28 - Sicily

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Ich habe Nacer seit zwei Wochen nicht gesehen und genauso lange habe ich auch nichts mehr von ihm gehört, auch wenn ich ihm etliche Nachrichten geschrieben habe, um ihn zu fragen, ob er noch lebt, wie es ihm geht, und was eigentlich bei ihm los ist. Ich wüsste nicht einmal, dass er heute wieder für einige Tage nach England reist, wenn Pasquale mir nicht geschrieben hätte, dass die beiden gut gelandet sind. Genervt mache ich nur mir einen Kaffee, auch wenn ich mir sicher bin, dass Nacer bestimmt genauso gern einen getrunken hätte, vor allem nach dieser langen Reise. Das ist aber nicht mein Problem. Wenn Nacer etwas gewollt hätte, hätte er sich auch melden können. Ich habe mir selten solche Sorgen gemacht wie als mein Bruder mich angerufen hat, nur weil Nacer angeblich mit mir reden wollte und dann die Leitung gestorben ist.

Dass Nacer kein einziges seiner Interviews durchgeführt hat, hat vollkommen an meinen Nerven gezerrt. Er hätte auf diese Leistung stolz sein sollen und sich nicht derartig betrinken müssen, wie es die Medien erzählt haben. Es hat lange gedauert, bis mir irgendjemand gesagt hat, dass es ihm gut geht. Lucianos Handy ist bekanntlich kaputtgegangen, Pasquale ist sicherheitshalber auf der Krankenstation gewesen und musste Untersuchungen machen, um zu bestätigen, dass es ihm gut ging und Nacer war zu weggetreten, um sich zu melden. Einmal davon abgesehen, dass er es ohnehin nicht getan hätte, weil er es neuerdings zur Attraktion gemacht hat, mich zu ignorieren und meinen Sorgen mit Funkstille zu begegnen. Genau genommen habe ich persönlich nichts mehr von ihm gehört, seit ich ihm meinen Kompositions-Wahnsinn geschickt habe, um mich dafür zu bedanken, dass ich wegen ihm nicht schlafen konnte.

Ich verbiete mir, diese Gefühle wieder aufwallen zu lassen und ziehe mir mein schwarzes Negligé zurecht, weil ich im Moment in nichts anderem mehr schlafen kann, weil es nachts einfach zu warm ist. Ich verfluche mich selbst dafür, dass mir dieses Pyjama nicht früher aufgefallen ist, weil ich Nacer so nicht über den Weg laufen möchte. Ich habe keine Unterwäsche an und ich kann mich so nicht konzentrieren, wenn ich ihm gegenüberstehe. Zumindest traue ich mir das nicht zu, seit sich meine Gedanken in ein Chaos verwandelt haben, welches ich nicht mehr beherrschen kann.

Ich ziehe mir nur noch schnell einen Cardigan über, weil ich mich momentan um meinen Kaffee kümmern muss, was wirklich an erster Stelle steht. Nacer kann zur Hölle fahren, wenn es ihm da besser geht.

Die Haustür öffnet sich und ich bin froh, einen derartig reifen Gedanken gefasst zu haben, als er sich wieder in meinen persönlichen Raum drängt. Ich nehme mir den frisch zubereiteten Kaffee und trete so in den winzigen Korridor, dass er keineswegs in seinem Zimmer verschwinden kann, ohne mir vorher gegenübertreten zu müssen.

„Nacer", stelle ich mit kalter Stimme fest, während vor mir der Dampf meines brühenden Kaffees aufsteigt. Der Niederländer verharrt in seiner Bewegung und lässt seine Jacke beinahe fallen, statt sie aufzuhängen. Sein Anblick wirft mich mindestens genauso sehr aus der Bahn. Seine Haare stehen von seinem Kopf ab, als wäre er tausendmal mit den Fingern durch sie gefahren. Seine Finger. Innerlich werde ich zu Brei, während ich mir einen harten Gesichtsausdruck aufzwinge.

„Sicily", stellt er ein wenig atemlos fest, während er seinen Blick von mir abwendet und stattdessen auf die kahle Wand vor sich starrt, während er seine Schuhe auszieht. Ich bin mir sicher, dass er nach Auswegen sucht, um mir nicht mehr antworten zu müssen. Er sieht so verdammt gut und gleichzeitig zerstreut aus, dass sich mein Herz zusammenzieht.

„Ich muss meine Hände waschen", informiert er mich, während er sich an mir vorbeidrückt und sein Gepäck in seinem Zimmer abstellt. Ich stelle meinen Kaffee auf meinen eigenen Tisch, warte dann aber in der Küche, um ihn ein zweites Mal abzufangen. Nacer spürt dies wohl, denn er zögert den Moment so lange heraus, wie es nur geht. Ich schnaube beinahe, weil dieses Verhalten seinerseits so lächerlich ist.

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