Kapitel 6 - Jaime

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„Ja natürlich!", schrie ich Charlie beinahe zu als er mich nach mehr als zwei Wochen endlich fragte, ob ich morgen mit ihm Boot fahren will.

„Es tut mir leid, dass wir letzte Zeit so wenig Daheim waren und dass du den ganzen Haushalt fast alleine geschmissen hast. Wir hatten einfach viel zutun, aber jetzt wird es besser", erzählt mir Charlie, worüber ich mich sofort freue.

Die letzte Zeit verging ziemlich langsam, Charlie und Louise haben viel gearbeitet und ich habe nur gelernt, aufgeräumt und bin geschwommen. Gelegentlich wenn die beiden mal da waren, schauten wir abends alle gemeinsam fern, nur ohne Matts. Ab und zu steckte mir Louise oder Charlie etwas Geld zu, sodass ich mal in ein Caffè gehen kann, jedoch fühle ich mich nicht besonders wohl damit, dass sie mir Geld geben und erst recht nicht damit, dieses auszugeben. Seit meiner Unterhaltung mit Matts, ist er eigentlich garnicht mehr zu Gesicht zu kriegen. Es ist, als würde er mir aus dem Weg gehen. Oder vielleicht fand er mich nervig und hat keine Lust mich ständig zu sehen. Habe ich mir zu viel auf unseren Moment eingebildet?

Zumindest sind wir uns seit letzter Woche, als ich ihn aus der Tür rausgehen und in Kais Auto einsteigen sehen habe, garnicht mehr begegnet. Ab und zu sehe ich ihn aus dem Augenwinkel am Fenster stehen wenn ich schwimme. Aber wahrscheinlich sind das nur Zufälle und er möchte einfach nur aus dem Fenster sehen und ich störe ihn dabei. Ihm geht es anscheinend nicht so, aber ich kriege ihn nicht mehr aus meinem Kopf, ich kann kaum an etwas anderes denken, egal wie sehr ich versuche mich abzulenken.

„Alles gut. Kommt Matts auch mit?", fragte ich vorsichtig, in Hoffnung, dass er nicht bemerkt wie sehnlichst ich es mir wünschen würde.
„Ich denke nicht, er kommt schon seit ein paar Jahren nicht mehr mit."
„Echt? Wieso denn?", frage ich, platzend vor Neugierde.
„Ich denke seitdem das mit Henna...", antwortete er in Gedanken verloren.

Ich sage nichts mehr, er scheint emotional verwirrt zu sein, ich möchte ihm keine schlechte Laune machen. Obwohl ich mich frage, ob Henna Matts Freundin ist. Hat er eine Freundin? Aber wieso sollte er mir dann letztens so nahe gekommen sein? Und wieso sollte es Marcel so aufwühlen, wenn er über Henna spricht?

„Also, wann fahren wir morgen los?", frage ich ihn energiegeladen, um ihn abzulenken.
„10 Uhr würde ich sagen", antwortet er stumpf, lächelt mir leicht zu und läuft Richtung Wohnzimmer, wo er dann den Fernseher anmacht.

Ich gehe nach oben in das Gästezimmer, ziehe mich um und schaue mir den Schulstoff an. Nach einer Stunde lernen nehme ich mein Handy und mir fällt auf, dass ich noch immer kein WLAN habe. Soll ich Matts fragen? Ich will ihn fragen. Ich möchte ihn nochmal sehen. Ich nahm all meinen Mut zusammen, lief vor seine Zimmertür und klopfte. Ich hörte Musik in seinem Zimmer – er war da, aber er reagierte nicht. Ich klopfte erneut.

„Was?", höre ich genervt. Wieso benimmt er sich so kalt?
„Ich bin's. Darf ich? – Darf ich reinkommen?", frage ich neben der Spur. Jaime– krieg dich mal zusammen, ermutigte ich mich selbst. Beruhig dich. Doch mein Herz rast.
„Ja, mach dann die Tür hinter dir zu". Die Tür zu machen? Mit ihm in einem geschlossenen Raum sein? Mein Puls erhöht sich, es fühlt sich an als würde mir mein Herz aus der Brust springen. Verdammt Jaime, fluche ich mich selbst an, er hat das vor einer Minute gesagt, jetzt bleib nicht wie versteinert stehen und öffne die verdammte Tür.

Ich greife nach dem Türgriff und öffne vorsichtig die Tür. Er liegt auf seinem Bett mit einem MacBook auf dem Schoß. Er mustert mich. Er schaut auf meine Beine, die man in meinen kurzen Shorts sieht. Seinen Blick kann ich nicht entschlüsseln. Seine Augen leuchten mich in ihrer grünen Farbe ungeduldig an.

„Was denn?"
„WLAN", sage ich und reiche ihm einfach mein Handy. Er legt sein MacBook neben sich und nimmt mein Handy entgegen. Er hat kein T-Shirt an, verdammte scheiße. Sein Oberkörper ist verziert mit gut geformten Muskeln. Es ist nicht zu viel – es ist perfekt. Seine Arme sehen ebenfalls muskulös aus. Welchen Sport er wohl macht? „Hier", sagt er während er aufsteht und mir mein Handy zurückreicht. Entgeistert nehme ich es an. Ich fühle mich als wäre mir schwindelig, in seiner Nähe zu sein bringt mich durcheinander. „Willst du noch irgendwas?", fragt er mich während er seinen Kopf zu mir herunterneigt und sich auf die Lippe beißt. Dich – denke ich. Er ist einen Kopf größer als ich und seine Lippen sind wohl geformt. Er sieht nicht aus wie seine Eltern – die schwarzen Haare, die Hautfarbe, die Lippen, diese wunderschönen minzfarbenen Augen.

„Ich habe dich etwas gefragt und ich erwarte, dass du antwortest", sagt er teils ernst, teils belustigt.
„Kommst du morgen mit? Mit Bootfahren?", frage ich eilig, da ich diese nähe keine Sekunde länger aushalte ohne etwas zu sagen.
„Nein"
„Wieso nicht?", antworte ich schneller als ich denken kann. Hätte ich es nicht sagen sollen? Bin ich zu aufdringlich? Er antwortet mir nicht, er schaut mich nur mit schmerzverzerrtem Gesicht an. Wir halten den Augenkontakt ohne ein Wort zu sagen. Hat es etwas mit Henna zutun? Er löst sich langsam von mir. Nein – halt mich weiter fest, ist alles, woran ich denken kann. Mein Handy vibriert. Bevor ich mich bewegen kann, nimmt Matts es mir aus der Hand und schaut darauf. Er schaut enttäuscht. Danach haftet sein Blick wieder auf mir und er hält mein Handy zu mir, sodass ich es nehmen kann. „Da vermisst dich wohl jemand", sagt er emotionslos und verlässt sein Zimmer. Jetzt stehe ich hier, alleine in seinem Zimmer. Ich verstehe nicht wieso er das gesagt hat... langsam widme ich mich meinem handy zu. Zwei Nachrichten von Antoine.

16:31 Uhr: Ich habe an dich gedacht.

16:55 Uhr: Hast du auch an mich gedacht?

Was Antoine wohl aufeinmal von ihr möchte? Ideen?

Lasst mich gerne wissen, wie euch mein Kapitel gefällt - in Form eines Kommentars oder eines Votes :)

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