35.Kapitel

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[Wenn ich dich anlächeln würde, würdest du zurück lächeln?]

Sonntag, 23:42 Uhr

,,Manchmal denke ich mir, warum wir Menschen keinen Menschlichkeitsschalter haben. Hätte ich einen, hätte ich ihn sofort abgeschaltet. Wie toll es doch wäre, nichts zu spüren. Keinen Schmerz zu spüren. Kein Mitleid zu spüren. Einfach nichts zu fühlen. Keine Gefühle zu haben. Glücklich war ich sowieso noch nie, also macht mir das nichts aus." sage ich zu der kleinen, süßen Katze, die auf meinen Beinen liegt. Paar Mal streiche ich über sie und genieße, den leichten Wind, der meine Haare nach hinten weht. Im Moment sitze ich im Garten auf dem grünen Grass. Die Sonne ist schon längst untergegangen und die Dunkelheit hat den Himmel übernommen. Natürlich auch die unzähligen, leuchtende Sterne.

Es sind genau drei Tage vergangen, seit dem ich im Untergeschoss war und das alles erlebt hatte. Seit dem Atakan vor meinen Augen, die Hand von dem Typen namens Kenan, gebrochen hat. Weder habe ich Atakan danach gesehen noch gehört. Er war gar nicht im Haus. Dementsprechend konnte ich nicht mit meinen Brudern reden, was meine letzten Nerven gekostet hat. Unzählige Male habe ich Eda und Betül Teyze gefragt, ob ich ein Telefon bekommen kann. -Doch habe nichts bekommen. Ohne Atakan, dessen Erlaubnis sie brauchen, können sie mir kein Handy geben. Ich habe sogar die blondhaarige, unsympathische Angestelltin, die ich am selben Abend mit angeschwollenen Lippen und komischen Flecken am Hals gesehen, und habe sie auch gefragt. Wie sie mir wohl geantwortet hat? Mit einem Augenverdrehen. Argh. Irgendwann werde ich mich nicht mehr halten können. Den Sport musste ich mit Zehir machen, mit dem ich mehr als am Anfang klar komme.

Meine Brüder habe ich außerdem sehr vermisst. Gott, es ist so seltsam ohne sie. Ohne ihre Stimmen aufzuwachen. Ohne sie zu essen. Ohne ihre Anwesenheit. Wie geht es ihnen? Wie geht es vorallem Bolat? Was machen sie? Wie läuft die Schule? Essen sie regelmäßig? Verdammt, diese ganzen Fragen müssen endlich beantwortet werden. Als die Katze von sich ein Miauen gibt und ich im Augenwinkel sehe, dass jemand kommt, setze ich mich von meiner liegenden Position auf und gucke nach links. Eda. In ihrer rechten Hand die schwarze Flasche, die mich seit paar Tagen verfolgt. Es ist nervig, aber ich spüre schon eine Wirkung. Zum Beispiel, sind meine Kopfschmerzen nicht mehr so stark. Das ist sehr erleichterend für mich. ,,Hier. Du musst noch 550ml trinken." sagt sie und reicht mir die Flasche, die ich nehme und sie vorerst neben mir lege. Dankend nicke ich und wundere mich etwas, als sie sich neben mich auf das Gras setzen lässt. Sie arbeitet sonst immer und ruht sich nicht aus.

,,Guck nicht so. Ich musste gerade die ganzen Sportgeräte putzen." spricht sie erschöpft. ,,Was?" kommt es entgeistert aus mir und gucke sie mit großen Augen an. Das sind doch über 100 Geräte! Das dauert doch ewig, wenn man es alleine machen muss. ,,Wieso hast du mich nicht gerufen? Ich hätte dir helfen können." ,,Ach was. Die Prinzessin soll ihr Wasser trinken und nicht im Haushalt helfen." erwidert sie belustigt. Kurz überlege ich und verdrehe dann meine Augen. ,,Das kann nur von Atakan kommen." spreche ich meine Gedanken aus. Sie lacht auf und nickt dann mehrmals, was sehr schön bei ihr aussieht. Ihre vollen, pinken Lippen sind so schön. Oder ihre langen Wimpern und großen Augen. Was eine schöne Augenfarbe sie doch hat. Meeresblaue Augen mit schwarzen Haaren. Eine wundervolle Naturschöhnheit. Plötzlich spüre ich ein Gefühl in mir, dass ich aber sofort verdränge. Nein. Sowas darf ich nicht spüren. Das geht gar nicht. Dieses Gefühl sorgt nur für schlechte Folgen. Sehr schlechte.

Ich wende meinen Blick ab und streichel über die Katze. Hier, in der Türkei, gibt es überall Straßenhunde und Straßenkatzen. Auch hier in dem Garten von Atakan, obwohl man es sich nicht vorstellen kann. Aber man muss aufpassen, denn manche lieben es Menschen zu beißen. Zum Glück diese nicht. Diese ist sehr süß. ,,Wie läuft es so?" fragt sie nach paar Sekunden. Da ich nicht weiß, was sie meint gucke ich sie fragend an. ,,Ich meine die Ehe mit Atakan." helft sie mir auf die Sprünge. Ach so. Tja, da läuft nichts. Diese Ehe ist nur auf Papier. Mehr nicht. Zwischen uns beiden wird nichts laufen. Ich habe die letzten Tage über die Scheidung nachgedacht und kam zu einem Entschluss. Wenn meine Brüder wieder hier herkommen, werde ich mit allen reden und schauen, ob sie das Internat mögen und dort bleiben wollen. Wenn ja, werden sie so lange dort bleiben, bis ich das Geld gesammelt habe, dass ich Atakan geben werde und eine Wohnung kaufen kann. Ich muss wirklich viel sammeln, wenn ich daran denke, wie viel Atakan für uns ausgegeben hat. Aber wenn sie nicht dort bleiben wollen, dann werden Atakan und ich uns scheiden lassen. So viel steht fest.

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