❁ Ava ❁

105 13 0
                                    

Ich stehe am Fenster und schaue hinaus. Stunden sind bisher vergangen, als Alan und James aufgebrochen sind.

Als ich sie endlich entdecke, wie sie schlendernd auf das Haus zu laufen, setze ich mich in Bewegung und öffne die Haustür. James sieht mich für einen Moment an, senkt den Kopf und läuft an mir vorbei. Als ich ihn an der Schulter berühren möchte weicht er aus und verschwindet im Inneren des Hauses.

Erschrocken schaue ich zu Alan zurück, der vor mir zum stehen kommt. Er sieht aus, als wäre er um Jahre gealtert.

"Was... Was ist los?" frage ich und schaue Alan mitleidig an.

Er seufzt, sagt mir dann, daß er James einige Dinge erzählt hat.

"Lass ihm etwas Zeit, er muss das irgendwie verarbeiten. Er kann sich an vieles nicht erinnern und durchlebt es praktisch erneut." flüstert er, nimmt mich in den Arm und drückt mich.

Auch wenn es tröstlich ist, zu wissen das Alan für mich da ist, so bricht es mir doch das Herz das James das alles erneut durchleiden muss. Es muss ein riesiger Schock für ihn gewesen sein.

Geräusche erregen unsere Aufmerksamkeit. Sie kommen aus dem inneren des Hauses. Wir beeilen uns, rennen hinein und zuerst kann niemand von uns den Krach richtig lokalisieren. Doch dann kommt Bob angerannt, der mich am Arm packt und weg ziehen will.

"Komm, das musst du weder hören noch sehen." sagt er, doch ich bleibe stehen. Als er meine Haltung bemerkt lässt er los und starrt mich an. Keiner bewegt sich, also laufe ich dem Lärm entgegen.

Ich finde James, der mit einer solchen Wucht immer und immer wieder gegen die Wand schlägt im Badezimmer schlägt. Seine Hand blutet bereits, doch das ist ihm egal. Ich passe seinen nächsten Schlag ab und dränge mich zwischen ihn und die Wand.
Es ist mir egal ob mich seine Faust trifft, ich muss ihn irgendwie aufhalten.
In seiner blinden Wut holt er aus und ich sehe ihm in die Augen. Sein Blick klärt sich und ehe er mich schlägt, bremst er ab. Seine blutende Hand lässt er sinken, als er mich endlich und völlig ansieht.

Blau trifft auf Grün....

Ich nehme sein Gesicht in beide Hände, will verhindern das er sich wieder abwendet. Langsam sinkt er zu Boden, stützt sich mit beiden Händen am Boden ab, als würde er den Schmerz seiner verletzten Hand nicht wahrnehmen. Ich tue es ihm gleich, halte ihn weiter fest, ziehe ihn an mich.
Als sein Kopf sich auf meiner Brust bettet, beginnt er jämmerlich zu weinen. Tränen steigen in meine Augen und ich muss große Mühe aufwenden, nicht mit ihm zu weinen.

Als einige Zeit später auch seine letzte Träne versiegt ist, hebt er vorsichtig den Kopf. Er sieht furchtbar aus, aber auch wunderschön. Mein Blick fällt auf seine Verletzung. Das Blut ist schon angetrocknet.
Ich löse mich vorsichtig von ihm, hole ein Handtuch und halte dieses unter Wasser.
Dann gehe ich auf die Knie, lege seine Hand in meinen Schoß und beginne sie zu reinigen. Dabei beobachtet er mich, mustert mich, als würde er mich zum ersten Mal richtig sehen.

Nachdem ich seine Hand verbunden habe, nehme ich seine gesunde Hand in meine und ziehe ihn auf die Beine.
Ich führe ihn zu seinem Zimmer, öffne die Tür und trete ein, setze ihn auf dem Bett ab und gehe zu seiner Tasche.
Als ich wieder vor ihm erscheine mit frischen und sauberen Klamotten, ziehe ich ihm sein Shirt über den Kopf. Blutspritzer haben das grau an manchen Stellen durchtränkt.
Anstandslos lässt er sich umziehen, hält mich jedoch auf, als ich mich an seiner Hose zu schaffen machen will.
Seine grünen Augen schimmern leicht, seine Lippen sind aufeinander gepresst.

Ich verstehe was er mir stumm zu sagen versucht, richte mich auf und gehe zur Tür, schnappe mir das unberührte Tablett und gehe raus.

Als ich an Alan und Bob vorbei laufe, sehe ich ihre besorgten Gesichter. Mit solch einem Ausbruch hat niemand gerechnet, nicht einmal Alan.

Ich will mich gar nicht lange mit ihnen aufhalten, irgendwas erklären würde auch nichts ändern. Also laufe ich zurück zu James Zimmer und klopfe an.
Ein leises "Herein" ertönt von der anderen Seite der Tür und ich öffne sie. Er sitzt noch wie zuvor auf der Kante des Bettes, allerdings trägt er die saubere Hose die ich ihm bereit gelegt habe.

Vor ihm bleibe ich stehen, verschränke die Arme. Ich weiß nicht was ich sagen soll.

Er öffnet die Beine und zieht mich näher heran. Sein Kopf kommt an meinem Bauch zum liegen und als ich die ersten Flashbacks halbwegs verarbeitet habe, lege ich meine Arme schützend um ihn.

Plötzlich spricht er.

"Es... Es tut mir leid. Alles. Was du durchleben musstest, ist meine Schuld. Was ich dir angetan habe kann ich nie wieder gut machen."

Verwundert über seine Worte, streichle ich ihm durchs Haar ehe ich antworte.

"Nichts davon was passiert ist, ist deine Schuld. Im Gegenteil, du wolltest mich sogar retten und du hast mich beschützt. Bitte gib dir nicht die Schuld daran."

Ich spüre sein Unbehagen.

"Hätte ich dich nicht zu ihm gebracht, wäre das alles nicht passiert. Also ist es meine Schuld.
Ich werde für den Rest meines Lebens damit klar kommen müssen, was für Schmerzen du wegen mir erdulden musstest - und immer noch musst.
Deswegen halte ich es für besser, wenn wir uns voneinander fernhalten."

Meine Nägel graben sich ruckartig in seine Schulter und ich beiße mir auf die Wange. Er löst sich langsam von ihr, sieht zu mir auf und als seine Augen auf meine treffen, kann ich die Tränen nicht länger unterdrücken. Vorsichtig steht er auf, schlingt seine Arme um mich. Es ist ein Abschied.

"Geh. Halt dich fern von mir bevor du weiter verletzt wirst." flüstert er.

Doch ich mache keine Anstalten zu gehen. Ich klammere mich an ihn, als wäre ich auf offener See und er mein Rettungsring.
Seine Umarmung wird fester, als hätte er Angst vor seiner eigenen Schnapsidee.

Ehe er mich von sich weg stoßen kann suchen meine Lippen seine. Erst wirkt er überrumpelt, fällt aber bald in den Kuss ein. Gemächlich und sanft liebkosen seine Lippen meine, während seine Hand meinen Hinterkopf hält und meine Hände um seinen Nacken geschlungen sind. Ich löse mich etwas, will das er mich ansieht.

"Ich werde mich nicht von dir fernhalten. Ich werde kämpfen und dir jede Erinnerung zurück geben, egal wie lange es dauert."

Ich bin fest entschlossen.

Dark Temptation - Im Schicksal vereint Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt