Ein Praktikum beim dunklen Lord

Fünf Monate, eine Woche und drei Tage vor dem Praktikum (1/4)

Meine Eltern stammen nicht aus der Gegend an der Küste, sondern aus irgendeiner unzivilisierten, kalten und bergigen Gegend weit weg. Den Namen des Landes kann ich mir nie merken. Ich habe eh keine Erinnerungen daran.

Mein Vater wollte die unzivilisierte Gegend zivilisieren und eine neue überaus zivilisierte Hochburg der Magie erschaffen, in der ich und andere junge Magier aus den Bergen dann sicher aufwachsen können sollten. Wie es im bisherigen Verlauf der Geschichte bereits angedeutet wurde, hat er es nicht geschafft. Beweisstück A: Ich bin hier, und nicht auf irgendeiner geborgenen Bergschule.

Angeblich entfesselte mein Vater zur Errichtung einer riesigen Festung, die eine neue Stätte der Magie werden sollte, Naturkräfte, denen er bedauerlicherweise nicht gewachsen war. Er, meine Mutter und das Fundament für die Festung wurden von einer Schneelawine überrollt und das wars.

Ich kam bei meiner Großtante unter. Bei ihr handelte es sich um eine sympathische, aber geistig nicht völlig saubere alte Dame. Sie zog nach dem Tod meiner Eltern in ein kleines Dorf in der Nähe der Flussbucht und hauste in einem Bauernhaus. Ihre magischen Fähigkeiten beschränkten sich auf ein bisschen Handlesen für die abergläubischen Dörfler. In dieser Idylle verbrachte ich die ersten Jahre meines Lebens.

Mit geistig nicht ganz sauber meine ich: Die Alte hatte ein Gedächtnis von durchschnittlich genau zwei Minuten und sechzehn Sekunden. Das weiß ich so genau, weil das bedeutete, dass ich alle zwei Minuten und sechzehn Sekunden neues Taschengeld einfordern konnte. Und anhand der Menge der im Dorfladen gekauften Schokoriegel und dem aktuellen Schokoriegelpreis war es nicht schwer, die genaue Kapazität des Kurzzeitgedächtnisses zu ermitteln. (Zumindest nicht für das kleine Mathegenie aus dem Nachbarhaus, das sowas gerne ausrechnet. Auf dem Dorf gibt es halt wenig zu tun. Schon gar nicht für Mathegenies, die harte Arbeit scheuen. Ich ließ ihm regelmäßig interessante Zahlen zum Rechnen zukommen und bekam dann manchmal als Dank noch mehr Schokoriegel. Für meine Zahnhygiene war die Zeit auf dem Dorf wirklich nicht so der Bringer.)

Sie muss irgendetwas völlig falsch verstanden haben, als man mich ihr übergeben hat, oder sie hat es schlicht vergessen. Jedenfalls dachte sie sich, wenn ich Fragen zu meinen Wurzeln stellte, allem Anschein nach einfach irgendwas aus. Das sah dann etwa so aus:

„Tante Mungi, wieso wohn ich eigentlich nicht bei Mama und Papa?"

„Tjo, äh... weißt, du Junge,... weiß nicht, wie ich dir das sagen soll, äh... die sind tot."

„Was?"

„Naja, die sind weg. Nicht mehr da. Abgekratzt. Haben ins Gras gebissen. Löffel abgegeben. Mausetot. Kann ich jetzt auch nix machen."

„Welche Löffel?"

„Was?"

„Was?"

Eine kurze Pause trat ein und ich formierte meine Fragenattacken neu.

„Du hast doch was von Löffeln gesagt."

„Welche Löffel?"

"Na, die von meinen Eltern."

„Was ist mit deinen Eltern?"

„Naja, äh...

Jetzt hatte ich selber meine Fragen vergessen. Eigentlich eine kluge Taktik.

„Wie sind meine Eltern denn gestorben?"

„Was? Wie, äh... also, die sind... äh... die wurden ermordet."

„Von wem?"

„Von... äh... von einem anderen Zauberer. Einem sehr sehr bösen Zauberer. Er wollte die Macht in der ganzen Welt übernehmen... mit... äh... Zombies und... äh... einer riesigen Armee von Ungeheuern und... also... niemand hat es gewagt, ihm Widerstand zu leisten, bis auf deine Eltern... und dann, äh... haben sie miteinander gekämpft und äh... „