Neunter Praktikumstag (1/2)

31 6 0
                                    

Uralte, unerforschte Magie sorgt dafür, dass einen der eigene Körper dafür bestraft, wenn man ihn nicht dort schlafen legt, wo er will. Alle Körperteile sind eingerostet und das Gesicht fühlt sich an wie eine fremde Maske aus Wachs. Eine Schlafstätte aus übereinandergelegten Papierstapel reicht absolut aus, um diese Wirkung hervorzurufen. Ich schwor mir, ab jetzt nur noch in den weichsten Betten zu schlafen.

Der Weckton war auch nicht besonders angenehm. In Isigimsus weckt uns das sanfte Sonnenlicht oder das fröhliche Ding-Dong der Turmuhr. (Okay, wenn wir da morgens aufstehen, würden wir vielleicht eine nicht ganz so positive Beschreibung wählen.) In Argors Pyramide wurde ich durch folgenden Laut geweckt:

„ROOAARRRARRRGRAAA! WARGRAAAA... oh nein, nicht schon wieder diese unterschwellige Gewalt."

Anscheinend brachte man Daniel in sein altes Gefängnis.

Ich lief immer im Kreis durchs Büro und wartete darauf, dass mein Gesicht aufhörte, aus Wachs zu bestehen. Da hatte ich wenigstens was zu tun.

Eine Stunde später bestand das Gesicht nur noch halb aus Wachs und ein Zombie brachte eine Suppe. Ich aß sie. Sie schmeckte nicht.

Dann kamen wieder zwei Zombies und brachten mich raus. Jetzt ging es wohl zu Professor Schmidt... ähm, zur dritten Beraterin. Zwei Stockwerke tiefer und... jep, das war das Büro mit dem Vorstellungsgespräch.

Reinschieben, Tür zu, klick.

Backl war nicht da, was mich schon mal sehr freute. Daniels Gebrüll hatte ich noch frisch im Ohr, eine neue Belastung wäre da höchst unerwünscht.

Die Türen zu den Nachbarräumen waren verschlossen. Das Büro selbst war frisch aufgeräumt, wie es aussah. Es lagen nur wenige Blätter auf dem Schreibtisch. Ich sollte wohl nichts wichtiges zu sehen bekommen.

Dann fiel mir ein, wie ich hier vor zwei Tagen hereingelangt war. Vielleicht wussten die es ja noch nicht. Ich drückte einfach mal ein paar Steine ungefähr an der richtigen Stelle in der Wand und... ja, da war er.

War das wirklich so einfach?

Anscheinend schon.

Ich dankte Jonasch Wehlan im Stillen dafür, dass er mir diesen Gang gezeigt hatte. Hoffentlich ruhte er in Frieden und so.

Der Gang führte durch ein paar enge, verlassene Räume und schließlich kam ich auf irgendeinem Flur wieder raus. Jetzt nur noch schnell... ah ja, da war der Ausgang! Hurra! Ich war draußen.

Ich hastete den Zufahrtsweg entlang, wobei ich versuchte, nicht so schnell zu sein, dass es verdächtig wirkte. Im Nachhinein betrachtet hat das wahrscheinlich überhaupt nicht geklappt und die ganzen Arbeiter, die sich dort mit ihren Karren und Kutschen voller Waren herumtrieben, waren einfach zu beschäftigt.

Auf jeden Falle schaffte ich es heil fast bis ans Tor, als urplötzlich... nein, Spaß, es passierte nichts. Ich kam heil raus. Die Tripelsius-Straße machte einen Knick. Und dann rannte ich los.

Eine halbe Stunde später hockte ich in der hintersten Ecke des überfülltesten Cafés am Marktplatz von Abrarada. Es war inzwischen Mittag, aber die nächste Kutsche nach Isgimsus fuhr erst Nachmittags. Jedes mal, wenn jemand mit Kapuze oder ein Dämon oder eine andere verdächtige Person sich dem Café näherte, verdrückte ich mich in eine Ecke. Zum Glück hatte ich noch etwas Geld mit und konnte mir einen Kaffee kaufen. Ich nahm aber nur circa jede Stunde einen Schluck. Ich hatte ja nicht genügend finanzielle Mittel, um mir nonstop Getränke zu kaufen.

Eine dunkle Gestalt mit Kapuze schaute in den Laden herein. Ich saß so weit in der Ecke, wie es ging. Eigentlich müsste diese Ecke vom Eingang aus nicht gut einsehbar sein... theoretisch... konnte er mich nicht... und selbst wenn, was wollte er in aller Öffentlichkeit machen... nein, er ging wieder raus. Aber ich war mir ziemlich sicher, dass das jemand von Argor war.

Ein Praktikum beim dunklen LordWo Geschichten leben. Entdecke jetzt