Riskantes Vorhaben

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Mit 11 Jahren

„Ich hab dich!", rief ich und berührte Kol von hinten. Doch ich hatte ihn etwas mit zu viel Wucht berührt und so fielen wir beide lachend zu Boden. Als wir uns wieder beruhigt hatten schauten wir in den Himmel hoch und betrachteten die vorbeiziehenden Wolken.

Eine der Wolken erinnerte mich an ein Feuer, was mich an Ayana's Zauberkraft denken ließ. „Wieso glaubst du ist Magie so gefährlich? Ayana und alle anderen Hexen des Dorfes beherrschen sie doch auch", murmelte ich und schaute zu meinem Bruder, der neben mir am Boden lag.

Er schaute noch kurz in den Himmel, dann wandte er seinen Blick ebenfalls zu mir und meinte: „Ich weiß nicht, ich glaube einfach das Magie sehr mächtig sein kann, wenn man sie nicht richtig kontrollieren kann."

Nun setzte ich mich auf und erwiderte: „Aber Ayana ist eine mächtige Hexe und unsere Mutter hatte früher die Magie ebenfalls kontrollieren können, also müssten wir das Zaubern doch auch beherrschen können. Ich versteh nicht wieso Mutter ihre Zauberkraft aufgegeben hat. Für was hat sie ein Grimoire, wenn sie es nicht benutzt?""

Jetzt setzte sich Kol auch auf und schaute mich stumm an. Wir brauchten keine Worte um zu verstehen was der andere dachte. Wir holen uns Mutters Zauberbuch! Wir grinsten uns an, dann rappelten wir uns schnell auf und liefen schon los. Wir liefen aus dem Wald. Erst als wir uns dem Dorf näherten verlangsamten wir unser Tempo.

Wir gingen unauffällig über den Hauptplatz und grüßten freundlich ein paar Nachbarn und Kinder. Niemand wusste was für verbotene Gedanken wir hatten. Als wir aber dann an Finn vorbeikamen und ihn kurz begrüßten, hielt er uns auf und fragte uns eindringlich: „Was habt ihr beiden vor?" Gespielt unschuldig sahen wir ihn an und fragten: „Wieso sollten wir was vorhaben Finn? Wir genießen doch nur diesen wundervollen Nachmittag."

Eindringlich sah er uns an und erwiderte: „Ich kenne doch euer freches Grinsen wenn ihr gerade etwas ausheckt. Was ist es diesmal?" So gut wie möglich versuchte ich nicht zu grinsen, doch irgendwie gelang es mir nicht. Ich war zu aufgeregt, dass wir bald Zaubersprüche erlernen würden. Wenn alles funktionierte und wir Mutters Zauberbuch hatten, würde uns nichts mehr der Zauberei im Weg stehen.

Kol ging es nicht besser, auch er konnte sein Grinsen nicht unterdrücken. Unser Verhalten war ziemlich auffällig, deshalb brauchten wir schnell eine Notlüge. Hilfesuchend sah ich kurz zu Kol und dann riefen wir, als hätte er uns ertappt: „Wir wollten Ayana's Suppe verwürzten!"

Enttäuscht meinte ich: „Jetzt hast du uns wohl ertappt." Bittend fügte Kol hinzu: „Bitte verpetz uns nicht, Finn." Eindringlich sah uns unser ältester Bruder an und erwiderte: „Ihr solltet endlich Mal lernen was das richtige Leben bedeutet und diesen ständigen Unfug lassen. Werdet endlich Erwachsen."

„Verpetzt du uns jetzt?", fragte ich vorsichtig und sofort erwiderte er, nicht anders zu erwarten: „Natürlich werde ich das. Es soll euch eine Lehre sein." Empört sahen wir ihn an und meinten: „Aber wir haben doch noch gar nichts gemacht!" Streng sah er uns an und erwiderte: „Aber ihr wolltet und das genügt schon."

Mit diesen Worten ging er von dannen, na toll jetzt bekamen wir wegen etwas Ärger, was wir nicht mal getan hatten und eigentlich auch nicht vorgehabt hatten. Wennschon wusste Finn nicht unser Wahres Vergehen...

Genervt schauten Kol und ich uns an. Immer musste Finn uns verpetzten! Doch dann konzentrierten wir uns wieder auf das Zauberbuch und gingen weiter. Zwei Zelte vor Mutters schauten wir uns kurz um, ob niemand von unserer Familie in der Nähe war und liefen dann hinter die Zelte, dort bewegten wir uns mit leisen Schritte weiter zu Mutters Zelt und dann schlichen wir uns von der Seite nach vorne und huschten leise hinein.

Drinnen grinsten wir uns frech an und gingen auf das Bücherregal zu. Überall standen leuchtende Kerzen, was hieß, das Mutter bestimmt bald zurück sein würde. Schnell suchten wir das Bücherregal ab, als ich plötzlich ein Geräusch von draußen hörte. Sofort duckten Kol und ich uns und versteckten uns unter dem Tisch, der mit einer großen Decke überzogen war.

Jemand kam ins Zelt und von den Schuhen her waren wir uns ziemlich sicher, dass es Mutter war, vor allem als wir dann ihre Stimme hörten: „Ich habe das Heilkräuterbuch hier." Wir erkannten das noch eine andere Frau mit im Zelt war und nach kurzem genauen hinschauen erkannten wir Bethelie.

Sie war eine ältere Dame im Dorf, die sehr weise war und viele Geschichten kannte. Oft hatte sie uns Kindern schon spannende Geschichten erzählt während eines schönen warmen Feuers. Ich hatte ihre Erzählungen schon immer geliebt.

Mutter reichte ihr das Zauberbuch und meinte: „Ich wünsche ihrer Enkelin gute Besserung." Ihre Enkelin war krank? Das wusste ich noch gar nicht. Ihre Enkelin hieß Rosalie und ich hatte mich schon immer gut mit ihr verstanden, auch wenn sie zwei Jahre älter als ich war.

„Vielen Dank Esther", bedankte sich Bethelie und verließ dann das Zelt. Mutter blieb noch kurz und schaute sich mit einem Blick im Zelt um. Kol und ich hielten die Luft an und beteten das sie uns nicht entdeckte. Plötzlich ging sie auf den Tisch zu und wir dachten schon sie hätte uns entdeckt, doch dann schlug sie nur ein Buch zu, das auf dem Tisch lag und murmelte: „Komisch das mein Grimoire hier liegt. Vermutlich hat Ayana einen Zauberspruch gebraucht."

Wie blöd waren wir bitte? Das Buch lag die ganze Zeit auf dem Tisch und wir hatten es nicht gesehen! Mutter nahm das Grimoire vom Tisch und stellte es wieder in das Bücherregal. Sie betrachtete noch einmal kurz das Regal, dann blies sie alle Kerzen aus und verließ das Zelt wieder. Erleichtert atmeten wir auf und krochen aus unserem Versteck heraus.

Wir liefen hinüber zum Bücherregal und entdeckten sofort das dicke Grimoire. Es war nicht zu übersehen und vorhin noch nicht dagestanden. Wir hatten es endlich gefunden, Mutters Zauberbuch! Leider hatte Mutter es weit oben hingestellt, wo wir nicht hinkamen.

„Mist, was machen wir jetzt?", fragte ich Kol leise und er überlegte. Nach einem kurzen Augenblick meinte er dann: „Räuberleiter." Ich nickte, als er mir schon seine Hände hinhielt. Er nickte mir zu und ich stieg mit meinem rechten Fuß auf seine Hände. Mit aller Kraft streckte ich mich nach oben, während Kol mich hielt.

Ich griff nach dem Buch und freute mich schon. Leider zu früh. Ich streckte mich und zog das Buch heraus, als wir plötzlich unser Gleichgewicht verloren und beide zu Boden fielen. Wir hatten das Buch, aber unser Umfallen war natürlich nicht lautlos und so hörten wir von draußen schon Stimmen, die sich dem Zelt näherten.

Ich rappelte mich sofort wieder auf und sah mich panisch um. „Mist", murmelte ich und half mit meiner freien Hand meinem Zwillingsbruder vom Boden auf. Als er wieder stand nickte er auf die hintere Fläche des Zeltes und flüsterte: „Da raus." Ich nickte kurz und wir liefen an die hintere Wand des Zeltes.

Kol hob das Zelttuch etwas hoch und ich krabbelte darunter durch. Gerade noch rechtzeitig kam er ebenfalls durch und ließ das Tuch wieder fallen. Doch es war keine Zeit zum Ausruhen, den von drinnen hörten wir schon rufen, dass die Diebe da raus waren. Wir liefen so schnell wir konnten in den Wald hinein, als wir glaubten weit genug weg zu sein kletterten wir mit dem Buch auf einen Baum und warteten oben ab.

Alle liefen am Baum unter uns vorbei und so waren wir in Sicherheit. Gerade noch rechtzeitig entwischt. Erleichtert atmeten wir aus, als alle Leute vorbei waren und wir nichts mehr zu befürchten hatte. Wir hatten es geschafft! Wir hatten Mutters Zauberbuch und könnten jetzt endlich zaubern lernen. Wenn es uns niemand beibrachte mussten wir es uns halt selber beibringen.

Die Ur-HäretikerinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt