Eigene Zauberkraft

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„Es ist unglaublich, dieses Gefühl, wenn man Blut trinkt. Es ist unbeschreiblich", schwärmte mein Bruder mir vor und ich lächelte. „Ja Kol. Ich weiß wie das ist, denn ich erlebe es selbst so wie du", meinte ich und grinste ihn an.

„Ja, aber niemals verspürst du es so stark wie ich", beharrte er und ich erwiderte: „Bestimmt nicht, ich fühle es viel stärker." Er grinste und fragte mich: „Woher willst du das wissen?" Ich grinste zurück und erwiderte: „Ich weiß es einfach, aber woher solltest du wissen dass du es stärker verspürst?" Er schüttelte grinsend den Kopf über mich und ging ans Fenster.

Dabei vergaß er das Sonnenlicht und kam mit der Hand versehentlich in einen Sonnenstrahl, der durchs offene Fenster schien. Sofort zuckte er zurück, als seine Hand auch nur kurz von dem Sonnenlicht berührt wurde und verbrannte. „Ah, die Sonne. Ich hasse diese Konsequenz unseres neuen Lebens!", rief Kol wütend und ich schaute traurig auf den Sonnenstrahl, der leicht hereinschien.

Wie gerne würde ich wieder einmal die warme Sonne auf meiner Haut spüren und draußen am Tag herumtollen. Aber dies hatte uns die Natur wegen unserem Eingriff verwehrt. Wir hatten gegen die Natur verstoßen und dies war ihre Konsequenz. Am Tag waren wir schon seit Wochen im Haus eingesperrt und konnten es nur in der Nacht verlassen. Mutter versuchte sich schon an einem Zauber für Tageslichtringe, aber dies dauerte eine Weile.

Plötzlich fiel Kol etwas anders ein und er wandte sich zu mir. „Meinst du unsere Zauberkräfte sind jetzt auch stärker?", fragte mich mein Bruder neugierig. Ich zuckte mit den Schultern. Eigentlich durften wir nicht zaubern, da es uns Vater verboten hatte. Magie war aus seiner Sicht gefährlich, aber sein Verbot hatte es für uns nur noch spannender gemacht und so hatten wir als Kinder heimlich zum Zaubern begonnen.

Doch etwas an unserer Magie war eigenartig, besser gesagt an meiner. Kol konnte normal wie jeder Hexer zaubern, doch ich brauchte immer eine magische Quelle von der ich die Magie entziehen musste. Ich war eine Energieabsaugerin. Aus Mutters Bücher hatte ich herausgefunden, dass solche auch Siphonerinnen genannt wurden und sehr selten waren.

Sie kommen aus einer Hexenfamilie, kommen aber ohne eigene Kräfte auf die Welt. Sie müssen sich zum Zaubern, die Kraft von anderen holen und können sie dann auf einen begrenzten Zeitraum nutzen. Ich war eine solche Siphonerin, doch Mutter und Vater wussten nichts davon, da wir ja heimlich gezaubert hatten und es ihnen deshalb nicht gesagt haben.

Um zu zaubern hatte ich dann immer von Kol etwas Magie genommen oder einen magischen Gegenstand berührt, doch meist habe ich meinen Bruder berührt und nur etwas Kraft von ihm genommen. Ich tat dies nur ungern, doch er ließ es immer zu und sagte, es sei okay. Er wollte das ich die Zauber selbst ausprobieren konnte, statt ihm nur zuzusehen und gab mir deshalb immer etwas von seiner Magie.

Aber jetzt wo wir Vampire waren konnte es leicht sein, dass die Magie noch stärker war, bzw. nur Kol's, da ich bestimmt immer noch keine Kräfte hatte, wie den auch? Alles war seit unserem Vampirdasein ausgeprägter. Unsere Gefühle, unser Gehör, unsere Geschwindigkeit und unsere Stärke. Alles war stärker, also wieso auch nicht Kol's Zauberkraft?

Mein Zwillingsbruder grinste mir kurz zu und ging dann in die Mitte des Raumes zur Feuerstelle. Dort blieb er stehen und konzentrierte sich auf die Stelle.

Nachdem er kurz die Augen geschlossen hatte um sich zu konzentrieren, sprach er den Zauber: „Incendia!" Gespannt wartete ich, doch nichts geschah. Er wiederholte den Zauber, doch wieder passierte nichts. Nun stand ich auf und meinte: „Lass mich das mal versuchen."

Ich stellte mich vor die Feuerstelle und sprach den Zauber laut aus: „Incendia!" Plötzlich ging eine Flamme an und ich lächelte, als mir auffiel das ich Kol während des Zaubers nicht berührt hatte und vorher auch nicht. Ich hatte alleine gezaubert! Aber wie? Wieso konnte ich jetzt alleine zaubern?

Plötzlich fiel mir ein wieso, ich war ein Vampir und Mutter hatte für die Verwandlung in einen Vampir einen starken Zauber benutzt. Vampire waren eine magische Spezies und da ich die Magie aus magischen Objekten zog, konnte ich sie von meinem Vampirdasein nehmen. Ich konnte jetzt alleine Zaubern!

„Kol ich kann zaubern ohne dich oder irgendwas Magisches zu berühren!", rief ich aufgeregt und lächelte überglücklich. Endlich konnte ich alleine Magie praktizieren. Kol nickte stumm und konzentrierte sich dann wieder auf das Feuer, er versuchte es mit Zauberei auszumachen, doch kein Zauber funktionierte. Als ich es versuchte ging es sofort aus.

Den ganzen Nachmittag versuchte Kol vergebens alle möglichen Zauber, doch nichts half. Langsam musste er sich eingestehen, dass er keine Zauberkraft mehr hatte, doch er wollte es nicht einsehen. Ich wusste, wie sehr er seine Kräfte geliebt hatte und deshalb verletzte es mich zu tiefst, dass er sie nicht mehr hat. Ihm hatte es immer so Spaß gemacht zu zaubern und wenn er dies jetzt wirklich endgültig verloren hatte...?

Aber wieso hatte er sie verloren? Im Geheimen wusste ich aber wieso. Das Mutter uns in Vampir verwandelt hatte war gegen die Natur gewesen und Hexen sind Diener der Natur. Der Zauber war ein Verstoß dagegen gewesen und deshalb hatten meine Geschwister ihre Kräfte verloren. Nur wieso hatte ich sie noch? Vermutlich, weil ich als Siphonerin eine Abscheulichkeit der Natur war und nicht als Hexe gezählt wurde.

Als Kol zum gefühlt hundertsten Mal einen vergebenen Feuerzauber machte stampfte er wütend auf und schrie: „Wieso geht das nicht?!" Verzweifelt sah er mich an. Ich lächelte ihm mitfühlend zu und stand auf. „Weil Mutter mit unserer Verwandlung gegen die Natur verstoßen hat", erwiderte ich und schaute zu wie er verzweifelt hin und her lief.

Wütend stieß er die Kommode um, die dann auf dem Boden zerschmetterte. „Kol!", rief ich damit er in seinem wütenden und verzweifelten hin und hergehen einmal stehen blieb. Am Schluss würde er sonst noch mit seiner neuen stärkeren Vampirkraft alles zerstören. Er schaute zu mir auf und ich konnte seine unbeschreibliche Verzweiflung in seinem Blick sehen. „Alles wird gut", murmelte ich und nahm ihn behutsam in den Arm.

Mit den Berührungen konnte ich mich schon seit längerem kontrollieren und so konnte ich verhindern das ich ihm Magie von seinem Vampirdasein abzog. Beruhigend strich ich ihm über den Rücken und flüsterte ihm ins Ohr: „Wir haben uns und daran wird sich nie etwas ändern..."

Die Ur-HäretikerinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt