45 - Nacer

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„Meinen Privatjet?", wiederholt Luciano dezent fassungslos und sieht mich an, als hätte ich meinen Verstand verloren. Wahrscheinlich hat er mit dieser Annahme nicht Unrecht.

„Ja, deinen Privatjet. Ich muss nach dem Rennen direkt nach London und du hast deinen Privatjet da. Kannst du ihn mir leihen?"

Luciano schnaubt und reibt sich den Nasenrücken.

„Bist du verrückt? Du willst dir ein Flugzeug borgen? Um zu Sicily zu gehen und ihr deine ewige Liebe zu gestehen? Bestimmt nicht. Reiß dich ein wenig zusammen, Mann. Telefonier mit ihr oder so."

Mir ist klar, dass ich überreagiere, aber ich packe ihn dennoch am Kragen und drücke ihn gegen die Wand hinter ihm.

„Sag mir verdammt noch mal nicht, dass ich mich beruhigen soll. Sie ist im Krankenhaus", bringe ich mühsam hervor, während ich den starken Strom an Emotionen in mir nicht recht bändigen kann. Wenn uns jemand sieht, werde ich heute in kein Auto mehr steigen, also sollte ich ihn loslassen, aber ich kann nicht.

„Wie meinst du das?", stammelt er. Erst die ernst gemeinte Sorge auf seinem Gesicht holt mich aus meiner Wut und bringt mich dazu, meinen Griff zu lockern. Ich zwinge mich, einen Schritt von ihm wegzutreten und fahre mir durch die Haare, nachdem ich losgelassen habe.

„Sicily ist im Krankenhaus. In England. Wir sind in Singapur. Ich muss zu ihr gehen."

Lucianos Augen weiten sich. Er sieht überrascht aus, was mich irritiert.

„Wieso wundert dich das so sehr? Sie ist meine Freundin! Ich kann gar nicht anders, als mich um sie zu kümmern!", fahre ich ihn an, worauf er besänftigend die Hände hebt.

„Klar, ich weiß. Aber irgendetwas scheint sich zwischen euch verändert zu haben. Es wirkt plötzlich real und nicht nur noch wie ein Schauspiel. Damals, als wir zu Abend gegessen haben, habt ihr nicht gewirkt, als wärt ihr in einer Beziehung. Ich habe keine Ahnung, was ihr zu dem Zeitpunkt getrieben habt, aber es war nicht echt. Aber jetzt...jetzt liebst du sie."

Ich zwinge mich dazu, ihm keine Antwort zu geben, weil es ihn nichts angeht. Sicily würde nicht wollen, dass ich unser Geheimnis – unsere Abmachung – auf den Mond schieße und ihrem Bruder alles erzähle. Ich halte lieber meine Klappe, als sie in noch mehr Schwierigkeiten zu bringen. Sie braucht zu ihren gesundheitlichen Problemen nicht auch noch zwischenmenschliche Sorgen.

„Ja, ich liebe sie. Und ich brauche deinen Privatjet, Luciano. Ich flehe dich an. Sie vertraut darauf, dass ich für sie da bin."

Die Worte sind keine Lüge. Ich liebe sie. Es fällt mir vielleicht zu einem unangebrachten Zeitpunkt auf, aber es ist so. Ich habe mich in sie verliebt, während ich versucht habe, mich von ihr zu distanzieren, aber jeder Instinkt nach ihr gerufen hat. Es ist so viel weniger kompliziert, als ich mir das vorgestellt habe. Nimmermehr, habe ich versprochen. Vielleicht trifft es deshalb nicht auf sie zu, weil sie dieses Versprechen gesehen hat. Weil sie vor all diesen Jahren dort gewesen ist. Vielleicht ist das kein Zufall gewesen. Ihr Blick hat schon damals Zweifel gehegt. Vermutlich hat sie gewusst, dass ich diesen Augenblick niemals vergessen und in meinem Herzen tragen würde. Durch den Augenblick trage ich automatisch auch sie in meinem Herzen. Es ist einfach, sie zu lieben. Aber es ist nicht einfach, der Liebe gerecht zu werden, sie zu pflegen.

„Ich komme mit. Wir sehen zu, dass wir so schnell wie möglich von hier verschwinden können. Informier dein Team, dass sie dir die Presse vom Hals halten, ich mache dasselbe. Familien-Notfall. Sie werden es verstehen."

Ich nicke ihm dankbar zu und möchte verschwinden, doch er zieht mich in eine Umarmung.

„Fahr für sie, Nacer. P6 ist aufzuholen. Das hast du schon so oft geschafft. Du kannst es wieder schaffen."

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