Kapitel 11.1

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Die nächsten Wochen vergingen wie im Fluge. Wir endeten nach jedem Nachsitzen mit blauen Flecken, weil es einfach zu schwierig war sich alle genauen Buchplätze zu merken. Froh war ich daher, als unser Nachsitzen aufgelöst wurde und ich sogar ein Freiticket fürs Wochenende erhielt. Meine Eltern wussten noch nicht das ich zu Besuch kommen würde. Ich hatte lediglich Liv Bescheid gegeben, dass wir uns am Samstag treffen konnten. Inzwischen war es Ende Oktober, in einer Woche Halloween. Ob sie wohl die Schule dafür dekorierten?

Von außen gab sie ohnehin den totalen Gruselfaktor ab. Ein paar Kürbisse und zusätzliche Spinnenweben und das Horrorhaus wäre perfekt. Ehrlich gesagt war ich mir nicht sicher, ob ich überhaupt Lust auf diesen Tag hatte. Jetzt wo ich von der Existenz von Geistern wusste. Seufzend packte ich meinen Rucksack weiter. Es war Freitag und ich machte mich fertig für die Heimreise.

Um acht würde ich zusammen mit einigen anderen Schülern zum Big Ben im Wald gehen, um den Übergang nach London zu nehmen. Am Sonntag musste ich bis spätestens neun Uhr wieder in der Schule zurück sein. Wie ich fand war die Zeit großzügig bemessen. „Besuchst du deine Familie?" Elodie kam in unser Zimmer und deutete auf meine Tasche. Ich nickte: „Ja genau. Jetzt wo ich nicht mehr Nachsitzen muss, konnte ich endlich einen Antrag stellen."

Ich zog den Riemen meines Rucksacks fest, schlüpfte in meinen kuscheligen Mantel und setzte den Rucksack auf meinen Rücken. Elodie winkte mir zum Abschied, wieder tief in einem ihrer Bücher vertieft. Kurz verabschiedete ich mich von meinen Freunden, ehe ich raus zum Schultor lief. Madame Petit wartete bereits mit einem Grüppchen Schüler am Tor, als ich ankam. „Miss Ravens, gut sie sind die letzte auf meiner Liste. Nun gut dann dürfen sie jetzt gehen. Denken sie daran am Sonntag bis spätestens neun wieder zurück sein."

Sie öffnete das Tor und wartete bis alle hindurch waren, ehe sie es wieder schloss. Schweigend folgte ich der kleinen Gruppe durch den Wald. Es war bereits dunkel, was normal für diese Jahreszeit war. Ängstlich blickte ich mich um. Mein Herz klopfte so heftig, dass ich befürchtete, es würde mir aus der Brust springen. Die Angst ein Geist könnte jeden Moment auftauchen, versetzte mich regelrecht in Panik. Zum Glück schien keiner der anderen mein Unwohlsein zu bemerken. Wie weit war es noch gleich zum Big Ben? Ich konnte mich gar nicht mehr daran erinnern, wie lange ich bei meiner Ankunft mit Lennox zur Schule gebraucht hatte.

Wenn sie wenigstens einige Laternen anbringen würden. Das einzige Licht waren die Lichtkugeln von zwei Hexen vor mir. Es war gerade hell genug um den Weg vor uns zu erkennen. Den Wald um uns herum hüllte es allerdings in unheimliche Schatten. Sie wirkten wie lange Klauen, die jeden Moment zupacken wollten, wenn man ihnen den Rücken zudrehte. Mein Magen verkrampfte sich. Seit wann hatte ich solche Angst in der Dunkelheit bekommen? Lag es an der Situation auf dem Friedhof, den Geistern, oder allem was in letzter Zeit geschehen war.

Meine Angst war fruchtbar groß. Hinter jeder Ecke vermutete ich eine Gefahr. Die anderen Schüler nahmen keinerlei Notiz von mir. Plaudernd gingen sie den Weg entlang, als würden sie die unheimliche Atmosphäre um sich herum nicht wahrnehmen. Der Kies knirschte laut unter unseren Füßen, irgendwo ertönte das laute Kreischen einer Eule. Alles zusammen verströmte einen unheimlichen Klang. Verkrampft klammerte ich mich an die Schlaufe meines Rucksacks. Es war sicher nicht mehr weit. Gleich würde der Turm vor uns auftauchen. Ich atmete einmal tief ein und aus. Es war nicht mehr weit. Und sobald ich zurück in London war, würde der Weg nach Hause ein Klacks sein. Immerhin waren die Straßen dort weitaus mehr beleuchtet als es hier der Fall war.

...

Nervös stand ich vor der Haustür meines Zuhauses. Ich traute mich nicht zu klingeln. Wie würden sie auf meinen Besuch reagieren? Vielleicht hätte ich sie vorher anrufen sollen. Seufzend fuhr ich mir durch die Haare. „Du schaffst das Roselle", sagte ich mir immer wieder. Es war meine Familie. Sicherlich vermissten sie mich genauso, wie ich sie. Schließlich gab ich mir einen Ruck und drückte auf die Klingel.

Goldriverhigh Academy - Erwachen [Slow Updates]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt