37 - Nacer

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Es vergehen zwei Tage, bis ich das Krankenhaus wieder verlassen darf. Sicily ist die ganze Zeit über an meiner Seite und unterstützt mich, wo sie nur kann. Sie hat sich sogar dafür eingesetzt, dass ich nach draußen gehen und spazieren muss, weil mir frische Luft guttun würde. Ich bin noch nie so flachgelegen und ich kann mich kaum an etwas erinnern, weil alles in einer Art Fieberwahn an mir vorbeigegangen ist. Aber was auch immer geschehen ist, es hat die Kluft zwischen Sicily und mir ein wenig geschlossen, was mir gefällt.

„Wieso gehen wir in einen Supermarkt?", frage ich Sicily dezent verwirrt, während sie mich an der Hand hinter sich herzieht. Sie achtet darauf, nicht zu schnell zu sein, damit mir nicht schon wieder schlecht wird.

„Weil wir essen brauchen", antwortet Sicily, als wäre es die normalste Sache der Welt. Sie sieht dabei so wundervoll aus, dass ich mich für einen Moment frage, wie um alles in der Welt ich mir ihre Gesellschaft überhaupt verdient habe.

„Können wir nicht in einem Restaurant essen gehen?"

Sicily gluckst und spielt mit dem Ende ihres Zopfs. Sie bleibt stehen und dreht sich zu mir um. Wir stehen uns so nahe, dass ich den Arm um ihre Schultern schlingen kann. Sie wird ein wenig rot, was mir gefällt. Sie sieht so süß aus, wenn sie errötet. Ich weiß, dass es Leute gibt, die uns zusehen und vermutlich auch Fotos machen, weil ich nicht unbedingt unbekannt bin, so wie auch sie es nicht ist, aber das ist mir egal. Ich sehe ohnehin immer nur sie.

„Du hast eine unglaubliche Küche. Ich muss sie unbedingt ausprobieren, Nace."

Sie beißt sich auf die Lippen und ich spüre, wie ein angenehmer Schauer über meinen Rücken läuft. Nace. Gott, sie ist so sexy.

„Wenn du meinst, Babe", entgegne ich und drücke ihr einen Kuss auf die Wange. Ich hätte unsere Lippen gerne verbunden, aber ich weiß nicht, wie sie es aufnehmen würde, also lasse ich es lieber bleiben. Ihre Wangen werden noch eine Spur röter. Für einen Moment wünsche ich mir, dass es immer so zwischen uns wäre. Wir beide in Italien, während wir unsere Sorgen und Probleme für einige Momente vergessen, weil es so viel Schöneres gibt. Weil wir gerade ein Problem gelöst haben. Weil ich wieder gesund bin. Ich habe keine Ahnung, wie Sicily es geschafft hat, Braedin von der Sache zu erzählen und ihn bei Vernunft zu halten, aber sie hat es getan und ich bin unendlich froh darum. Dass ich ein Rennen verpasst habe, weil ich im Krankenhaus gewesen bin, hat meinen Vorsprung verringert, sodass Luciano jetzt einen Sieg braucht, um mit mir einen Gleichstand zu erzielen – und das zählt auch, wenn ich im nächsten Rennen nur den zweiten Platz erlange. Was sowohl für mich als auch für das Team eine Katastrophe ist, weil Pasquale in dem Rennen ebenfalls keine Punkte erzielt hat. Wahrscheinlich hat er sich zu große Sorgen gemacht.

„Was möchtest du überhaupt kochen?", frage ich sie, während wir den kleinen Laden betreten. Sicily scheint mich gar nicht gehört zu haben, denn ihre Augen weiten sich, während sie sich die Ausbeute an Gemüse und Früchten erfreut ansieht. Vermutlich ist das für ihr kochbegeistertes Herz ein Abenteuer, weil sie somit endlich etwas Neues ausprobieren kann. Ich grinse leicht und löse den Arm von ihrer Schulter und schnappe mir stattdessen einen Korb, in welchen sie ihre Auswahl legen kann. Sie beachtet mich gar nicht mehr, während sie verschiedene Gemüsesorten auswählt. Ich dachte immer, dass man so reagiert, wenn man schöne Kleider sieht und nicht, wenn man Gemüse entdeckt, aber bei ihr ist das anscheinend nicht der Fall.

„Siehst du, wie großartig das hier ist?", fragt sie mich, während sie den Korb nach und nach füllt. Sie wartet die Antwort gar nicht ab, sondern geht direkt zu den Früchten über und wählt sich kernlose Trauben aus, zusammen mit Feigen und Erdbeeren. Es ist eine ungewöhnliche Mischung, aber ich kommentiere es nicht. Ich bin mir sicher, dass Sicily weiß, was sie tut. Zumindest sieht sie danach aus.

Ich nutze die Zeit, um sie zu betrachten. Mir fällt immer wieder auf, wie wunderschön sie ist. Ich liebe ihre Haare und ihre Augen ziehen mich in den Bann, egal wie wütend oder glücklich sie sind. Sie erzählen mir immer eine Geschichte und diese Geschichte heißt Sicily Vultaggio. Ich könnte jedes Kapitel hundertmal lesen, weil sie so faszinierend ist. Wenn sie ein Buch wäre, würde ich jedes Exemplar davon kaufen und in mein Bücherregal stellen, auch wenn ich danach kein Geld mehr hätte. Nicht, weil ich die Geschichte in einem Buch schon so oft lesen könnte, sondern weil sie den Raum verdient hätte. Sie hätte jeden einzelnen Zentimeter in meinen Regalen verdient, ja sogar in meiner Wohnung. Das tut sie auch so. Ich frage mich, ob sie sich ihrer Wirkung bewusst ist. Ob sie weiß, wie verrückt sie mich macht, wie stark ich mich nach ihr sehne, selbst wenn sie direkt vor mir steht. Sicilys Herz interessiert mich. Ihr Äußeres ist vielleicht eine Goldschicht, aber sie ist keine Legierung, sondern viel eher ganz aus Gold gegossen. Nur schon, wenn ich ihre Freude über so normale Dinge wie Gemüse sehe, wird es in mir warm.

Das macht mir Angst, weil ich seit Ewigkeiten nichts derartiges mehr gefühlt habe. Weil ich mich schon seit Ewigkeiten nicht mehr so zuhause gefühlt habe, wenn ich irgendwo gewesen bin. Jetzt muss ich sie nur ansehen und sie erschafft einen Ort, an welchem ich mich wohlfühle. Ich muss sie nur ansehen und mein Herz geht auf, während ich hoffe, dass sie dasselbe fühlt.

Seit ich die Situation zwischen uns einmal dermaßen königlich verdorben habe, denke ich nicht einmal mehr daran, sie von mir wegzustoßen. Ich brauche sie als einen Anker, auch wenn ich das nicht gerne realisiere. Sie hat sich selbst zu einem sicheren Hafen gemacht, auch wenn wir uns oft mit Schweigen begegnet sind, statt unsere Probleme tatsächlich zu lösen.

Ich bezahle, sobald wir das Geschäft verlassen. Diesmal sind die Fans weniger zurückhaltend und möchten tatsächlich einige Fotos machen. Ich lächle auf jedem einzelnen davon, auch wenn es mir Kopfschmerzen bereitet. Sicily nimmt die Handys persönlich entgegen und macht die Fotos. Sie selbst ist nur auf wenigen ebenfalls darauf, aber ich bin mir sicher, dass diese Fotos viel besser geworden sind als diejenigen, auf welchen nur ich zu sehen bin.

Ich ergreife ihre Hand, als wir uns geduldig einen Weg durch die kleine Menge fotografiert haben, welche auf uns gewartet hat. Wir gehen zu Fuß nach Hause, auch wenn wir mit dem öffentlichen Verkehr oder einem Taxi schneller zuhause gewesen wären. Ich habe diese Optionen gar nicht vorgeschlagen, auch wenn ihre Einkäufe ziemlich schwer ausgefallen sind und es definitiv einfacher gewesen wäre, eine andere Option zu suchen. Aber wenn ich dafür länger ihre Hand halten kann, brauche ich gar keine andere Option. Dass wir währenddessen ausgelassen über Gott und die Welt reden können, macht die gesamte Situation nur noch schöner.

Ich bin beinahe traurig, als wir zuhause ankommen. Ich möchte gerade vorschlagen, dass wir unsere Sachen dalassen und weiterspazieren, als ich entdecke, dass wir Besuch haben. Braedin und Pasquale warten nämlich auf uns.

Was halten wir von dieser Version von Nacer?

Sind Nacer und Sicily süß zusammen?

Was wollen Braedin und Pasquale wohl von den beiden...🤔?

Ich hoffe, dass euch die Kapitel gefallen haben und wir lesen uns nächstes Wochenende (hoffentlich pünktlich) wieder 🥰

[DOPPEL-UPDATE 2/2]

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