40 - Sicily

1.1K 60 19
                                    

Mit Nacer zu kochen, ist witziger als ich erwartet habe. Ich habe extra Zutaten für eine Speise ausgesucht, welche nicht auf den Magen schlägt, damit ihm nicht schon wieder schlecht wird.

„Ich habe nicht erwartet, dass sich Auberginen so leicht schneiden lassen!", meint er begeistert, was mir ein Lachen entlockt. Er hat so ein jungenhaftes Grinsen auf seinen Lippen, dass er gleich viel jünger wirkt. Er scheint glücklich zu sein und das überträgt sich auf mich wie eine Grippe. Ich liebe es, wenn er so gelassen ist.

„Hast du wirklich noch nie Gemüse kleingeschnitten?"

Nacer zuckt mit den Schultern, während er die kleinen Rechtecke in eine Schüssel streicht, damit er wieder mehr Platz auf seinem Schneidebrett hat.

„Doch, aber es ist schon lange her. Meistens, wenn ich zuhause koche, erwärme ich mir nur irgendwelche Fertignahrung und esse diese dann."

Ich sehe ihn entgeistert an, während ich Öl in eine Pfanne gieße, damit dieses heiß werden kann.

„Meinst du das ernst? Hast du nie zu kochen gelernt?"

Nacers Schultern verspannen sich und ein trauriger Ausdruck huscht über seine Augen.

„Meine Eltern sind bekanntlich früh gestorben und sonst hätte es mir nicht wirklich jemand beibringen können."

Mein Herz zieht sich ein wenig zusammen, doch er fokussiert sich wieder auf das Kleinhacken, ehe ich die Emotionen in seinen Augen noch genauer deuten kann. Ich fühle mich so ignorant, weil ich ihm diese Frage gestellt habe, während ich am liebsten zu ihm gehen und ihn umarmen würde, um mich zu entschuldigen. Aber ich denke nicht, dass er eine Entschuldigung hören möchte.

„Du kannst aber gute Pfannkuchen machen", versuche ich die Stimmung stattdessen zu lockern, worauf er gluckst und mir ein dankbares Lächeln zuwirft.

„Mom hat sie mir immer zum Geburtstag gemacht. Sie konnte selbst nicht besonders gut backen, auch wenn sie eine fantastische Köchin gewesen ist. Irgendwann hat sie mir erlaubt, ihr zu helfen und seitdem sind Pfannkuchen die einzigen Köstlichkeiten, die ich auf die Reihe kriege."

Ich lächle leicht, weil es so rührend ist, dass er immer noch weiß, wie er das mit seiner Mutter gemacht hat. Er scheint in seinen Erinnerungen zu schweben und in mir steigt Wärme auf, weil ich mich geehrt fühle, dass er etwas mit derartig emotionalem Wert für mich gekocht hat, als ihm bewusst gewesen ist, dass ich die Aufmunterung gut brauchen konnte. Ich kippe Zwiebelstückchen in das mittlerweile erhitzte Öl und wende mich dann an Nacer, während ich mir einen Kochlöffel schnappe.

„Ich werde dich zu einem hervorragenden Koch machen, Nacer!", verkünde ich entschlossen, worauf er mich fragend ansieht. Ich werfe ihm einen strengen Blick zu, während sich langsam Euphorie in mir breitmacht.

„Früher wollte ich immer nach New York, um dort meine Kochschule zu eröffnen. Ich träume oftmals immer noch davon, wenn ich ehrlich sein soll. Aber zuhause habe ich nun meine Lokale und die kann ich nicht einfach hinter mir lassen, verstehst du? Außerdem könnte ich dich zu meinem Schüler machen und dadurch würde für mich ein Traum in Erfüllung gehen. Dass du eine essenzielle Gabe erhältst, ist nur ein weiterer Bonuspunkt."

Nacer scheint meine Begeisterung nicht zu spiegeln, lehnt die Idee aber per se auch nicht ab.

„Lokale? Ich dachte, dass du nur ein Restaurant hast."

Ich stocke in meiner Bewegung und versuche mir nicht anmerken zu lassen, wie dumm ich mich gerade fühle. Der Pub ist eigentlich ein Geheimnis gewesen, aber wenn Nacer mich so ansieht, sehe ich eigentlich keinen Grund, weiterhin darüber zu schweigen. Ich vertraue ihm.

„Ich besitze auch einen Pub in London. Ist aber eher etwas Kleineres."

Was mir verdammt viel Geld in die Taschen bringt, weil dieser Laden läuft, als könnte man in ganz England an keinem anderen Ort Alkohol kaufen.

„Ja?"

Ich nicke.

„Das ist echt cool, Babe."

Ich lächle, weil ich es liebe, wenn er mich so nennt. Und es gefällt mir auch, dass er diese den Pub gut findet und sich nicht eher darüber aufregt, dass ich ihm nicht schon früher etwas davon erzählt habe.

„Läuft der Laden?", will er wissen, während er mir die Auberginen reicht, welche ich zusammen mit Datteltomaten und Karottenstückchen in die Pfanne gebe.

„Ja. Sehr gut, wenn ich ehrlich sein sollte. Ich überlege mir oft, ob ich das Restaurant aufgeben und stattdessen nur den Pub behalten soll. Dann hätte ich viel weniger Arbeit, könnte mich aber dennoch über Wasser halten. Gleichzeitig liebe ich es aber auch, Menus und Speisen zu entwerfen und ein Restaurant zu besitzen, welches nach meinen Wünschen funktioniert. Ich schätze einfach, dass ich gerne verschiedene Dinge mache, auch wenn ich das nicht unbedingt notwendig habe."

Nacer nickt verständnisvoll und umarmt mich von hinten, während er sein Kinn auf meine Schulter legt. Dafür muss er sich zwar leicht bücken, aber das scheint ihn nicht im Geringsten zu stören.

„Was machst du da?", möchte ich wissen, wobei sich meine Atmung ein wenig verfängt. Nacer drückt mir einen federleichten Kuss auf den Hals.

„Ich sehe dir zu. Hast du nicht selbst gesagt, dass du mir beibringen möchtest, wie man kocht?"

Ich grinse, während sich Wärme in mir breitmacht.

„Man kann nie zu früh mit der ersten Lektion beginnen, nicht wahr?", will ich wissen. Ich spüre, dass er nickt, während er ein ja murmelt, welches mir durch Mark und Bein geht. Das Problem ist, dass Nacer mit jedem Atemzug attraktiver wird. Er könnte tun, was er möchte, und ich würde es mögen...weil ich irgendwie begonnen habe, ihn zu mögen. Sehr.

„Gut. Dann übernimmst du jetzt", beschließe ich und löse mich von ihm, während ich ihm den Kochlöffel in die Hand drücke.

„Was tust du?", fragt er skeptisch, worauf ich ihm ein aufmunterndes Lächeln zuwerfe.

„Praxis ist die beste Lektion. Du kochst und ich sage dir, was du wie machen musst."

Nacer sieht ein wenig entgeistert aus, wehrt sich aber nicht dagegen. Ich deute das als Bestätigung dafür, dass er die Idee so gut findet wie ich. Die nächste halbe Stunde ist witziger, als ich geglaubt habe. Ich denke, dass Nacer viel Neues dazulernt, und ich bin mir sicher, dass er schon immer eine kleine Koch-Ader in sich getragen hat, denn als wir beide im Wohnzimmer auf dem Boden sitzen und das Essen auf dem Couchtisch genießen, haben wir eine hervorragende Gemüse-Pasta. Ich hätte eigentlich etwas Komplizierteres gekocht, aber ich wollte Nacer nicht schon am Anfang zu viel aufbürden.

„Wegen vorhin...", beginnt Nacer irgendwann, während ich einen Schluck Wasser trinke und die Konversation somit unterbreche.

„Ja?"

„Unser Moment, welchen wir verschoben haben..."

Er lässt die Worte in der Luft hängen, was die Atmosphäre ein wenig angespannter werden lässt.

„Ich denke nicht, dass wir jetzt darauf zurückkommen müssen, wenn der Moment nicht passt", denke ich laut. Nacer sieht erleichtert aus, was sich auf mich spiegelt. Ich hätte gerne unendlich viele intime Momente mit ihm, aber nicht, wenn sie erzwungen sind.

„Gut. Hast du Lust auf einen Film?", schlägt er vor und ich nicke so schnell, dass er auflacht.

„Dann wäre das ja eine beschlossene Sache."

Endlich mal eine etwas entspanntere Atmosphäre zwischen den beiden 😊

Kocht ihr gerne 🍝?

[1/2 DOPPEL-UPDATE]

Racing HeartsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt