Kapitel 10 - Jaime

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„Jaime? Bist du schon wach?", fragt Charlie als er in mein Zimmer tritt.
„Jetzt schon", antworte ich theatralisch und ziehe mir die Decke über den Kopf.
„Wir fahren gleich los, beeil dich"
„Ich habe doch noch garnichts gegessen", zische ich ein bisschen genervt. Es is nie eine gute Idee mich aufzuwecken.
„Wir holen dir auf dem Weg etwas vom Bäcker", sagt er und zieht mir die Decke vom Bett.
„Es sind 2 Stunden Fahrt bis ans Meer, steh jetzt auf", höre ich ihn genervt sagen. Ein bisschen beschämt zwinge ich mich nun langsam auf und gehe mich umziehen und ein paar Badesachen in meine Handtasche packen.

„Jaime!", ruft Charlie ungeduldig.
„Ich bin ja schon da!", rufe ich zurück als ich die Treppen runtergehe und Charlie und ihn da stehen sehe. Matts hat einen Rucksack auf, kommt er doch mit? Obwohl es ihn an Henna erinnert? Der Gedanke schmerzt mich, dass es ihm Schmerzen bereitet. Aber das er sich nach unserem gestrigen Abend etwas aufzurappeln versucht, beruhigt mich.

Er schaut mit eiskaltem Blick auf die Treppe und bewegt ungeduldig seine Kieferknochen, wobei er irgendwie hungrig aussah. Wieso sehen seine sonst so strahlend grünen Augen heute so blass aus? Ist er sauer auf mich wegen gestern? Vermutlich denkt er ich bin irre. Wenn er nur wüsste wie sehr ich ihn gestern wollte.
„Wo ist Louise?", frage ich.
„Sie kam gestern erst sehr spät von der Arbeit zurück, sie schläft noch", erklärt mir Charlie.

Im Auto angelangt setze ich mich sofort nach hinten, mit der Annahme, dass Matts vermutlich vorne sitzen will. Scheint sich bestätigt zu haben. Nach einer fast 2 Stunden Fahrt in der Matts Kopfhörer verwendete und ich mit Charlie sprach, waren wir angelangt. Wir haben uns dann in ein paar draußen stehenden Umkleiden Badeunterwäsche angezogen. Mavie war nicht wirklich groß, aber es hätten noch ein paar weitere Personen darauf gepasst. Charlie macht sofort den Motor an und steuert ins weite Meer. Matts sitzt neben ihm und schaut ihm zu. Ich sitze hinten am Rande des Bootes und stecke meine Füße in das Wasser. Die Sonne strahlt, die Wärme durchfährt angenehm meinen Körper und ich fühle, wie ich an Energie gewinne. Ich stehe kurz auf, um mir ein Handtuch aus meiner Handtasche zu kramen. Ich lege das Handtuch da aus, wo ich zuvor saß und lege mich so hin, dass meine Waden vom Boot herunterhängen.

Sachte schließe ich meine Augen und versuche zu entspannen und nicht allzu viel an das gestrige Gespräch mit Charlie zu denken. Was er wohl vor hat? Seine Worte gehen mir nicht mehr aus dem Kopf - Ich hole dich da raus. Ob es sich wohl so anfühlt, einen richtigen Vater zu haben?

Ich versuche mich mit aller Kraft zu entspannen, dass ist nur leider etwas, indem ich nicht besonders gut bin. Meine Gedanken lassen mir kaum eine Pause. Ich denke an Theresa, an Antoine, an alles was dort drüben auf mich wartet. An alles, dem ich eigentlich gerne fürimmer entfliehen möchte. Hält mich dort denn überhaupt irgendetwas? Meine Mutter, beantworte ich mir meine Frage selbst.

Es prasseln so viele schlechte Erinnerungen auf mich ein, dass ich mich frage, wo diese vorher waren. Doch eigentlich sollte es mich nicht wundern, ich habe schon immer alles andere getan, als mir Zeit für mich zu nehmen - zum nachdenken. Schon seitdem ich denken kann suche ich mir Ablenkung von meinen Gedanken um diesen zu entfliehen. Ich räume unsere Wohnung jeden Tag auf, sodass es nahezu einer täglichen Grundreinigung gleicht, wenn ich gerade mal nicht aufräume gehe ich arbeiten. Oder lerne. Ich lerne immer dann, wenn es nichts anderes zutun gibt. Meine Mutter war schon immer sehr stolz auf mich, dass ich versuche mir eine bessere und erfolgreiche Zukunft aufzubauen. Aber ist es wirklich das?

Ich denke, dass ich eigentlich nur versuche meine Zeit totzuschlagen. Ich lerne, um mich abzulenken. Jetzt ist es jedoch zu einer guten Gewohnheit geworden, nehme ich an. Um aufzuhören so viel in vergangenem zu schwelgen, fange ich an das Alphabet gedanklich durchzugehen und zu jedem Buchstaben einen guten Musiker oder eine gute Musikerin zuzuordnen. Es hilft, auch wenn ich mir zuerst etwas albern dabei vorkam.

Nach ungefähr einer halben Stunde spüre ich, dass sich jemand neben mich gesetzt hat. Matts. Ich schaue ihn etwas verblüfft an und er grinst. Seine eiskalte Miene von vorhin ist aufgetaut. Ihm gefällt es hier. Ich freue mich so sehr für ihn.

„Danke", sagt er ruhig, nachdem wir uns ein paar Minuten wortlos anschwiegen.
„Es hat mir gut getan darüber zu reden. Mit dir zu reden", spricht er weiter. Die Art wie er mit dir gesagt hat, lässt mich erschauern. „Jaime?", fragt er, als ich bestimmt fünf Minuten lang stumm seine Schönheit betrachte. „Matts?", frage ich zurück und sehe, dass etwas mit seinem Gesicht passiert als ich seinen Namen aussprach. Hat es ihm gefallen? Ihm hat es gefallen wie ich seinen Namen ausspreche.

„Du gefällst mir", sagt er, während er meine Reaktion ganz genau analysiert. Woher kommt diese Veränderung in seinem Wesen aufeinmal. Einmal mag er mich, dann existiere ich wieder nicht für ihn. Ich verstehe es nicht und es macht mich irre.
Er weiß ganz genau, dass er mir mehr als nur gefällt, das brauche ich garnicht erst sagen. Er legt seine Hand auf mein linkes Bein und drückt etwas zu. Ich schaue ihn an uns sehe wie er auf meine Lippen starrt. Will er es auch so sehr wie ich? Ich nehme all meinen Mut zusammen und neige meinen Kopf etwas nach oben, in die Nähe seines Mundes. Er zögert nicht lange, er greift gierig mit seinen Händen in mein Haar und drückt mein Gesicht auf seines. Zuerst gibt er mir einen kurzen Kuss, dann schaut er mich nochmal kurz an, als würde er in meinem Gesicht eine Einverständniserklärung suchen, um fortzufahren. Das zweite mal öffnet er seine Lippen etwas weiter und somit auch meine. Ich fühlte mich so unbeholfen. Noch nie hatte ich so etwas. Noch nie hatte ich so eine Art von Kuss, mit dieser Art von Verbindung. Ihn auf meiner Haut zu spüren, fühlt sich an wie ein ganzes Feuerwerk.

Es war, als ob alles Glück, was mir bisher verweigert blieb in dem Moment, indem wir uns küssten auf mich einprasselte. Es war ein wunderschönes, euphorisches Gefühl. Nach ein paar Sekunden, fühlte es sich an, als hätte ich verstanden wie ich es machen muss. Er führte den Kuss, aber meine Hände waren nun auch an seinem Nacken angelangt. Ich wollte das der Kuss weitergeht. Ich verlangte es. Er hörte nicht auf, bis mir ein leichtes stöhnen in seinem Mund entglitt. Er entfernte sein Gesicht etwas von mir, auch wenn seine Hände in meinen Haaren vergraben blieben. Wieso schaut er mich so an, mit diesem Grinsen auf dem Gesicht? War das peinlich? – vermutlich schon, dachte ich. Aber es ging nicht anders, wirklich nicht.

„Du schmeckst sogar noch besser, als ich mir vorgestellt hatte", flüstert er mir ins Ohr. Er hatte es sich vorgestellt? Er hat an mich gedacht – sage ich mir selbst, im Versuch den Gedanken zu normalisieren. Aber es funktioniert nicht. Es fühlt sich so absurd an, dass jemand wie er an mich gedacht hat.
„Woran denkst du?"
„Daran, ob du es ernst meinst", antworte ich ehrlich. Er schüttelt den Kopf. Er sieht empört aus. Wir sitzend da noch eine Weile, eng aneinander.

Bei Antoine dachte ich das doch auch, dass es ernst ist. Er wollte das mit uns wochenlang geheim halten, aber als es dann rauskam sagte er Theresa er hätte mich nur ins Bett kriegen wollen. Und das hatte er geschafft. Es brennt mir im Herzen wenn ich daran zurückdenke wie er mit mir gespielt hatte. Wie konnte ich so blind sein? Und dann war ich auch noch diejenige die dachte, sie müsse ihn auf Abifahrt zurückerobern. Ich bin froh, dass er und Theresa jetzt ein Ding sind, da haben sich zwei gefunden. Ob Theresa weiß, dass er mir wieder schreibt?

„Wollen wir hier halten? Dann könnt ihr ein bisschen schwimmen", höre ich Charlie sagen während er auf uns zu läuft. Matts rückt sofort von mir weg. Ich bin froh, dass Charlie von der anderen Seite des Bootes unseren Kuss nicht gesehen hat. Dennoch fühlt es sich seltsam an, dass Matts so schnell wegrückt. „Ja, fänd' ich gut", höre ich Matts sagen.

Wie findet ihr die beiden bis jetzt? Und wie findet ihr Matts Veränderung gegenüber Jaime?

Lasst mich gerne wissen, wie euch mein Kapitel gefällt - in Form eines Kommentars oder eines Votes :)

Ich wünsche euch noch einen schönen Feiertag

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