5 - Sicily

1.6K 75 17
                                    

Telese sieht Nacer an, als würde sie ihm am liebsten den Kopf abreißen. Sie wollte eigentlich mit mir einen netten Mädels-Abend verbringen, aber nun...ist Nacer dabei, einzuziehen. Ich hatte vor, ihn zu ignorieren, aber er macht so einen Krach, dass das kaum eine mögliche Sache sein sollte.

„Wieso zur Hölle hast du dir ein neues Bett gekauft, Nacer?", frage ich fassungslos, während ich meine Hände vor der Brust verschränke. Ich bedeute Telese, dass sie uns ein wenig Freiraum geben sollte, weil das ziemlich schnell ausarten könnte. Als ich ihm die Schlüssel gegeben habe, habe ich eher erwartet, dass er auftaucht, um sich die Wohnung anzusehen. Stattdessen hat er sich schon einen Parkplatz gekauft – ja, gekauft – und lässt sich den ganzen Abend über neue Möbel bringen. Ich stehe währenddessen in dem Türrahmen zu seinem Zimmer, während ich das Zimmer mustere, welches noch wenige Stunden vorher kein einziges Möbelstück beherbergt hat.

„Weil ich noch keines hatte", antwortet er gelassen. Er reibt sich über die verschwitzte Stirn, während ich die Zähne zusammenbeiße, um ihm nichts Unanständiges an den Kopf zu werfen. Für einige Sekunden mustere ich ihn. Er ist ungefähr einen Kopf grösser als ich, hat breite Schultern, ein kantiges Gesicht und dunkle Haare. Letztere sind nicht unbedingt ideal geschnitten, denn sie fallen ihm immer so in die Stirn, dass er sie sich aus dem Gesicht streicht. Er sitzt da in einem Pyjama und baut sein Bett zusammen, während eine Anleitung auf dem Boden ausgebreitet hat. In diesem Zimmer hat es nicht einmal anständiges Licht. Sein Augenarzt fände diese Bedingungen bestimmt nicht gut.

„Du hattest kein Bett?"

„Zumindest keines, welches durch die Haustüre gepasst hätte", gibt er schulterzuckend zu.

„Und deshalb musst du dir heute Abend eines zusammenbauen? Du machst das nicht einmal richtig", bemerke ich. Er scheint die Anleitung großzügig zu ignorieren und sein eigenes Ding durchzuziehen. Da fragt man sich schon, wieso er sie dann überhaupt auf dem Boden ausgebreitet hat.

„Ich nehme an, dass du damit sagen willst, dass du besser Betten zusammenbauen kannst? Mach dich nicht lächerlich, Sicily. Ich bin mir sicher, dass du kein einziges Möbelstück in dieser Wohnung allein zusammengebaut hast."

Ich presse die Lippe zu einer feinen Linie zusammen. Seine Arroganz ist noch grösser als seine Feindlichkeit mir gegenüber.

„Es ist keine Schande, wenn man sich helfen lässt, Nacer."

„Ich brauche keine Hilfe."

Danach sieht es aus. Unbeeindruckt ziehe ich eine Augenbraue in die Höhe.

„Wir versuchen unseren Abend zu genießen. Das geht nicht, wenn du hier einen Riesenlärm veranstaltest. Könntest du das also bitte unterlassen?"

Ich kann nicht fassen, dass ich ihn darum bitte. In meiner eigenen Wohnung.

„Ich brauche mein Bett ... also nein. Außerdem werde ich nicht eher fertig sein, wenn du mir nicht langsam Ruhe gibst. Hast du deiner kleinen Freundin eigentlich gesagt, dass ich dein Freund bin?"

Den letzten Teil fragt er absichtlich ein wenig lauter, sodass meine Augen groß werden. Ich bedeute ihm zu schweigen, während ich hoffe, dass Telese das nicht gehört hat. Ich werde ihr das irgendwann schonend beibringen, wobei sie sich sicherlich schon Fragen stellt, wieso Nacer ausgerechnet jetzt hier einzieht, wenn wir nichts miteinander zu tun haben.

„Halt die Klappe", zische ich und werfe ihm einen vernichtenden Blick zu.

„Ich bringe dich um, wenn ich wegen einer Klage aus dieser Wohnung geworfen werde", füge ich noch leiser hinzu. Ich muss mir dringend feste Regeln überlegen, sonst werde ich hier innerhalb von wenigen Tagen einen Nervenzusammenbruch erleiden. Denn so wie Nacer sich momentan verhält, verdeutlicht nur, dass er von sich aus keine Richtlinien kennt, genauso wenig wie ein kleines Bisschen Anstand oder Rücksicht gegenüber den Nachbaren.

Racing HeartsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt