13. Wiedersehen

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Ich fühle mich eingeengt. Die ganze Gegend ist von dichtem Nebel bedeckt. Es kommt mir vertraut vor und doch so fremd. Vorsichtig laufe ich durch den Nebel. Die Schwaden werden von Minute zu Minute immer dunkler und schwerer. Planlos irre ich weiter. Gehe den knirschenden Weg entlang, der hier zu sein scheint. Ich blicke mich um, in der Hoffnung es zu finden.

Wenigstens eine Spur zu entdecken. Aber was suche ich eigentlich? Ich fühle eine unangenehme Leere in mir. Es verwirrt mich. Wo ist es? In der Ferne leuchtet etwas. Neugierig blicke ich in die Richtung. Meine Augen werden größer und Hoffnung breitet sich in mir aus. Wie auf Kommando laufen meine Beine los.

Sie beschleunigen, mein Blick nur noch auf das Licht fokussiert. Das Knirschen unter meinen Füßen wird immer lauter und die Äste immer größer und dicker. Immer wieder stolpere ich über einen der Gegenstände und falle. Mein Blick verschwommen, nehme gar nichts von meiner Umgebung war. Das einzigste was ich merke sind meine brennende Hände, Knie und meine Lunge die nach Luft schreit. Wie ein Stehaufmännchen stemme ich mich jedesmal erneut auf die Beine und renne weiter. Aus dem Augenwinkel kann ich etwas purpurnes durch die Gegend flitzen sehen.

Verwirrt starre ich diesem kleinem Punkt nach, der schon längst verschwunden ist. Ich will mich wieder dem großen Licht zuwenden, als mein Fuß sich in etwas verklemmt. Mit dem Gesicht voran lande ich auf dem Boden und zische schmerzerfüllt auf. Etwas spitzes hat meine Wange gestriffen und eine tiefen Kratzer hinterlassen.  Ächzend rappel ich mich auf und drehe meinen Kopf nach hinten um zu meinen Füßen zu schauen. Nachdenklich inspiziere ich den Gegenstand genauer. Es wirkt relativ groß und scheint hell zu sein.

Zögernd befreie ich meine Beine und zucke erschrocken zusammen. Meine Füße sind mit Blut übersät. Panisch reibe ich das Blut ab und blicke missmutig zu dem großen Gegenstand. Mein Herz bleibt kurz stehen, als ich erkenne, über was ich gestolpert bin. Gehetzt blicke ich in alle Richtungen. Die Äste und Baumstämme waren nicht das, für was ich sie gehalten habe. Es liegen überall Knochen und abgetrennte Gliedmaße rum. Mit einem mal kommt alles in mir hoch.

Der Verwesungsgestank dringt in meine Nase. Es mischt sich der Geruch von frischem Blut, Angst und Mordlust dazu. Meine Beine verweigern ihren Dienst und knicken ein. Ich komme auf dem Boden auf und starre in eine Blutlache. Es wirkt, als ob ich ein schreiendes Gesicht darin sehen könnte. Wie selbstverständlich fasse ich die Pfütze an. Ein ohrenbetäubendes  Kreischen hallt durch die Gegend. Verzweifelt hallte ich mir die Ohren mit meinen Händen zu.

Der Schrei wird immer lauter, vor allem werden es immer mehr. Aus allen Richtungen erreichen mich die verschiedensten Schmerzensschreie. Es soll aufhören! Mein Kopf dröhnt, mein Körper wird taub. Einsamkeit, Angst, Panik. Alle negativen Gefühle strömen in mich ein. Es ist wie, als ob ich alle Emotionen von den hier Verstorbenen spüren könnte. In meinem Magen brodelt es, die Übelkeit kaum noch unterdrückend. Hätte ich dieses Schlachtfeld überhaupt bemerkt, wenn ich gedankenlos weiter gerannt wäre? Mit einem mal verstummen die Schreie. Eine gespenstische Stille breitet sich aus. „Nein hättest du nicht. Du wärst erbarmungslos in die Falle gerannt". Für einen kurzen Augenblick vergesse ich zu Atmen. Ungläubig drehe ich mich um und blicke direkt in die Fuchsaugen. „Ku-zunoha...?". Nicht mehr als ein Hauchen, aber sie hat es gehört.

Die Zeit, in der wir nicht miteinander gesprochen haben kam mir vor wie eine Ewigkeit. Außerdem... Ist es das erste Mal, dass ich sie in Ihrer wahre Gestalt erblicke. Kuzunoha wirkt wie ein gutmütiger Fuchs, der mit Weisheit gesegnet wurde. Sie ist nicht von dunklen Schwaden umhüllt und von einem gefährlichen Aussehen geziert. Sie sieht aus, wie die Kuzunoha aus den Legenden. Tränen bilden sich in meinen Augen. Erleichterung, Verzweiflung, Wut. All diese Gefühle kommen in mir hoch. Endlich fällt mir wieder alles ein. Was alles  passiert ist. Es gibt so vieles, was ich ihr sagen will. Sie fragen will. Aber... ein Blick in ihre Augen reicht, dass ich mir den Ernst der Lage bewusst werde. Irgendetwas stimmt hier ganz gewaltig nicht. „Wo sind wir?", meine Stimme wieder gefasst. Kuzunoha nickt leicht in die Richtung, aus der das Licht kommt. Ihre Zähne blecken sich und ein tiefes Grollen verlässt ihre Kehle. „Das da hinten ist eine Falle, ein alter Fluch". Ihr Gesicht verzieht sich. „Besser gesagt mein auferlegter Fluch".

Stumm blicke ich direkt in ihre Augen. Kuzunohas Schwanz peitscht in die Richtung des Lichtes. „Ich kann dir nicht sagen, um was für eine Art Fluch es sich handelt, aber du darfst niemals damit in Berührung kommen". Irritiert blicke ich zwischen dem Fuchs und dem Licht hin und her. „Warum taucht es jetzt plötzlich auf? Es war doch vorher auch nie da. Und was soll überhaupt dieser Ort?". „Ich habe den Fluch immer mit meiner ganzen Fluchenergie eingeschlossen...", zögernd blicken die bernsteinfarbenen Augen zu Boden. „Ich weiß nicht warum, aber mich verlässt immer mehr Kraft...  Meine Zeit ist wahrscheinlich bald um".

„Was meinst du damit? Stirbst du bald?", fassungslos starre ich den Fuchs an. Kuzunoha schüttelt leicht den Kopf. „Ich glaube, dass du meine Kraft in dich einverleibst und mir meine ganze Energie klaust". „Wie kommst du drauf?". Die pelzigen Ohren zucken leicht. „Du hörst es doch. Nicht nur das. Du spürst die Flammen in dir, hast einen besseren Geruchssinn. Du siehst alles! Allein diese Punkte sind schon Anzeichen genug".

Nachdenklich blicke ich den großen Fuchs an. In meinem Kopf schwirren die Gedanken wild herum. Die unerträgliche Hitze in mir sind wohl die Flammen, die Seelen von Lebewesen kann ich auch sehen. Aber was meint sie mit hören? Stumm wandert mein Blick durch die düstere Gegend. Das unschöne Szenario ignorierend fällt mir alles wieder ein. Das, was mich bis jetzt eigentlich am meisten beschäftigt hat. Die Stimmen. Die Stimmen die mir durch Mark und Bein gegangen sind, mein Innerstes erzittert haben. Die, die meine Gefühle vollkommen aus dem Gleichgewicht gebracht haben. „Sag... Diese Stimmen...". Meine Stimme bleibt mir im Hals stecken. Kuzunohas Augen wirken von Trauer betrübt. „Sterbende Wesen hinterlassen eine Art Trauerlied. Keiner geht von der Welt ohne etwas zurückzulassen. Das Trauerlied zeigt, was der Verstorbene erlebt hat, was er gefühlt hat. Genau das hast du damals in der Psychiatrie erlebt. Durch die Flüche sind so viele unschuldige Menschen ums Leben gekommen, die alle einen schlimmen Tod erlebt haben. Auch hier. Du hast es hier doch auch gehört. Die ganze Trauer, Wut, Angst. Es erschüttert einen und hinterlässt eine tiefe Narbe in einem".

Mein ganzer Körper erzittert. Wie gebannt starre ich Kuzunoha an. Sie sagt zwar, dass es das letzte Trauerlied der Verstorbenen ist, aber.... Eine Träne rinnt mein linkes Auge runter. Ich kann es ganz klar sehen. Es hören. Ihre Seele, die immer dunkler wird. Wie es leise aus ihr strömt. Kuzunohas Trauerlied. Es bildet sich.

Im Bann des Fuchses (Gojō Satoru x Oc)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt