Der Kampf

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„Gut, beweise es", meinte er und ich war überrumpelte, er hatte mir gerade eine Chance gegeben. Nun würde ich diese Gelegenheit auch nutzen müssen. Ich nickte bestimmt und sah zu Kol, der mir seinen Holzstab zuwarf. Geschickt fing ich ihn und betrachtete den Stab kurz. Es war ein längerer Holzstock, der ein paar Schnitzsymbole eingraviert hatte und auch als Gehstock verwendet hätte werden können. Vater hatte einen in der gleichen Größe und stellte sich mir nun gegenüber.

Niklaus war schon längst wieder aufgestanden und trat nun neben Elijah. „Das ist keine gute Idee", murmelte Niklaus und ich sah kurz zu ihm. Ich hatte noch das Bild vor mir, wie Vater ihn soeben innerhalb von nur wenigen Sekunden besiegt hatte. Würde ich auch so schnell am Boden landen?

Plötzlich griff mich Vater auch schon mit seinem Stock an und ich konnte seinen Schlag gerade noch mit meinem Stab abwehren. „Ich war noch nicht bereit", meinte ich und er erwiderte: „Erste Lektion, man sollte immer auf der Hut sein." Ich atmete tief durch und konzentrierte mich auf diesen Kampf. Nun schlug ich mit dem Stock zu und er wehrte ab.

Der nächste Schlag von ihm traf hart auf meinen Stock und ich wich einen Schritt zurück, dann schlug ich wieder zu und er meinte zu mir: „Ich sehe all deine Bewegungen im Voraus." Ich schaute ihm in die Augen und wusste das er recht hatte. Ich war einfach zu langsam. „Lass mich deine Bewegungen nicht sehen, bevor du sie machst", meinte er und griff mich wieder an. Ich machte eine schnelle Bewegung, aber wieder kam mir Vater zuvor.

Er schlug stark gegen meinen Stock und ich zuckte vor dem lauten Klang zurück. Er wurde jetzt schneller und ich konnte seine Bewegungen nicht mehr sehen und nur mit ach und krach abwehren. Immer weiter trieb er mich zurück und ich konnte mich nur notbedürftig wehren. Er war einfach zu stark und zu schnell.

Plötzlich stolperte ich und spürte einen kurzen Schmerz in meinen Fuß. Ich blieb am Boden, stützte mich mit den Händen etwas ab und biss die Zähne zusammen. Ich hatte mir definitiv den Knöchel verstaucht.

„Wie ich sagte, Mädchen sind schwach", warf mir mein Vater vor und ich schaute mit schmerzerfülltem Gesicht zu ihm hoch. Es blieb kurz still. Ich wendete meinen Blick zu Kol, der mich besorgt ansah. „Steh auf", unterbrach Vater die Stille und ich sah fassungslos zu ihm hoch.

„Vater, sie hat sich verletzt. Sie kann nicht...", fing Kol an und wurde von ihm sofort unterbrochen: „Die wahre Waffe des Kriegers ist, den Schmerz zu ertragen." „Aber sie ist kein Krieger. Sie ist ein Mädchen", meinte Finn und schaute zu mir herab. Ich füllte mich von den Blicken durchlöchert und der Schmerz war unerträglich, aber ich wollte keinesfalls Schwach wirken.

Ich nahm meinen Stock und nahm ihn als stützte. Ich biss die Zähne zusammen und versuchte den Schmerz zu ignorieren, den ich dabeihatte. Ich stand langsam auf, versuchte meinen verletzten Fuß so wenig wie möglich zu belasten und das Gewicht auf meinen gesunden Fuß zu lagern. „Korina!", wollte mich Kol abhalten und auf mich zu eilen, doch Vater hielt ihn ab. „Lass sie", meinte er leise zu meinem Zwilling und alle schauten mir zu, wie ich mich gerade aufrichtete.

Ich stützte mich auf meinem Stock ab und versuchte den Schmerz auszuhalten. Mir nichts anmerken zu lassen und so sah ich mit einem entschlossenen, tapferen und herausfordernden Blick zu Vater auf. In dem Moment kam es mir so vor, als würde ich einen kleinen Funken Stolz kurz in seinen Augen aufblitzen sehen. „Du könntest das Potenzial zu einer Kriegerin haben", meinte er und ich hatte noch nie ein solches Lob von ihm gekriegt.

„Also leerst du mir zu kämpfen?", fragte ich hoffnungsvoll und er erwiderte: „Ich habe an dir gezweifelt und ich hätte mir nicht gedacht, dass ich das je sagen würde. Mädchen sind eigentlich schwach und sie sind fürs kämpfen nicht geboren. Aber dein Mut aufzustehen und den Schmerz zu ignorieren, beweist das du Stärke in dir hast. Ich werde dir helfen diese auszubauen, damit du stärker als alle anderen Mädchen aus dem Dorf wirst. Vielleicht wirst du so stark, dass du sogar einen deiner Brüder im Kampf besiegen kannst."

Ich lächelte überglücklich, als Vater noch mit einem Blick zu Niklaus hinüber hinzufügte: „Bei manchen wäre es nicht schwer." Er machte Niklaus meist immer klein, was mich also nicht wunderte. Ich hörte meine Brüder beeindruckt über mich reden, während ich meinen Vater dankbar ansah. „Danke, das habe ich mir immer gewünscht", meinte ich und unendliche Freude überkam mich.

Ich hatte es endlich geschafft! Ich würde kämpfen erlernen, so wie meine Brüder. „Lass es mich nicht bereuen", fügte Vater streng hinzu und ich nickte ehrfürchtig. Ich würde es ihm nicht bereuen lassen. „Gut", fügte er hinzu, dann wendete er sich an alle: „Das Training ist beendet. Machen wir uns auf den Weg zurück zum Dorf."

Es machten sich schon alle bereit und ich machte einen Schritt nach vorne, als ich wieder den Schmerz spürte. Ich hatte den Schmerz in dem Augenblick der Freude gar nicht gespürt. Ich fiel zu Boden, doch Kol eilte noch rechtzeitig zu mir und fing mich auf, bevor ich ganz am Boden gelegen wäre. „Danke", murmelte ich und versuchte weiterhin die Schmerzen zu ignorieren.

Kol stützte mich und half mir auf dem Weg zurück zum Dorf. Ich humpelte neben ihm her und versuchte meinen schmerzenden Fuß nicht zu belasten. Den Stock von meinem Zwillingsbruder, den ich zum Kämpfen benutzt hatte, hatte ich auch als Stütze und so schaffte ich es irgendwie zurück zum Dorf.

Auf dem Weg dorthin flüsterte mir Kol zu: „Das hättest du wirklich nicht machen müssen." Sofort erwiderte ich: „Doch Kol, genau das war nötig. Du weißt, wie gerne ich schon immer kämpfen erlernen wollte und jetzt kann ich es endlich. Den schmerzenden Fuß muss ich eben in Kauf nehmen, aber das ist es mir wert gewesen. Endlich leert mir Vater zu Kämpfen und ich muss mich nicht mehr mit belanglosem Stricken beschäftigen."

Er lachte und als wir im Dorf ankamen, rannte sofort unsere besorgte Mutter auf mich zu. „Was ist passiert?", fragte sie erschrocken. „Nun ja, ich war am Kräuter pflücken... Mist, der Korb mit der Petersilie!", fiel es mir plötzlich ein und ich sah Mutter entschuldigend an. Ich fuhr mit meiner Erzählung fort und erzählte ihr was passiert war.

Natürlich war sie außer sich, da ein Mädchen nicht kämpfen sollte. Sie holte eine Kräutersalbe und schmierte sie mir auf den Fuß, während sie die ganze Zeit wiederholte, dass ich nicht kämpfen sollte. Vater meinte dann das viel Potenzial in mir stecken würde und ich jammerte meine Mutter voll, dass es mir viel bedeuten würde und meine Brüder ja auch dürften. Schlussendlich gab sie dann Gott sei Dank nach und so durfte ich dann das Kämpfen erlernen.

Die Ur-HäretikerinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt