Ich hasse Alkohol. Es macht Menschen kaputt. Es trennt Menschen. Wieso tust du das nur? Was ist es, was du betäuben willst?
„Geh mir aus dem Weg", sagt Matts völlig neben der Spur. Ich mache ihm Platz ohne ein Wort zu sagen. Er strampelt unsicher die Treppen hoch. Ich schließe schnell die Tür und greife ihm unter die Arme um ihn zu stützen. Ich bringe ihn in sein Zimmer und er wirft sich auf sein Bett. Ich legte noch einen Eimer neben sein Bett und eine Wasserflasche, dieses Prozedere war bei mir Zuhause Routine.
Als ich gerade raus gehen wollte höre ich ihn etwas murmeln.
„Was?", frage ich.
„Du bist ihr so ähnlich Jaime. Es macht mich verrückt wie ähnlich du ihr bist."
„Wem?", frage ich und bin verwundert über die Situation. Seit zwei Wochen hat er garnicht mit mir geredet, es fühlt sich surreal an, dass er es jetzt doch tut.
„Henna", er schluchzt während er ihren Namen ausspricht.
„Wer ist sie?", frage ich ruhig während ich mich neben ihn setze.
„Sie war immer hier. Sie war die einzige mit der ich über alles reden konnte", erzählt er mit schmerzverzerrter Stimme.
„Wo ist sie denn jetzt?"
„Da oben", antwortet er weinend während er mit seinem Finger in die Luft zeigt.„Sie war so viel, es war mehr als eine beste Freundschaft", fuhr er langsam fort. Ich sagte nichts mehr, er wollte erzählen, also ließ ich ihn erzählen.
„Sie war so gutmütig. Das alles ist so ungerecht", er zieht seine Beine an seinen Körper und klammert sich daran. „Ich war auch immer mit ihr Boot fahren... aber seit dem Brand in ihrem Haus vermeide ich alles, alles was mich an sie erinnert", erzählt er nun etwas ruhiger.
„Jetzt bist du da", sagt er und sagt eine Weile nichts mehr. Wird er noch etwas sagen? Das ist es also, das ist, was er zu betäuben versucht. Ich bezweifle, dass mein Vater je etwas derartiges betäuben wollte. Ich glaube er betäubt ganzes sein Leben, um nicht daran erinnert zu werden, was für ein Versager er ist.Was habe ich denn damit zutun? Und ist das, was auch immer er meint, eventuell der Grund dafür, dass ich Wochen ignoriert wurde?
„Wie willst du es denn dann verarbeiten?", setze ich ruhig an. „Matts, du kannst davor nicht wegrennen. Du musst dich dem stellen, um da raus zu kommen.", flüstere ich. Er nickt mir zu und weitet seinen rechten Arm aus. Lädt er mich gerade ein, mich in seinen Arm zu legen? Ich versuche meine Aufregung zu unterdrücken und mich darauf zu konzentrieren für ihn da zu sein.
Da sitzen wir dann also, eine halbe Stunde, während ich seinen Geruch in seinem Arm liegend genieße.
„Ist er dein Freund?", fragt Matts.
„Was?"
„Der, der die geschrieben hat"
„Nein", antworte ich zügig und laufe rot an.
„Willst du es? - Das er dein Freund ist."
„Nicht mehr", sage ich und schaue ihm tief in die Augen. Alleine das er es wissen möchte, weckt unfassbar viel Hoffnung in mir. Vielleicht redet er deshalb wieder mit mir, weil der Gedanke, dass ich einen Freund haben könnte ihn gestört hat. Oder, es ist mein Wunschdenken, dass es ihn tatsächlich interessiert.Er neigt seinen Kopf zu mir herüber und kommt immer näher. Ich schaue in seine tiefgrünen Augen und wünsche mir nichts sehnlicher als seine Lippen auf meinen zu spüren. Aber als er nah genug ist und ich es rieche, geht es nicht. Verdammt es geht nicht. In mir spannt sich alles zusammen als ich den Geruch von Alkohol rieche und meine Kehle schnürt sich zu. Was passiert hier? Es ist, als wäre ich eine Gefangene in meinem eigenem Körper. Ist das eine Panikattacke?
„Was ist los?", fragt er beunruhigt, löst sich sofort von mir und schafft einen Abstand zwischen uns. „Ich..", setze ich an, doch kann nicht weiter sprechen und schnappe panisch nach Luft. Er schaut mich besorgniserregend an und weiß sichtlich nicht, was er tun soll.
Er nimmt mich in seine Arme und trägt mich runter zu Charlie, der im Wohnzimmer sitzt. Charlie sagt ihm er solle verschwinden und er nimmt mich in den Arm. Er macht mir einen Tee und sitzt ganz ruhig vor mir, bis sich meine Anspannung löst. Bis ich ihm alles erzählte. Bis ich so erleichtert war, wie noch nie zuvor in meinem Leben. Es wussten zwar einige Leute, aber nicht, weil ich es Ihnen erzählte. Es war einfach nur bekannt. All das wirklich einmal auszusprechen, fühlte sich befreiender an, als ich es mir hätte vorstellen können.
Was denkt ihr, was sie Charlie erzählt haben könnte, was sie zuvor so zu belasten schien?
Lasst mich gerne wissen, wie euch mein Kapitel gefällt - in Form eines Kommentars oder eines Votes :)
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Ohne dich
RomanceJaime lebt in Deutschland, Matts in den USA, aber ein Zufall sorgt für ein Aufeinandertreffen. Sie ist auf ihrer Abifahrt in den USA, doch ein unglücklicher Vorfall verlängert ihre Reise, welche ihr ganzes Leben verändern sollte. Matts ist in ein...