Epilog
Hermine schlug die Augen auf und fühlte sich gut. Es war das erste Mal seit sehr langer Zeit, dass sie sowohl seelisch als auch körperlich keine Schmerzen verspürte. Sie setzte sich langsam auf und sah sich um. Das Zimmer war ihr immer noch fremd, obwohl sie jetzt schon ein paar Tage hier war, doch ihre Eltern und Freunde und Darren hatten versucht, es irgendwie wohnlich zu machen. Ein paar Blumensträuße standen auf der Fensterbank, auf dem Nachtisch lagen zwei neue Bücher, sie hatte ihren Schlafanzug an und ein Stapel frischer Wäsche lag in dem kleinen Regal gegenüber dem Bett.
Aber da war noch etwas Neues, das Hermines Aufmerksamkeit auch jetzt wieder sofort erweckte. Das kleine rollbare Bettchen, das neben ihrem Bett stand, war zwar nicht schön, aber es enthielt etwas Kostbares. Hermine schob die Beine aus dem Bett und stand auf. Sie fühlte sich noch etwas wackelig, aber das war schon okay. Langsam tapste sie auf das Bettchen zu und lehnt sich darüber.
„Hallo, meine Süße", flüsterte sie leise und betrachtete das schlafende Baby liebevoll. Die Kleine war ein wenig zu früh gekommen und schlief noch viel. Sie war klein und zierlich – und wundervoll. Hermine seufzte.
Das Kind hatte die Augen geöffnet und starrte sie ruhig an. Es war erst ein paar Tage alt, doch seine Augen zeigten bereits den gräulichen Schimmer, den Hermine an Draco so oft bewundert hatte. Und sie war sehr froh darüber. Dieses Mädchen würde ein Ebenbild ihres Vaters werden. Hermine war sich sicher, dass sie dieselben Haare bekommen würde und dass sie wunderhübsch sein würde. Sie hatte das Malfoy-Gen.
Hermine streckte eine Hand aus und streichelte sanft die Wange der Kleinen.
„Wollen wir zu deinem Papa gehen? Es wird Zeit, dass du ihn siehst, was denkst du?", flüsterte sie leise und dachte darüber nach, ob sie das selbst überhaupt wollte. Sie war jetzt knapp eine Woche im St. Mungo und seit der Entbindung hatte sie sich noch nicht überwinden können, Draco wieder zu besuchen. Sie hatte Angst, dass es sie traurig machen und ihr die Freude über dieses kleine Wesen nehmen könnte. Aber irgendwann musste es passieren, es führte kein Weg daran vorbei. Sie atmete tief durch und drehte sich herum. Sie war bereit.
Langsam ging sie zu dem Wäschestapel, suchte sich ein paar frische Kleidungsstücke heraus und zog sich um. Sie hatte ihre ehemalige Figur noch nicht wieder erlangt – natürlich nicht – und sie war auch nicht frisch geduscht, aber es war ihr egal.
Sie hatte das Gefühl, sich trotzdem ein bisschen hübsch machen zu müssen, wenn sie zu Draco ging. Es fühlte sich richtig an und es gab ihr Sicherheit und Kraft. Hermine warf einen kurzen Blick in den Spiegel und band sich ihre Locken zu einem lockeren Dutt. Du kannst das, dachte sie. Du hast noch nie aufgegeben. Dann ging sie zurück zu dem Bettchen und nahm die Kleine heraus. Sie hatte sie Emily genannt – nach ihrer Großmutter, die vor ein paar Jahren verstorben war. Außerdem gefiel ihr der Name außerordentlich gut.
Sie drückte die Kleine liebevoll an ihre Brust. Das Kind blinzelte und gab keinen Mucks von sich. Sie war ein besonders stilles und liebes Kind. Hermine hatte schon öfter beobachtet, dass sie lange Zeit wach in ihrem Bettchen lag und einfach keinen Ton von sich gab. Sie quengelte nicht, sie trank vernünftig an der Brust und beobachtete aufmerksam ihre Umgebung.
„Du hast vieles von mir", sagte Hermine lächelnd. „Zumindest charakterlich."
Hermine lief langsam den Gang entlang und schaute hin und wieder auf die Türschilder. Der Weg von ihrem Zimmer zu der Abteilung, in der Draco untergebracht war, war nicht weit. Schneller, als sie sich versah, war sie an der allzu bekannten Zimmertür angekommen und trat auch sofort ein. Das Klopfen gewöhnte man sich schnell ab, wenn man wusste, dass der Patient nicht antworten würde. Sie blieb einen Moment unsicher stehen und warf einen Blick auf das Bett. Sie hatten seine Haare schon wieder geschnitten und Hermine hasste es.
„Er mag es nicht", hatte sie der Schwester beim letzten Mal erbost erklärt. Sie war im siebten Monat gewesen und von Gefühlsschwankungen nur so getrieben.
„Miss Granger, er weiß nicht, dass wir ihm die Haare schneiden – er bekommt es nicht mit", hatte die Schwester gelangweilt gesagt und Hermine hatte sich furchtbar darüber aufgeregt. Wahrscheinlich war das nicht der erste Komapatient dieser Schwester, aber Hermine wünschte sich trotzdem eine Behandlung, als wenn es der Fall wäre. Es war immerhin ihr erster Koma-Freund, wenn man das so einfach sagen konnte.
„Er würde es Ihnen nie erlauben, wenn er es wüsste", hatte sie gerufen und im Nachhinein kam es ihr peinlich und überzogen vor.
„Draco?", murmelte sie leise. Sie redete immer noch mit ihm – es war zum verzweifeln. „Draco, ich habe dir jemanden mitgebracht." Sie machte ein paar Schritte auf ihn zu, bis sie schließlich ganz vor seinem Bett stand. Sie streckte eine Hand aus und brachte seinen Arm in eine gute Position. Dann legte sie sehr behutsam Emily in seinen Arm und setzte sich auf die Bettkante.
Sie spürte, wie die Tränen in ihren Augen brannten, doch sie schluckte sie tapfer herunter und konzentrierte sich stattdessen auf den Anblick.
„Das ist deine Tochter Draco, hörst du? Ich hab sie Emily genannt – wie meine Grandma. Ich mag den Namen, ich dachte er gefällt dir vielleicht auch."
Sie wischte sich eine einzelne Träne von der Wange und beugte sich vor, um ihm einen kurzen Kuss auf die leblosen Lippen zu hauchen. Das hatte sie bisher noch nie getan.
„Wir lieben dich so sehr", flüsterte sie leise und kämpfte gegen das aufkeimende Schluchzen in ihrer Kehle. „Ich wünsche mir so sehr, dass sie dich kennen lernen dürfte, Draco."
Und dann war es wie in einem schlechten Film – es geschah in Zeitlupe, Hermine hielt die Luft an und plötzlich drang kein einziger Laut mehr zu ihr durch. Draco Malfoy öffnete seine Augen. Sie waren klar, sie waren aufnahmefähig und er sah sie an. Hermine streckte die Hand mit ihrem Zauberstab aus und schickte hektisch einen Patronus nach dem diensthabenden Heiler, bevor sie sich vor ihn kniete und seine Hand umklammerte.
„Draco, Draco, kannst du mich hören?" Ihre Stimme war ein unkontrolliertes Gemisch aus Wimmern und Schluchzen und Draco atmete hörbar aus.
„Sie haben mir die Haare geschnitten", flüsterte er mit einer krächzenden und heiseren Stimme, die widerspiegelte, dass er sie monatelang nicht benutzt hatte. Und Hermine musste lachen und weinen zugleich.
+.+.+
„Emily, hm?" Hermine nickte und streichelte sanft Dracos Wange. In den letzten Stunden hatte sie ihn fast so oft geküsst und so oft gestreichelt, wie in der gesamten Zeit vor dem Einsatz des Ministeriums.
„Magst du den Namen?" Draco lächelte und nickte. Er hielt Emily im Arm und sie schlief.
„Bist du jetzt eigentlich mit diesem Darren zusammen?" Die Frage kam unvorbereitet und Hermine hob überrascht die Augenbrauen.
„Hast du das etwa auch mitbekommen?" Draco grinste und sah schon fast wieder aus wie der Alte.
„Ich habe sehr vieles mitgekriegt, als ich hier lag." Hermine seufzte und schüttelte dann den Kopf.
„Er war ein guter Freund, hat mir Halt gegeben – mehr nicht. Da lief sonst nichts. Überhaupt nichts." Sie sah ihn ernst an und Draco nickte zufrieden.
„Das ist gut, weil ich dich nämlich heiraten muss, sobald ich wieder aufstehen darf." Hermine sah ihn einen Moment überrascht an, dann küsste sie ihn und ihre Augen füllten sich wieder mit Tränen.
„Ich liebe dich, Draco Malfoy", sagte sie leise und Draco flüsterte „Ich dich auch" und alles war perfekt.
„Ich habe dich so vermisst", schniefte Hermine an seiner Schulter.
„Und mir tut es leid, dass ich dich allein gelassen habe", antwortete er sanft. Hermine zuckte mit den Schultern.
„Aber jetzt wird alles gut, oder?" Und Draco nickte. Es würde alles gut werden. Sie hatten sich wieder, sie hatten ein Baby.
Draco war wach.
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Animagi Secrets
Fanfictionᴅʀᴀᴍɪᴏɴᴇ • Hermine Granger und Draco Malfoy verabscheuen sich immer noch abgrundtief - schön blöd, wenn man sich trotzdem ein Büro teilen muss. Als Hermine eines Tages auch noch einen Auftrag erhält, den sie in ihrer Animagus-Gestalt bewältigen muss...