Ich stoße mit Pasquale zusammen. Eigentlich wäre ich auf dem Weg zu Nacer gewesen, welcher behauptet hat, im Auto auf mich zu warten. Es überrascht mich, dass Pasquale auch hier ist, obwohl er eigentlich gar nicht hier sein müsste, aber es freut mich dennoch, ihm über den Weg zu laufen, weil ich ihn so lange schon nicht mehr gesehen habe.
„Tut mir leid, ich wollte dich nicht so überrennen", sage ich. Pasquale winkt ab und schließt mich in seine Arme. Ich bin froh, dass er es tut, weil die letzte halbe Stunde für mich wirklich anstrengend gewesen ist. Ich bin froh um die Nähe. Ich bin froh darum, dass er mich einfach hält und ich es nicht hinterfragen muss, weil ich weiß, dass sie bei Pasquale aufrichtig ist.
„Kein Problem", nuschelt mein bester Freund in mein Haar. Er drückt nochmal meine Schultern und schiebt mich dann von sich. Außer uns beiden hat es hier kaum Leute. Ich frage mich, wieso Nacer dann nicht hier, sondern in seinem Auto gewartet hat.
„Wie ist die Befragung gewesen?"
Ich seufze und zucke mit den Schultern.
„Alles in Allem ziemlich in Ordnung, schätze ich mal. Ich befürchte aber, dass ich nicht sonderlich hilfreich gewesen bin. Ich konnte nur die grundlegendsten Fragen beantworten."
Pasquale sieht verständnisvoll aus und lehnt sich an einen Tisch, während er sich die Haare aus dem Gesicht streicht.
„Das habe ich mir schon gedacht. Ich wusste ja, dass es eine gute Idee von Nacer war, das so abzuklären und dir somit die Anspannung zu nehmen."
Ich nicke automatisiert, ehe mir die Bedeutung seiner Worte auffällt. Wie ein Blick zuckt es durch mich und ich versteife mich. Eine gute Idee von Nacer.
„Was meinst du damit, dass es Nacers Idee gewesen ist?", frage ich möglichst gelassen, während ich kurz davor bin, meine Nerven zu verlieren. Das kann nicht ernst gemeint sein. Das kann unmöglich ernst gemeint sein. Nacer würde mir das nie antun und vor allem hätte er mir das so gesagt und die Dinge nicht so dargestellt, als wäre er in den Geschehnissen nur eine Nebenfigur gewesen, die eigentlich nichts zu entscheiden hat. Und das, während er versucht hat, mir einzureden, dass ihm das alles unfassbar leidtut.
„Na, so wie ich es eben sage. Nacer hat vorgeschlagen, dass es am besten wäre, dass man dich befragt. Dann wärst du offiziell aus dem Schneider und es würde ihn bis zu einem gewissen Grad auch retten. Zwei Fliegen wären somit mit einer Klatsche geschlagen."
Ich nicke wieder verständnisvoll. Als könnte ich das jemals verstehen.
„Das ist so aufmerksam von ihm", lüge ich. Nacer hat mich absichtlich dieser Situation ausgeliefert. Ich habe mir zwei Wochen freigenommen, damit wir nachher noch in seine eigentliche Wohnung gehen können, weil ich diese noch nie gesehen haben und weil es schon ziemlich lange keine Presse mehr über uns gegeben hat, was auffällig ruhig für ein Pärchen wie mich und ihn ist. Vor allem, wenn man bedenkt, dass wir beide ständig irgendwo zu sehen sind – meistens allein, selbst wenn wir uns gerade in derselben Stadt befinden.
Doch wenn ich so etwas höre, würde ich mir am liebsten einen Flieger nach Hause buchen und verschwinden, weil ich nicht glaube, dass es noch Sinn macht, hier zu bleiben. Ich schlucke die Worte aber herunter, weil Pasquale der letzte Mensch ist, mit welchem ich gerne darüber reden würde.
„Naja, bis bald auf jeden Fall", bringe ich hervor und drücke mich an ihm vorbei, bevor ich meinen Ärger an ihm herauslasse, obwohl Nacer eigentlich die einzige Person ist, welche ihn verdient hat. Ich atme einige Male tief durch, während ich mir einen Weg zu Nacers Sportwagen bahne. Ich öffne die Tür des schwarzen Ferraris und setze mich. Betont ruhig schnalle ich mich an und blicke dann fokussiert durch die Windschutzscheibe. In diesem geschlossenen Raum ist die Luft zwischen uns plötzlich wieder elektrisiert.
„Wie war es?", fragt Nacer vorsichtig. Er startet das Auto nicht, als wollte er tatsächlich zuerst eine anständige Konversation führen, bevor wir zu ihm nach Hause gehen. Ich spare mir ein Schnauben, auch wenn es mich ärgert, dass er tatsächlich meint, dass er ein Recht hat, diese Frage zu stellen.
„Ich bin müde", antworte ich also, statt auf seine Frage einzugehen. Hoffentlich versteht er den Wink und lässt mich in Ruhe. Tut er nicht.
„Sicily."
Ich schweige. Ich sehe auf meine Hände. Ich bin so wütend, aber gleichzeitig auch überhaupt nicht wütend, sondern viel eher verletzt. Der Kerl hat mir eiskalt ins Gesicht gelogen und ich habe ihn dabei noch den ganzen Flug hierhin gehalten, weil er Angst hatte. Aber vielleicht war das auch nur eine Lüge. Man kann es ja nie wissen.
„Es war deine Idee."
Ich bringe nicht mehr als diese vier Worte hervor, weil ich Angst habe, ihm irgendwann alles entgegenzubrüllen, als Kanal für die Emotionen in mir. Nacer zieht scharf die Luft ein. Ich kann hören, dass er mehrmals schluckt, wie er versucht, die richtigen Worte zu finden und dann wieder alles vergisst, weil er nicht weiß, wie er sie mir servieren soll.
„Sicily-...", setzt er irgendwann an, doch ich unterbreche ihn.
„Ich bin müde", wiederhole ich. Es ärgert mich, dass ich dieser Konversation aus dem Weg gehe, auch wenn ich weiß, dass sie notwendig ist. Ich weiß aber auch, wie sehr sie mich verletzen könnte und das macht mir Angst.
„Sicily, wir sollten darüber reden."
Nacer klingt ruhig, aber seine Stimme ist so schwer, dass sie mich beinahe dazu bewegt, ihn anzusehen. Ich möchte sein Gesicht nicht ansehen, seinen Augen wieder verfallen und an alles denken, was er nicht verdient hat. Angefangen von meiner Empathie bis hin zu meiner Zuneigung. Er hat momentan einfach nichts verdient. Also werde ich ihm auch nichts geben.
„Wir hätten darüber reden sollen. Du hast es nicht getan. Tu dir den Zwang jetzt bitte nicht an. Ich möchte nur schlafen gehen."
Nacer atmet laut ein und aus und ich höre, wie sich sein Griff um das Lenkrad verfestigt, weil das Leder quietscht. Aber er legt den Rückwärtsgang ein und fährt los. Ich schließe meine Augen und lehne mich gegen die Lehne meines Sitzes, welche so weich ist, dass sie mich so sanft auffängt wie ein Kissen. Dieses Auto ist schon beeindruckend, wenn ich ehrlich sein soll. Genau wie auch Nacers Fahrstil.
„Sicily, ich hätte das nicht tun dürfen", sagt er nach wenigen Minuten über die leise Musik des Radios hinweg. Ich würde ihm gerne sagen, dass mich das nicht trifft, aber ich spüre, wie sich mein Herz zusammenzieht „Es tut mir leid."
Ich kralle meine Finger in das Leder des Sitzes und versuche, mir eine Antwort zu verbieten. Aber ich kann die Worte, welche meinen Mund verlassen, nicht mehr stoppen.
„Es sollte dir auch leidtun. Du hast mich angelogen und zudem auch noch ausgeliefert. Ich denke nicht, dass dich eine Entschuldigung rettet. Ich denke auch nicht, dass ich dir glaube, wenn du dich entschuldigst. Um ehrlich zu sein denke ich nicht, dass ich dir überhaupt irgendetwas glauben sollte."
Die Worte schmerzen, aber die Wahrheit tut eben weh. Es tut weh, weil ich mir so sehr gewünscht hätte, dass es nicht so wäre. Dass ich ihm tatsächlich vertrauen könnte.
„Ich weiß. Das tut mir auch leid", entgegnet er leise. Nach diesen Worten sagen weder er noch ich etwas. Es gibt nichts, was auch nur annähernd angemessen wäre, zumindest nicht im Moment. Irgendwann müssen wir das schon klären, aber momentan bin ich nicht bereit, mich weiteren potenziellen Lügen auszusetzen.
Uuuuund wie ist das Gespräch gelaufen 😬?
Wie findet ihr Pasquale bisher eigentlich so? Er ist schon seit einer ganzen Weile nicht mehr vorgekommen...😌
Sind wir gespannt auf Nacers Wohnung?
Vielleicht gibt es morgen ein weiteres Kapitel, einfach weil es Neu Jahr ist und es schade wäre, euch noch eine Woche auf das nächste warten zu lassen ☺️
Genießt Silvester und wir lesen uns im nächsten Jahr wieder 💗💗
PS: Heute Abend gibt es noch eine Lesenacht für das letze Kapitel von YBWM und den Epilog! Würde mich freuen, wenn ihr dort mal vorbeischaut 🥰

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Racing Hearts
RomanceNacer ist der Prinz der Rennbahn. Sicily ist die Prinzessin der Gourmetwelt. Eine gespielte Beziehung. Unkompliziert - zumindest bis Gefühle ins Spiel kommen und die beiden komplett aus der Bahn werfen. START: 30/05/22 ENDE: 17/03/23