Fünf Monate und ein Tag vor dem Praktikum

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Im Prinzip wusste ich natürlich, dass genau jetzt viele Zauberlehrlinge bei vielen verschiedenen Leuten in der Stadt nach einem Praktikumsplatz fragten und dass es klug wäre, ihnen zuvorzukommen und sich direkt eine Stelle zu Suchen. Also, im Prinzip.

Auf der anderen Seite hatten wir noch über einen Monate Zeit, bis wir das Formular abgeben mussten. Wenn man davon ausging, dass alle anderen auch so dachten, würde ich mich wohl frühstens in ein, zwei Wochen darum kümmern müssen. Oder drei. Ja, drei müsste auch hinhauen.

Am Ende hab ich dann aber weniger als eine Woche gewartet. Und zwar nicht (was jetzt natürlich am logischsten wäre), weil ich einfach fleißig war und es hinter mich bringen wollte, sondern wegen des Buches.

Irgendwer hatte es sich aus der Bibliothek ausgeliehen und jetzt lag es bei uns im Schlafraum rum. Ein grauer, nichtssagender Umschlag, auf dem in winzig kleinen Lettern Titel und Verfasser aufgedruckt waren.

Als ich es zum ersten mal auf unserem Tisch lag, schaute ich mal rein.

Es stammte von einem gewissen Sellerie dem Weisen und hatte den Titel Wie man sich bewirbt und möglicherweise sogar angenommen wird.

Es war auf eine ganz eigene Art und Weise stinklangweilig.

Im ersten Kapitel ging es darum, wie man einen Bewerbungsbrief schreiben sollte. Es war ganz akkurat vorgegeben, wie viele Zeilen man nach jedem Satz und jeder Information freilassen sollte und was an den linken und was den rechten Rand gehörte. Es war vollkommener Schwachsinn.

Aber noch schlimmer wurde es, als der Inhalt des Briefes zur Sprache kam. Anscheinend ging es in erster Linie darum, dem betreffenden Händler oder sonstwem klarzumachen, was für ein großartiges, verehrungswürdiges Wesen er doch sei und dass man doch eigentlich gar nicht würdig wäre, bei ihm auch nur die Aborte zu reinigen, aber ob man denn nicht möglicherweise doch...?

Aber im zweiten Teil des Briefes sollte man dann schreiben, was für eine fähige, alleskönnende, unbesiegbare Arbeitskraft man sei. Bildlich gesprochen musste man also, erst auf dem Boden herumkriegen und alles vollschleimen und anschließend aufstehen, um sich in einer arroganten, furchtgebietenden Pose aufzurichten (und dabei nicht auf dem Schleim auszurutschen).

Als nächstes ging es dann darum, was man machen sollte, wenn man von der Person eingeladen würde. Und erst dieses Kapitel trieb mich vollends zur Verzweiflung. Es schien von enormer Wichtigkeit zu sein, was man anzog, wie man roch und anderer Firlefanz. Dann wurde erklärt, was man auf die einzelnen Fragen, die einem gestellt werden, antworten sollte.


Stellt man Euch euch jene berüchtigte Frage, welche sich euren stärksten und euren schwächsten Eigenschaften erkundigt, so seid frohen Mutes, denn auch diese Frage könnt Ihr rasch und ohne Zaudern beantworten, sofern Ihr euch bereits zuvor in Eurem eigenen Kämmerlein eine Antwort überlegt habt. Zählt bei den Stärken vier bis fünf Fähigkeiten auf, welche wahrhaftig etwas Besonderes sind, natürlich in irgendeiner Weise mit der Tätigkeit, der Ihr nachgehen wollte, in Beziehung stehen und welche Ihr selbstverständlich auch in Wahrheit vollkommen beherrschen solltet.

Bei den Schwächen jedoch nennt mehrere Eigenschaften, welche selbstverständlich möglichst wenig mit eurer Tätigkeit zu tun haben und ohnehin möglichst unbedeutend sein sollten. Gleichwohl solltet ihr keine völlig banalen Dinge, welche gar niemanden interessieren, als eure Antwort wählen.


Aha... als Schwächen keine wichtigen Dinge nennen... aber auch keine unwichtigen... soso.

Ich gab es auf und ließ das Buch liegen. Am nächsten Tag lag es immer noch auf dem Tisch. Am übernächsten auch. Ich hatte keine Lust zu fragen, wer es sich denn ausgeliehen hatte, ich wollte das doofe Schleimbuch einfach nur in meinen Hinterkopf verdrängen. Das war allerdings schwierig, wenn das Miststück jeden Morgen nach dem Aufstehen direkt auf dem Tisch lag und mir rotzfrech sein Lesebändchen herausstreckte.

Ein Praktikum beim dunklen LordWo Geschichten leben. Entdecke jetzt