Ich renne das Laufband nieder, als könnte das meine Probleme lösen. Ich kann zwar verstehen, dass die eitle Nagel-Prinzessin nicht so erfreut gewesen ist, dass Pasquale weiterfährt, aber an mir hätte sie das nicht auslassen müssen. Ich spüre die Blicke von Luciano und Pasquale auf mir, weil wir beschlossen haben, gemeinsam zu trainieren, aber ehrlich gesagt ist das für mich einfach eine Möglichkeit, von Zuhause zu fliehen und stattdessen bei meinen Freunden zu sein – auf welche ich ehrlich gesagt überhaupt keine Lust habe in diesem Moment. Ich brauche einfach meine Ruhe, weil ich kurz davor bin, auf etwas einzuschlagen.
Sogar Braedin lässt mich mein Ding machen, obwohl er eigentlich die Rückenmuskulatur trainieren wollte und nicht so erfreut ist, dass ich es heute auf Kondition treibe. Ich brauche einfach einen Rhythmus. Das Knallen meiner Schuhe auf das Band unter mir. Den Trieb, das Adrenalin, den Herzschlag, welcher in meiner Brust pocht, bis er so laut ist, dass ich nur noch dieses Geräusch vernehme.
„Wir sollten heute Abend etwas essen gehen", schlägt Pasquale vorsichtig vor, während ich meine nassen Haare mit einem Handtuch zu trocknen versuche. In zwei Minuten werden sie sowieso wieder nass sein, weil es draußen aus allen Eimern regnet und ich definitiv keinen Regenschirm dabeihabe. Ich hasse Regenschirme. Sie sind so unpraktisch und platzverschwendend. Selbst wenn ich sie gerade brauchen könnte, unterlasse ich es lieber, einen mitzunehmen.
„Definitiv. Bro-Abend, damit sich deine Laune endlich wieder bessert", fügt Luciano hinzu. Ich kann nur schnauben, denn natürlich hat Sicily heute Morgen keinerlei Kompromisse mit mir eingehen wollen und dafür gesorgt, dass ich ihrer Pfeife nachtanze. Ich hasse es, wenn sich diese Frau rächt. Dabei ist es weder meine Entscheidung noch meine Schuld, dass ihr bester Freund ein Rennfahrer ist und sein Leben riskiert.
„Was hat dieses Schnauben zu bedeuten?", will Braedin wissen. Er mustert mich eingehend, während er mir meine Jacke hinhält.
„Dass Sicily schon Pläne für heute Abend hat und ich keine Lust habe, darüber zu diskutieren."
Luciano verzieht sein Gesicht mitleidig.
„Date-Night, während ihr Stress habt? Hört sich nicht so witzig an", brummt er, worauf ich mit den Schultern zucke.
„Es ist nicht wirklich ein Date. Sie hat einfach gesagt, dass ich bei ihr im Restaurant essen soll. Silver Dreams heißt die Bude. Sie hat wahrscheinlich nicht einmal Zeit, sich da um mich zu kümmern. Aber das bedeutet, dass wir trotzdem gemeinsam zu Abend essen können. Seid um acht da."
Ich nehme Braedin meine Jacke ab, sodass ich hineinschlüpfen kann.
„Ach, und putzt euch heraus, sonst macht sie mir die Hölle heiß."
Pasquale folgt mir, während ich mir einen Weg durch das Gebäude bahne und versuche, möglichst nicht als berühmte Person aufzufallen. Glücklicherweise kommt man hier gut durch, ohne groß erkennt zu werden.
„Was ist bei euch los?", fragt er nach einer Weile. Ich trete aus dem Gebäude und halte ihm die Tür auf. An der frischen Luft zu sein, tut mir gut. Dann kann ich endlich durchatmen und Zeit für mich haben. Oder eben auch nicht, weil Pasquale es zu seiner Mission gemacht hat, mich zu verfolgen und anscheinend auch auszuquetschen. Ich liebe ihn wie einen Bruder, aber das ist momentan wirklich das Letzte, was ich jetzt noch brauchen kann. Aber das sage ich ihm so natürlich nicht. Wenn ich zu ihm gezogen wäre, hätte ich all die Probleme mit Sicily nicht. Aber er hätte das niemals zugelassen, weil er nicht bemuttert werden möchte. Also ist sie meine letzte Option gewesen, um auf ihn aufpassen zu können.
„Nicht viel."
Das stimmt auch. Sie ignoriert mich auf eine bösartige Art und Weise und ich versuche ihr zu erklären, dass sie sich eine andere Person aussuchen soll, auf welche sie wütend sein kann, weil ich nicht der Puffer für ihre Gefühle sein möchte. Aber das scheint ihr egal zu sein, denn sie hat wieder angefangen, nur für sich Kaffee zu machen, nur für sich zu kochen und sich nur um sich zu kümmern, während ich versuche, eine Symbiose zu ermöglichen. Ich kann sie genauso wenig ausstehen, aber ich verstehe ihre blöde Kaffeemaschine einfach nicht. Deshalb muss ich jeden Morgen aus dem Haus gehen, um mir einen Kaffee zu holen, weil die Dame sich nicht darum schert. Ich habe mir nicht ausgesucht, dass ausgerechnet sie die Nachbarin von Pasquale ist.
„Erzähl mir keinen Blödsinn, Nacer. Du bist normalerweise viel besser gelaunt. Ich habe das mit dir und ihr echt nicht geglaubt, weil ich euch noch nie zusammen gesehen habe, aber nur schon, dass es dir so schlecht geht, sagt eine Menge über dich aus. Über euch. Also hör auf, mich anzulügen und rede mit mir, damit ich dir helfen kann, das wieder in Ordnung zu bringen."
Ich rolle mit den Augen, während ich mir die Haare aus dem Gesicht streiche. Es ist ungefähr zwei Sekunden gegangen, bis sie komplett durchnässt gewesen sind.
„Ist sie nicht sowieso zwei Stunden Zuhause heute Nachmittag?", denkt er laut weiter, worauf ich mit den Schultern zucke.
„Sie geht mir aus dem Weg."
Der Franzose zieht eine Augenbraue in die Höhe, worauf ich nur mit den Schultern zucken kann.
„Ist wahr. Es ist so, als würde ich allein da wohnen."
„Nacer, ihr müsst das klären. Das klingt nach einer riesigen Sache. In drei Tagen reisen wir nach Belgien und dort musst du dich hundertprozentig konzentrieren können. Du kannst dann nicht so abgelenkt sein. Wir beide müssen alles geben. Es wird vermutlich mehr Reporter geben als an den letzten drei Rennen gemeinsam. Es ist wichtig, dass wir dort im besten Licht erscheinen und dass du vollen Fokus hast."
Ich nicke zustimmend, während ich auf das Gebäude sehe, in welchem ich ab jetzt wohne. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis mich Sicily anweisen wird, die Koffer zu packen, sodass sie ihre Ruhe haben kann, genauso wie ich auch. Wenn ich mich so sehr darüber aufrege, was mich nur noch mehr ärgert, weil mir das alles eigentlich egal ist, wird es sie vermutlich auch treffen. Ich kann den Gedanken allgemein nicht leiden, dass ich mich so sehr davon beeinflussen lasse, obwohl ich weiß, dass ich mir das nicht leisten kann. Ich habe selten so schlechte Resultate bei den Reaktionsgeschwindigkeits-Tests gehabt wie in den letzten Tagen, weil ich ständig daran denken muss, dass ich morgens keinen Kaffee habe.
„Ich weiß. Wir werden das alles aussortieren, es braucht einfach seine Zeit, verstehst du? Ich kann nicht erwarten, dass das in zwei Sekunden wieder vergessen ist. Sie ist echt wütend."
Obwohl das theoretisch nicht einmal meine Schuld ist, sondern die von Pasquale. Aber das sage ich ihm jetzt ganz bestimmt nicht, denn ich habe keine Lust, dass er sich auch noch in dieses Debakel ziehen lässt. Es ist nicht seine Schuld, dass Sicily überreagiert.
„Dann kauf Blumen für sie. Sie liebt Lilien-Sträuße."
Mein Magen zieht sich zusammen. Für wenige Sekunden bleibt sogar mein Herz stehen, während ich meinen besten Freund gebannt ansehe.
„Meinst du das ernst?"
„Ja. Genau wie deine Mutter auch."
Oder zumindest, wie es meine Mutter getan hat, als sie noch gelebt hat.
Wird Nacer den Blumenstrauss wohl kaufen?
Werden Sicily und Nacer den „Stress" klären oder verschlimmern 🫢?
Jedenfalls wünsche ich euch ein schönes Wochenende und bis zum nächsten Kapitel...💐

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Racing Hearts
RomantizmNacer ist der Prinz der Rennbahn. Sicily ist die Prinzessin der Gourmetwelt. Eine gespielte Beziehung. Unkompliziert - zumindest bis Gefühle ins Spiel kommen und die beiden komplett aus der Bahn werfen. START: 30/05/22 ENDE: 17/03/23