Kampftraining

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Rückblick
997 - als vierzehnjähriges Mädchen

„Kol!", hörten wir unseren Vater draußen rufen. Schnell packten mein Bruder und ich das Zauberbuch weg und versteckten es. Ich seufzte, als ich wieder die Stimme unseres Vaters hörte. „Ich muss los", meinte mein Zwillingsbruder und stand auf, während ich sitzen blieb und ihn genervt fragte: „Musst du wirklich wieder gehen? Ihr wart doch gerade erst gestern." Kol nickte und erwiderte: „Ja, aber Vater sagt man kann nie genug das Kämpfen üben. Und gestern waren wir auf der Jagd. Heute will er uns neue Kampfkünste beibringen."

„Ich bin mir ziemlich sicher das Kämpfen üben viel spannender ist als irgendwas zu stricken", meinte ich und dachte an meine letzte Strickstunde. „Gott, wie ich es hasse. Ich verstrick mich immer! Jedes Mal und Rebekah kriegt es immer perfekt hin", jammerte ich meinem Bruder vor. Es war echt ätzend, wie viel besser meine kleine Schwester in dem ganzen Mädchen Zeug war.

„Vielleicht bist du dafür einfach nicht gemacht", schmunzelte mein Bruder und ich nickte. „Vermutlich, am liebsten würde ich mit euch mit zur Jagd gehen oder kämpfen erlernen", murmelte ich sehnsüchtig. So oft hatte ich unseren Vater schon angebettelt. „Aber Mädchen sollen kochen und stricken, während der Mann die schwere Arbeit erledigt", meinte ich genervt und Kol lächelte mich mitfühlend an, als wir wieder Vaters Stimme ganz nahe schon am Zelt hörten.

Der Zelteingang schwang nun plötzlich auf und Vater stand vor uns. „Kol, wir gehen jetzt in den Wald los und Korina du solltest zu deiner Mutter gehen. Sie will das du ihr beim Kochen hilfst", meinte er streng und ich stöhnte. „Ja, schon klar. Ich muss wieder die Frauenarbeit machen", murmelte ich genervt und mein Vater sah mich streng an.

„Du bist auch eine Frau und es ist die Aufgabe dieser zu Kochen, Gewand herzustellen, Beeren zu sammeln...", fing er wieder seinen Dialog an und ich verdrehte nur genervt die Augen. „Aber das alles ist total öde!", unterbrach ich ihn und Kol schluckte, als Vater fast wieder mit mir ausrastete. „Benimm dich junges Fräulein", meinte er, was ich schon ziemlich oft von ihm gehört hatte. Rebekah war definitiv seine Lieblings Tochter, den diese gehorchte immer brav, entgegen zu mir.

„Ich würde aber viel lieber mit euch das Kämpfen üben", jammerte ich und er erwiderte laut: „Das kommt nicht in Frage und jetzt geh zu deiner Mutter!" Genervt stand ich auf und warf Kol noch einen kurzen Blick zu, der sich nun zu Vater wendete. Ich verließ das Zelt und trottete über den Marktplatz zur Kochstelle, wo Mutter schon Kräuter schnitt.

„Na endlich tauchst du auch mal auf", meinte sie und gab mir sogleich eine Arbeit: „Hilf mir doch hier beim Schneiden der Kräuter." Ich stellte mich neben sie und nahm ein Messer mit dem ich die Kräuter schnitt. Kochen war noch eine annehmbare Arbeit, hingegen zum Stricken.

Die Sonne schien heiß herab, was mich etwas zum Schwitzten brachte. Es war Hochsommer, weshalb ich viel lieber mit Kol in den schattigen Wäldern unterwegs wäre. Ich dachte an die Zauber, die wir heute gemacht hatten und grinste. Wir hatten es hingekriegt eine leere Schüssel mit Wasser zu füllen und das Wasser dann einzugefrieren. Außerdem haben wir es heute auch endlich hingekriegt, einen Kochtopf in eine Schlange zu verwandeln. Nur ist uns diese dann entwischt, weshalb es sein könnte, dass sie irgendjemanden im Dorf über den Weg schlängelt.

Ich grinste über den Gedanken breit und hoffte inständig, dass die Schlange bei Avea im Bett landen würde. Ich hasste dieses Mädchen! Sie war so eine Zicke und schleimte sich bei allen Jungs ein. Mich versuchte sie immer dumm dastehen zu lassen und warf mir blöde Bemerkungen an den Kopf. Ich ließ mir dies natürlich nie gefallen, aber es nervte einfach.

Letztens hatte sie mich so aufgezogen und ich bin so wütend geworden, dass ich ihr eine Ohrfeige verpasst habe. Natürlich hat sie sofort darauf geheult und eine auf armes Mädchen gemacht und ich habe natürlich jede Menge Ärger von meinem Vater bekommen und von Mutter auch. So etwas gehörte sich für ein Mädchen ja nicht.

„Korina, würdest du bitte noch etwas Petersilie holen", bat mich meine Mutter und riss mich so aus meinen Gedanken. Ich stöhnte genervt und nickte. „Wenn es sein muss", murmelte ich und nahm einen Korb, während meine Mutter nur über mich seufzte. Sie schämte sich ziemlich oft wegen mir, weil ich von jeder Arbeit genervt war und das unsere Nachbarn immer mitkriegten. Mädchen sollten eigentlich gehorsam sein und sich nicht andauern widersetzten, so wie ich. Aber ich war nun einmal nicht wie die normalen Mädchen.

Ich pflückte gerade etwas Petersilie, als ich ein paar Geräusche im nahegelegenen Wald hörte. Ich ließ den Korb am Boden stehen und ging neugierig auf die Geräusche näher zu. Wenige Meter entfernt sah ich auch schon was sich dort abspielte. Es waren meine Brüder zusammen mit Vater, die trainierten. Ich versteckte mich hinter einem Baum und sah ihnen heimlich mit einem faszinierenden Lächeln zu.

Gerade kämpfte Niklaus mit Vater. Er schlug sich ziemlich wacker, aber dann wurde Vater immer schneller und plötzlich fiel Niklaus zu Boden. Vater hielt ihm die spitze des Stockes dicht an den Hals und meinte streng: „Wäre ich ein Feind, dann wärst du jetzt tot."

Ich schluckte, so schnell konnte es also gehen. „Korina?", fragte Kol verwirrt, der mich soeben hinter dem Baum entdeckt hatte. „Wie lange stehst du da schon?", fragte Elijah und Finn fügte hinzu: „Du solltest eigentlich bei Mutter sein." Ich stöhnte und erwiderte: „War ich auch, aber ich sollte Kräuter sammeln gehen und da habe ich euch dann gehört."

Es wandte sich nun Vater streng an mich. „Dann sammle die Kräuter weiter, wenn wir zurück sind sollte das Essen fertig sein und wenn du hier herumstehst und..." Ich unterbrach hin: „Ich will auch Kämpfen lernen!" „Wir haben das Thema schon so oft durch gemacht. Du bist ein Mädchen und kannst das nicht", erwiderte er und ich schluckte.

Es blieb kurz still, dann richtete ich mich standhaft auf und entgegnete: „Woher solltest du das Wissen, wenn du mich noch nie kämpfen gesehen hast?" „Du würdest nicht eine Minute in einem Kampf überleben", meinte Vater und ich fuhr mir kurz durchs Haar. „Wetten das ich es mindestens eine Minute aushalte", sagte ich und Vater schmunzelte.

„Gut, beweise es", meinte er und ich war überrumpelte, er hatte mir gerade eine Chance gegeben. Nun würde ich diese Gelegenheit auch nutzen müssen. Ich nickte bestimmt und sah zu Kol, der mir seinen Holzstab zuwarf. Geschickt fing ich ihn und betrachtete den Stab kurz. Es war ein längerer Holzstock, der ein paar Schnitzsymbole eingraviert hatte und auch als Gehstock verwendet hätte werden können. Vater hatte einen in der gleichen Größe und stellte sich mir nun gegenüber auf.

Niklaus war schon längst wieder aufgestanden und trat nun neben Elijah. „Das ist keine gute Idee", murmelte Nik und ich sah kurz zu ihm. Ich hatte noch das Bild vor mir, wie Vater ihn innerhalb eines kurzen Augenblicks besiegt hatte. Würde ich auch so schnell am Boden landen?

Die Ur-HäretikerinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt