Vier weitere Monate scherte ich mich gar nicht ums Praktikum. Zum einen hatten wir ja genug zu lernen, zum anderen wollte ich auch nicht darüber nachdenken. Ich hatte keine Ahnung, was ich da wirklich machen würde und was da eigentlich mit diesem Argor, seinem Berater und dessen komischen Stein los war. Mir war klar, dass da irgendwas faul war, aber das war ja nun wirklich nicht mein Bier. Bis dahin waren es nur noch vier Monate und die zwei Wochen würde ich dann auch irgendwie überstehen.
Zur Ablenkung gab es ja Unterricht und der wurde auch nicht leichter. Die Professoren gaben sich mehr oder weniger Mühe, dem Lehrplan zu folgen und jammerten doch ständig, wie weit wir doch im Stoff zurücklagen. Sie trieben widerwillig, mit eiskalt-rationaler Miene oder sichtlichem Vergnügen die Noten ein, die sie brauchten und freuten sich über jede Vertretungsstunde, die sie bei uns in ihrem Fach erteilten durften, um unsere wie immer ach so fürchterlichen Stoffrückstand ein winzig kleines bisschen aufzuholen.
Von den Vertretungsstunden einmal abgesehen verlief die Woche immer im selben, ewigen Takt des Stundenplanes, der unser Leben (und vor allem unsere Aufstehzeiten) bestimmte. Er hing hübsch gerahmt in unserem Schlafraum und sagte denjenigen, die so vorausschauend waren, schon am Abend zu packen, und denjenigen, die es erst in der Morgenhektik erledigten, was sie einzupacken hatten.
Grabtag: Allgemeingeschichte, Speicherkunde, Mittagspause, Dimensionskontrolle, Bibliothekenorientierung
Formtag: Nunsnanisch, Transformation, Mittagspause, Theoretische Magie
Backtag: Speicherkunde, Dimensionskontrolle, Mittagspause, Bibliothekenorientierung, Theoretische Magie, Transformation
Kühltag: Rechtschreibung, Dimensionskontrolle, Mittagspause, Allgemeingeschichte, Erdkunde
Bautag: Theoretische Magie, Erdkunde, Mittagspause, Transformation, Rechtschreibung
Die neue Nunsnanischbeamtin schaffte es kurze Zeit nach ihrem Amtsantritt, sich zur Abwechslung auf eine andere Art lächerlich zu machen, indem sie uns mit einem improvisierten Gedicht beglückte. Professor Schossel war ja bekanntlich ein Meister der Improvisation, sie eher nicht so.
„Also, wenn da steht, das ist Lyrik, muss das ja nicht unbedingt ein Reim sein, man kann auch einfach ein bestimmtes Versschema, wisst ihr, was ich meine, Daktylus und so, nehmen, also ein Gedicht muss nicht immer sowas sein wie... äh... zum Beispiel...
Die kleine Maus
geht ins Haus,
und zieht sich aus...
zieht sich wieder an
und du bist dran.
Versteht ihr?"
Für ihren Mäusestriptease-Abzählvers bekam sie noch nicht einmal besonders viel Gelächter, denn es hatte eh kaum jemand zugehört.
In derselben Woche schien Professor Tunnel wieder einmal an der grundsätzlichen Denkfähigkeit unserer Klasse zu zweifeln. Das lag an folgendem Dialog mit Jena:
„Und was ist da jetzt am wichtigsten? Und wieso muss man da ausgerechnet auf die Gestik achten?"
„Naja, weil sich da die Schwingungen der Bewegungen schneller bewegen als die Wörter, also der Schall, ähm, aber man muss ja trotzdem die richtigen Worte sagen, sonst geht das ja nicht, oder?"
„Also ist beim Schließen von natürlichen Öffnungen die Gestik wichtiger als die Worte, oder ist die wichtiger als die Mimik, oder ist die doch nicht wichtig?"
„Na, beides."
In theoretischer Magie gab es eine Prüfung, die tatsächlich jeder vergeigte. Professor Schmidt meinte, so einen schlechten Durchschnitt hätte es in ihren 40 Dienstjahren noch nicht erlebt. Ähnliche Aussagen hat sie bei uns allerdings schon öfter gemacht. Ihre bisherigen 40 Dienstjahre müssen insgesamt ziemlich langweilig gewesen sein. Um nicht zu sagen: völlig ereignislos, uninteressant und zum Sterben langweilig.
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Ein Praktikum beim dunklen Lord
FantasyGünther ist ein Zauberlehrling an einer altehrwürdigen Zauberschule und somit umgeben von einigen wirklich exzentrischen Magieprofessoren und Mitschülern. Irgendwann soll er sich einen Praktikumsplatz in der Stadt Abarada suchen. Während sich die me...