Kapitel 10

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Aimee

Das Flugzeug landet endlich. Viel länger hätte ich es in dieser Klapperkiste auch nicht mehr ausgehalten. In Toronto musste ich in diese umsteigen, um weiter zu kommen. Jetzt dankte ich Gott, dass ich sicher angekommen bin. Der Flughafen oder wohl eher Landebahn und ein kleines Haus, war alles, was hier war. Mit dem Shuttle-Service kam ich schließlich in die Stadt, von der aus ich einen Bus nahm. Eine Stunde später, eine Stunde! kam die Bushaltestelle, wo ich aussteigen musste. Tante Marie wohnt echt abgeschieden. Jetzt noch ein 6km langer Fußmarsch, yeah ich liebs. Ich hoffe man bemerke den Sarkasmus.
Da ich von der Reise schon ziemlich ausgelaugt war, brauchte ich einiges an Zeit. Aber endlich kam an einer Abzweigung ein Briefkasten in Sicht, na endlich. Ich folgte dem Weg und kam nach 5 Minuten an ein kleines bescheidenes Haus in Sicht. Ich atmete auf. Ich ging aufs Haus zu und klopfte und wartete. Ich klopfte nochmal, bis ich einen Zettel fand, der neben der Tür hing. "Wenn ich nicht öffne, bin ich im Stall oder auf der Weide. Marie" Stall? Weide? Na immerhin war ich hier richtig.
Ich ging also um das Haus herum und tatsächlich hier waren noch mehr Gebäude, die einer Ranch glichen. Oh man, wo bin ich hier nur gelandet? Ich ging also auf das Gebäude zu, was am ehesten wie ein Stall aussieht. Als ich drinnen war, erkannte ich, dass ich hier wirklich richtig war, es war der Stall, ein Pferdestall genauer gesagt. "Marie? Bist du hier?" rief ich hinein. Es war schon etwas ungewohnt, meine Stimme wieder zu benutzen, aber naja, da kann ich jetzt auch nichts daran ändern. Auf meinen Ruf reagierten einige Pferde, indem sie ihren Kopf aus der Box streckten, aber ansonsten war es ruhig. Wo ist sie denn? "Marie?" rief ich wieder. Doch immer noch nichts. Als ich Hufgeklapper höre, beschließe ich darauf zu zugehen. Auf dem Platz angekommen, sah ich wie eine Gruppe von Reitern lachend angeritten kamen. Doch als sie mich sahen verstummte ihr Lachen und wich grimmigen Grimassen. "Wer bist du und was willst du hier?" sprach mich einer von ihnen an. "Wo ist Marie?" stellte ich als Gegenfrage. "Sie kommt gleich und verjagt dich. Du gehörst hier nicht her, also verschwinde lieber gleich wieder." Die Ruhe durchströmte mich wieder, aber sonst passierte nichts. Plötzlich sahen sich alle verwundert an, als hätte etwas passieren soll. Sie begannen wild zu flüstern, auch wenn es recht laut war. Aber es hörte sich so an, wie wenn jemand etwas zuflüstert, man selber aber das Gesagte nicht versteht, aber hört, das etwas gesagt wird. Versteht ihr? Nein? Ich auch nicht. "Was ist den hier los?" rief eine ältere Frau über den Platz. Sie war her geritten, ohne dass sie jemand bemerkte. Alle verstummten und blickten zu mir. Gar nicht unangenehm, überhaupt nicht, brrr. Es schüttelt mich innerlich, zumal die Blicke nicht gerade freundlich sind. Die Frau schien mich wohl auch bemerkt zu haben, den sie stieg ab und kam zu mir. "Wer bist du?" "Ich suche eine Marie." "Die steht vor dir." sprach sie ebenso knapp wie ich. "Du bist Tante Marie?" fragte ich überrascht. "Tante?" fragte der von vorhin spöttisch. "Gorden halt die Klappe. Wer bist du?" stellte sie mir wieder die Frage. Um es zu verkürzen, kramte ich den Brief meiner Mutter heraus und gab ihn ihr. Sie nahm ihn verwundert entgegen und las. Währenddessen kamen ihr die Tränen. "Ruby oder Aimee?" brachte sie zwischen Schluchzen heraus. "Aimee" antwortete ich ihr endlich. Sie zog mich prompt in eine feste Umarmung. Kurz war ich überrumpelt, doch dann erwiderte ich diese und begann nun auch zu weinen. Langsam löste sie sich wieder, auch wenn ihr immer noch Tränen kam. "Wie ist es passiert? Und wie geht es deiner Schwester und deinen Vater?" überschüttete sie mich mit Fragen. Mit Blick auf die Anderen, die uns verwirrt und teils grimmig, ich habe doch nichts getan, musterten, sprach ich "Können wir das irgendwo in Ruhe besprechen?" "Aber natürlich meine Liebe, komm mit" antwortete sie mir und wischte sich die Tränen weg. Sie zog mich zu dem Haus und betrat es durch die Hintertür und führte mich in ein Zimmer. "Hier kannst du deine Sachen ablegen und schlafen. Wenn du fertig bist, komme doch bitte wieder in die Küche, ja?" Ich nickte und nahm den Rucksack ab und stellte ihn hin. Dann machte ich mich etwas frisch und ging in die Küche. "Möchtest du etwas trinken oder Essen?" sprach Marie. Ich schüttelte mit dem Kopf, doch mein Magen strafte mich Lügen. Mit einem Lachen wendete sie sich wieder dem Kühlschrank zu und begann etwas zu kochen. "Dann erzähle mal, sobald du bereit bist." forderte sie mich auf und ließ mir trotzdem Zeit. Ich nahm noch einen Schluck Wasser, bevor ich aufstand und ihr half. Dann fing ich an zu erzählen, von dem Streit, Mom und Ruby, mein Schweigen, der Umzug, Killian und dann der letzte Tag. Als ich fertig war, war auch das Essen fertig. Wir setzten uns an den Tisch und begannen zu Essen. "Meine Liebe, weiß du, was ein Mate ist?" "Nein, Dad hat mir nie etwas über Werwölfe erzählt. Das was ich weiß, habe ich durch Beobachtungen und Ruby erfahren." Sie nickte. "Weiß du, was deine Eltern waren?" "Ja, sie waren Gefährten." Marie lächelte "Ja, so heißt es bei uns Flüsterern, doch bei Wölfen heißt es Mate. Mate ist die Bedeutung von Soulmate, was Seelenverwandte bedeutet. Das du und dieser Killian Mates seid, verkompliziert die Sache, da du so schnell wie möglich wieder zurück musst." versuchte mir Marie zu erklären. "Was? Nein, ich gehe nicht zurück, bis ich das nicht kontrollieren kann. Ich möchte nicht nochmal am Tod von jemanden Schuld sein." wehrte ich mich. "Schätzchen, wenn du nicht zurückkehrst, dann dreht Killian durch und wer weiß, was er alles anstellt. Außerdem bist du nicht schuld am Tod deiner Schwester und Mutter. Egal wie mächtig ein Flüsterer ist, er kann erst ab seinem 17. Geburtstag seine Kraft nutzen. Es war einfach nur ein blöder Unfall, das versichere ich dir. Und ich lasse dich bestimmt nicht eher gehen, bevor du es einigermaßen schaffst, es muss nur schneller gehen, als bei anderen." "Ich bin nicht schuld?" Besänftigend schüttelte Marie den Kopf "Nein, dass bist du nicht."
Ein Teil der Last, die auf meinen Schultern ruhte verschwand. Hoffentlich erkannte mein Herz auch irgendwann, was mein Kopf begann zu verstehen. Ich war nicht schuld.

Die FlüstererWo Geschichten leben. Entdecke jetzt