Auf deinen Spuren

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Auf deinen Spuren

Schwer atmend blieb Hermine stehen und sprang von ihrem Fahrrad. Mal ganz abgesehen davon, dass sie das Ding monatelang nicht benutzt hatte und die Reifen unaufgepumpt und die Bremsen schwach waren, war es kein Zuckerschlecken gewesen gegen den eiskalten Winterwind anzukämpfen. Aber sie brauchte frische Luft und musste sich bewegen – sie musste wirklich! Schon allein, um sich abzulenken. Um endlich diese scheußlichen Gedanken aus ihrem Kopf zu bekommen, die sich hartnäckig dort eingenistet hatten.

Es drehte sich natürlich nur um ein Thema: Draco. Das Einzige, woran sie seit Tagen denken konnte, war der blonde Ex-Slytherin mit dem unwiderstehlichen Grinsen und dieser Stimme, die ihr eine Gänsehaut über die Arme und den ganzen Rücken jagte. Allerdings waren es nicht ausschließlich gute Gedanken. Es waren unter anderem auch Visionen von Draco mit Barbie, von Draco, wie er seine Stelle kündigte, von Draco, der umzog. Und Hermine musste sich eingestehen, dass sie unglaubliche Angst hatte - Angst etwas zu verlieren, das sie gerade erst gefunden hatte. Und außerdem, dass sie vielleicht nie wieder solche Gefühle erleben würde, wie die, die sie mit Draco gehabt hatte.

Sie seufzte gequält und ließ sich schließlich keuchend auf eine Bank fallen. Sie würde das verdammte Rad nach Hause schieben oder am besten direkt apparieren. Erschöpft lehnte sie sich zurück und sah über das leicht aufgewühlte Wasser des Flusses. Über der Themse hing ein leichter Nebel und die Wellen waren heute hoch für das sonst so ruhige Gewässer. Der Schnee war schon längst wieder geschmolzen und Hermine war sich sicher, dass es in diesem Winter auch keinen mehr geben würde. In London lag selten Schnee und für dieses Jahr war es schon mehr als genug gewesen. Dafür rechneten alle Einwohner mit einem baldigen Regenguss. Es war ihr egal. 

Ihre Stimmung war so schlecht, wie schon lange nicht mehr. Wieder einmal war Draco nicht zu Arbeit erschienen. Allerdings schien es diesmal von längerer Dauer zu sein. Sie hatte es nach einigen Tagen nicht mehr ausgehalten und war zu seiner Wohnung gelaufen, aber es hatte niemand geöffnet. Mr. Kilmore hatte ihr verraten, dass Draco Urlaub eingereicht hatte. Aber so lange und intensiv Hermine auch bohrte und versuchte, ihm eine Antwort zu entlocken, er sagte ihr nicht, wie lange und vorallem wohin Draco verschwunden war. 

War vielleicht irgendetwas Schlimmes passiert? Hermine fuhr sich durch die leicht feuchten Haare. „Verdammte Scheiße", zischte sie und schüttelte den Kopf. Es war schwer, sich einzugestehen, dass man von einer Person abhängig war. Und es war noch schwerer, wenn diese Person ausgerechnet Draco Malfoy war. Im Grunde war es alles von Beginn an zum Scheitern verurteilt gewesen.

Irgendwann stand Hermine auf und schnappte sich ihr Fahrrad. Nach einem kurzen Zögern drehte sie es herum und stieg doch wieder auf. Mit dem Wind im Rücken fuhr es sich eindeutig leichter und bis nach Hause würde sie es jetzt auch noch schaffen. Sie wusste genau, wohin sie musste – ins Ministerium und dann auf direktem Weg zu Mr. Kilmore. Er musste ihr einfach sagen, was mit Draco los war.

+.+.+

„Hören Sie, Miss Granger." Mr. Kilmore holte tief Luft und faltete die Hände vor seinem Bauch. „Ich habe eine Art Schweigepflicht. Mr. Malfoy hat bei mir Urlaub eingereicht und warum dies der Fall ist, geht wirklich niemanden etwas an. Er hat noch nicht einmal mir gegenüber die Pflicht zu sagen, was er tut oder warum er eine Pause braucht. Seitdem er hier arbeitet, hatte er noch keinen Urlaub. Es spricht nichts dagegen, ihm diesen hier zu genehmigen."

Hermine stand mit verschränkten Armen vor dem Fenster und starrte nach draußen. Die Fenster des Ministeriums spiegelten heute ausnahmsweise genau das Wetter wieder, das auch fünf Stockwerke weiter oben tobte. Es hatte gestern Abend angefangen zu regnen und bis jetzt auch noch nicht wieder aufgehört. Scheinbar waren es die dafür zuständigen Ministeriumsbeamten leid, irgendein fröhliches Wetter für die unterirdischen Fenster zu kreieren.

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