25. [62] łukasz piszczek x edin terzić 1/2

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| 62 | „Was, wenn ich dich jetzt küssen würde?"

September 2020

Es war nicht mehr lange, bis der Sonnenuntergang in orange zu einer Nacht in schwarz mutieren würde und sich die Straßenlaternen einschalten würden, der einzige Grund, dass sie überhaupt noch den weißen Ball vor ihrer Nase sehen würden, den sie sich seit geraumer Zeit schon hin und her schmissen. Anfangs hatten sie wirklich noch die Schusstechnik perfektioniert, mittlerweile hatten sie schon längst einen tieferen Grund für das kleine 1:1 Match verloren, als den einfachen Grund, dass keiner von ihnen so wirklich alleine nach Hause gehen wollte, auch wenn nach Hause nicht wirklich das Problem war, sondern viel mehr das alleine.

Manchmal fragte sich Edin, wie es sein konnte, dass sie über so viele Jahre hinweg unentdeckt Trainingssession für Traningssession so viele Stunden länger bleiben konnten, ohne, dass es bis heute jemandem aufgefallen war und dann fragte er sich, ob es wohl jemals jemand erfahren würde. Immerhin taten sie nichts Verbotenes und doch hatte Edin nicht das Gefühl, als würden sie es freiwillig jemandem erzählen können. Das hier war ihr kleiner geheimer Rückzucksort.

Eigentlich kickten sie einfach nur ein wenig rum.

Doch eigentlich war es so viel mehr, als das.

Eigentlich war es stundenlanges Reden, stundenlanges Lachen, stundenlanges Verlieren in einer anderen Welt in der alles gleich war und doch irgendwie auch alles besser.

Es war Pizza essen um zehn Uhr Abend, weil Edin keinen Döner mochte. Es war zwei Bierflaschen holen und sich über die Spieltaktiken austauschen, bis sie sich in Gesprächsthemen verloren und schließlich über alles und doch nichts bestimmtes sprachen. Und es waren diese unwichtigen Themen, mit eingestreuten Anekdoten aus dem eigenen Leben, die Grund dafür waren, dass Edin das Gefühl hatte, als würde niemand ihn so gut kennen, wie Lukasz, obwohl er sich nie die Mühe gemacht hatte sich wirklich vor Lukasz vorzustellen.

Es war einfach so passiert.

Auf einmal kannte er den Namen von Lukaszs Mutter.

Auf einmal kannte Lukasz den Namen von seiner ersten Liebe.

Auf einmal wussten sie alles über einander.

„Du solltest dich als Trainer vorschlagen!", stellte Lukasz klar, während er den Ball auf seinem Fuß balancierte und ihm schließlich mit der Fußspitze hochschoss und ihn mit seinem Nacken auffing. Edin beobachtete das Kunststück und hing seinen Worten noch nach.

„Ich glaube nicht, dass sie mich in Erwägung ziehen würden!", murmelte er dann. Lukasz fing den Ball auf und sah zum Älteren.

„Ich denke nicht, dass Sebastian, Aki oder Michael so dämlich sind und nicht ahnen, dass du auch höhere Ambitionen hast. Wenn ja, dann wäre ich doch schwer enttäuscht von ihnen!"

„Siehst du mich überhaupt als Trainer?"

„Ich sehe in keinem einen für den BVB passenderen Trainer, als dich!", antwortete Lukasz sofort und Edin lächelte zufrieden. Noch war Lucien Trainer, doch man hörte zunehmend mehr Gerüchte und auch internes Getuschel, dass sein Posten wohl wackelte.

„Ich meine es ernst, schlag dich vor!", drängte Lukasz.

„Ja keine Ahnung, ich schau mal!"

„Sonst schlage ich dich vor!"

„Drohst du mir?"

Etwas Verspieltes funkelte in Lukasz Augen, genauso wie der Mond, der sich in ihnen spiegelte. Edin fragte sich, wie spät es wohl war, wenn die Nacht schon so dunkel war. Er wollte noch nicht gehen und doch wusste er, dass es bald Zeit sein würde genau das zu tun. Es war jeden Abend doch das Selbe. Den Abend so lange ausschöpfen, bis sich einer von ihnen bereit erklärte den Satz auszusprechen, den weder jemand von ihnen sagen, noch hören wollte: Wir sollten nach Hause. Und jedes Mal fragte sich Edin, wohl passieren würde, würde er stattdessen sagen: Wir sollten zu mir nach Hause. Aber er sagte es nicht und er hatte Angst, dass das eine Frage sein würde, dessen Antwort er niemals kennen würde.

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