[ Öpme/ Öp beni. ]
Dienstag, 18:59 Uhr
Fester presse ich meine Finger auf meinen Lippen und befeuchte sie mit dem kalten Wasser. Sie sind dreckig. Ich muss den Dreck entfernen. Den ganzen Dreck entfernen. Seine Lippen sehen so schön aus, aber Nein. Er hat meine Lippen berührt. Das darf er nicht. Er darf meine Lippen nicht berühren. Er hat sie bedreckt. Das gefällt mir nicht. Baba auch nicht. Immernoch höre ich seine Stimme im Kopf, die mir sagt, wie schmutzig ich bin. Es tut mir doch Leid. So Leid. Ich wimmere, doch nehme mir ganz viel Handseife auf die Hand und spüle meinen Mund paar Mal aus und beschmiere meine Lippen damit. Sollte ich sie auch mit Waschmittel sauber machen? Ja. Ja, das sollte ich. Das sollte ich unbedingt. Ich trockene mit dem Handtuch meine Hände und meinen Mund ab. Blicke in den Spiegel und sehe ein erschöpftes Gesicht vor mir.
Mein Gesicht so blass, wie noch nie. Meine Lippen feuerrot, weil ich sie, seitdem wir gestern hier her gekommen sind, jede Minute wasche. Unter meinen Augen haben sich wieder leichte Augenringe gebildet. Ich konnte nicht schlafen. Nur für paar Minuten, in denen ich aber einen schlimmen Alptraum hatte. Baba war in dem Traum. So viele Beleidigungen, die er aufgezählt hat. So viele Schläge. Spüre einen Ziehen in meiner linken Brust, was mich ausatmend lässt.Für Atakan kann es vielleicht ein einfacher Kuss sein. -Doch für mich? Für mich ist es sowas wie ein...wie ein...Todesurteil? Manche würden sagen ich übertreibe, wissen aber nicht, wie schlecht ich mich fühle und wie viele Tränen ich seit gestern verloren habe. Das ist so schlimm. Schon seit klein auf, dürfte mich kein Junge, kein Mann, außer meine Brüder anfassen. Nicht mit dem Mund. Nicht mit der Hand. Nicht mit den Fingerspitzen. Nein. Einfach Nein.
Bei Hassan war das nie ein Problem, weil er schwul ist. Das ist bestimmt auch für Baba kein Problem, weil ich nie Alpträume hatte, als ich ihn kennengelernt habe. Aber bei Atakan? Ein Problem. Ein sehr großes Problem. Er darf mich nicht anfassen. Er darf mich nicht küssen. Nicht auf die Wange. Nicht auf die Lippen.Ich verlasse leise das Schlafzimmer, gehe in den Wäscheraum, den ich Dank Eda kenne. Suche nach Waschmitteln, die ich auch schnell finde. Mit Blütenduft. Hm. Schleiche mich wieder unbemerkbar ins Badezimmer und schließe auch die Tür. Nicht das jetzt Atakan plötzlich kommt und mich so sieht. Ob wir nachdem Kuss, den ich nicht erwidert habe, geredet haben? Nein. Ich ignoriere ihn und er mich auch. Ich will ihn schlagen und fragen, warum er es getan hat, doch kann es mir schon denken. Der Entzug von Rauchen und Emirhan. Das hat er extra gemacht. Außerdem kann ich das Versprechen, das ich meiner Mutter versprochen habe, nicht brechen. Ich habe ihr geschworen, niemals jemanden zu schlagen, da ich weiß, wie es ist. Sowas werde ich nicht tun. Stark schluckend öffne ich den Deckel und rieche dran. Riecht gut.
Wird mir schon helfen. Ja. Das wird das. Zögerlich nehme ich einen Schluck und lasse es kurz in meinem Mund, ehe ich es runter schlucke. 'Noch ein Schluck.' Okay, Baba. Dann noch ein Schluck. Nehme einen größeren Schluck und schlucke es. Als es mir plötzlich hochkommt, lege ich sofort meine Hand auf den Mund. Würge, doch lasse alles im Mund. Schluck. Schluck es einfach runter, Efsane. Es ist nur Waschmittel. Ich schaffe noch einen Schluck. Bestimmt.Nehme mir einen extra viel größeren Schluck.
Falle auf den Boden und mir fällt das Waschmittel auf den Boden. Gott, mir wird schwindelig. Halte die Augen offen und mir wird das Atmen schwieriger. Guck. Sage ich doch. Ich habe mehr geschafft. Sollte ich weiter trinken? Später vielleicht. Stelle mich auf die Beine und laufe hinaus. Meine Beine führen mich zum Schminktisch, lasse mich auf den Hocker fallen. Von alleine greifen meine Hände zur kleinen Tüte mit dem weißen Pulver. Drogen. Amphetamin. Die einzige Drogenart die ich außer Kokain kenne. Soll ich? Dann spüre ich den Schmerz doch nicht mehr. In einer blümchen Welt ohne Schmerz. Kein Schmerz fühlen, das will ich. Keine körperlichen Schmerzen. Keine psychische Schmerzen. Keine Herzschmerzen. Alle Sorgen vergessen. Alles vergessen. Minuten später verteile ich das Pulver auf den Tisch. Schnuppere kurz dran und spiele ein bisschen damit. Sieht aus wie Backpulver. Mache vier kleine Linien und bin mir immernoch etwas unsicher. Komm, Efsane. Mach es. Mach es. Du wirst für kurze Zeit den Schmerz vergessen. Wie ein neugeborenes Baby, das nicht weiß, was Schmerz ist. Wie ein Kleinkind, das noch nie Schmerz gespürt hat. Wie eine Jugendliche, die ein ganz normales Leben führt. Mach. Es. Mach. Es. Mach. Es.
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TURKISH MAFIA
Teen Fiction𝙀𝙛𝙨𝙖𝙣𝙚 𝙔𝙖𝙣𝙢𝙖𝙯. Genau wie ihr Name ist sie eine lebende Legende. Mutter tot und vom eigenen Vater jahrelang gefoltert, bis er spurlos verschwunden ist. Mit ihren vier jüngeren Brüdern, versucht sie jeden Monat durch die Runden zu kommen...