Ihr roter Mantel stach zwischen den Bäumen hervor und jagte die Höhen hinauf, für immer weg von hier. Immerhin war sie in Sicherheit. Ich schmiegte meinen königsblauen Mantel näher um mich.

Lia verschwand auf den anderen Seiten der Berge und ließ nichts zurück als eine stille, einsame Stadt. Ich würde mein Versprechen halten und nach Theo sehen. Ohne Lia war er einsam, allein in seinem Chaos.

Lautes Donnern brachte die Pflastersteine unter meinen Füßen zum Beben. Wie eine Welle bauten sie sich auf und kamen immer näher.

Eine Horde an Wölfen stürmten die Straße entlang. Ich presste mich gegen das Schaufenster des Ladens und senkte den Blick. Was wollten sie hier und so früh am Morgen?

Doch sie marschierten nicht vorbei. Mein Herz setzte aus, als die Stiefel vor dem Laden zum Stehen kamen.

„Hier ist es, auf gehts Männer", befahl die Stimme, die meine Nackenhaare aufstellte. „Schließt die Eltern im Schlafzimmer ein, die machen nur Ärger."

Beta Leo.

Vorsichtig blickte ich auf und musste dabei zusehen, wie ein Krieger nach dem anderen in den Laden stürzte. Ich rührte mich nicht, denn ihr Befehlshaber war vor der Tür erstarrt und brannte mit seinem Blick ein Loch in meinen Kopf.

Was war hier los?

Ein Krachen klang von innen und das Splittern von tausenden Glasscherben folgte.

„Was ist Göre, willst du nicht reinkommen und nachgucken was los ist?", fragte Beta Leo spöttisch. Ich zuckte zusammen, als ein lautes Knacksen von Holz folgte. Ich war vereist an meinem Platz, unfähig mich zu bewegen.

Beta Leos Mundwinkel senkten sich. Er hielt meine lähmende Angst für Gleichgültigkeit. In zwei Schritten hatte er mich an der Schulter gepackt und zerrte mich in den Laden. Unter meinen Schuhen knirschten die Glasscherben und der teure Wein versickerte in den Holzritzen. Zertrümmerte Kürbisse und verstreutes Mehl übersäten die Ladentheke.

Frische Tränen sammelten sich in meinen Augen, während ein Krampf meinen Hals erfasste. Der eiserne Griff von Beta Leo zog mich zu einem der heilen Regale. Er nahm sich einen Apfel und begutachtete ihn. Dann fiel sein Blick zurück auf mich.

Eine tiefe Abneigung bohrte sich in mein Herz. Ich konnte nicht sprechen. Ich konnte mich nicht aus seinem Griff befreien. Ich konnte nur zusehen, wie sie alles zerstörten, wofür wir das ganze Jahr gearbeitet hatten. Wie sollten wir jetzt den Winter überstehen?

Die Gefährtin des LycansWo Geschichten leben. Entdecke jetzt