Kapitel 1

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So ein Mist aber auch. Fluchend wischte ich den Staub von meiner Strumpfhose. Sie war an meinem linken Knie aufgerissen und Blut tropfte auf den Boden. Der Sturz war schlimmer gewesen als ich gedacht hatte. Die Stelle an meinem Knie brannte und ich biss kurz die Zähne zusammen vor Schmerz. Nicht weinen, alles nur das nicht.

Ich blickte auf von meinem verletzten Knie, zu dem Jungen vor mir und schenkte ihm einen wütenden Blick. Er grinste höhnisch und schien sich köstlich zu amüsieren. Seine weißen Zähne blitzten geradezu im Licht der Sonne auf. Lässig stand er an die Wand gelehnt, den Blick nicht von mir wendend. Grimmig musterte ich ihn, wobei ich das Kinn reckte und die Arme vor der Brust verschränkte. Er lachte. Wahrscheinlich weil mein Auftreten eher wie der eines Chihuahuas ähnelte, als eines gefährlichen Bluthundes. Dabei hatte ich lässig und cool wirken wollen.

„Was willst du von mir?", keifte ich ihn an, nur um mich mutiger zu fühlen. Der junge Mann schmunzelte leicht, ehe er sich von der Wand abstieß und auf mich zukam. Instinktiv wich ich nach hinten aus, den Griff fest an meinen Rucksack geklammert. Zur Not würde ich ihm damit eine Überbraten, er würde es nicht kommen sehen.

Doch scheinbar schien er meine Gedanken zu lesen, da er amüsiert auflachte: „Keine Sorge, ich fresse dich schon nicht!" Was um alles in der Welt wollte er von mir? Seit er heute Morgen so plötzlich in meiner Schule aufgetaucht war, schien alles Kopf zu stehen. Vielleicht fünf Schritte trennten uns noch voneinander. Mein Herz begann zu rasen und Adrenalin strömte in meinem Körper. Noch könnte ich davonlaufen. Ihm im Vorbeigehen eins mit meiner Tasche verpassen und mich aus dem Staub machen. Wie war es nur so weit gekommen.

Fünf Stunden vorher

„Roselle bist du fertig!", hallte die Stimme meiner Mutter zu mir empor. Genervt stand ich vor dem Kleiderschrank, den Blick auf meine Kleider gerichtet. „Wenn du nicht langsam runterkommst, wirst du zu spät zur Schule kommen!", fügte sie kurz darauf hinzu, als ich ihr keine Antwort gab. Ich sah von meinem Kleiderschrank zu der Wanduhr.

Tatsächlich war ich ziemlich spät dran. Allerdings wunderte es mich nicht mehr. Ich war nicht gerade der Typ Mensch der früh aufstand. Immer noch vor dem Kleiderschrank stehend, entschied ich mich für ein schwarzes Kleid mit weiten Ärmeln. Dazu meine schwarze Strumpfhose mit den silbernen Sternen. Zufrieden betrachtete ich mich im Spiegel, ehe ich meine Haare kurz durchkämmte, meine schwarzen Stiefel anzog und nach unten hastete.

Meine Mutter stand am Fuße der Treppe und musterte mich mit einem ernsten Blick. Sie hatte die Hände vor der Brust verschränkt, ein Pfannenwender steckte in den Taschen ihrer geblümten Schürze. Ich liebte meine Mutter, doch manchmal behandelte sie mich wie ein kleines Kind. Ihre kastanienbraunen Haare waren zu einem hohen Dutt zusammengebunden, der aussah, als hätte sie letzte Nach damit geschlafen. Strähnen hatten sich gelöst und standen wirr von ihrem Kopf ab.

Unter ihrer Schürze trug sie eine bequeme Leggins und einen Schlabberpulli. Wenn man meine Mutter so ansah, könnte man sie für einen hippen Teeny halten. Für ihre Anfang vierzig sah sie noch recht jung aus und oft hielten die Leute uns für Geschwister. Sie räusperte sich und riss mich somit aus meinen Gedanken.

„Roselle bist du festgefroren? Beeil dich oder du kommst zu spät!" Ich seufzte. Konnte nicht ein Morgen vergehen, ohne dass sie mich tadelte wie ein Kleinkind, welches gerade einen Trotzanfall hatte. Aber ich sollte ihr keinen Vorwurf machen. Manchmal hatte sie es mit mir echt nicht leicht und da mein Vater viel außer Haus aufgrund seiner Arbeit war, hing die ganze Hausarbeit und Erziehung an ihr.

War ich undankbar? Weil ich es ihr manchmal so schwer machte? Vielleicht wäre es an der Zeit etwas in meinem Leben zu ändern. Es würde mir nicht schaden ab und zu pünktlich aufzustehen. Da ich nicht wollte das sie sauer auf mich wurde, drückte ich ihr schnell einen Kuss auf die Wange. Anschließend schnappte ich mir meine Schultasche und mit einem bis später verließ ich das Haus.

Goldriverhigh Academy - Erwachen [Slow Updates]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt