Kapitel 10

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Das Erste was ich wahrnahm war das nervöse Wippen eines Fußes und das Gedankenkarussel das damit einher ging. Aber ich hörte es nicht, sondern es hallte nur in meinem Kopf wider. Irgendwann hörte ich ein leises Murmeln, ein Wimmern und dann war es als würde mein Name in mein Hirn hinein gesagt werden. „Philippa." Immer wieder und wieder. Und dann fühlte ich die zärtliche Hand, die über meine Wange strich und mir ein paar Haare hinters Ohr klemmt. Und langsam kam ich zurück. Ich sah sprichwörtlich das helle Licht am Ende des Gangs und das schien mich zurück in die richtige Welt zu katapultieren.

Vorsichtig öffnete ich die Augen und presste sie sofort wieder zusammen, als das grelle weiße Licht mich blendete. „Bei den Göttern! Pippa!" So viele Stimmen prasselten auf mich ein und alleine davon schwirrte schon wieder mein Kopf und ich kniff die Augen zusammen, als könnte ich wieder zurück in die dunkle Stille verschwinden. „Pippa?" Ich hörte wie Leute kamen und gingen, aber ich spürte immer noch die Präsenz von so vielen nahe bei mir und dann spürte ich auch erst die Berührung an meinem Handgelenk. Sofort riss ich panisch die Augen auf, rückte soweit es ging weg und öffnete meinen Mund zum Schreien, aber es kam nicht viel mehr raus als ein krächzen.

Hunderte Szenarien liefen vor meinem inneren Auge ab, Felian und Flora wie sie mit mir spielen, der stille Namenlose, der sich an mir ausprobierte und Edward, der mir wieder ein Messer in den Körper rammt. Augenblicklich schaute ich runter und tastete panisch meinen Oberkörper ab, aber da war nichts. Kein Messer das in mir steckt, nicht mehr meine gerissenen Kleider und keinerlei Blut an meinen Händen.

Ich hatte eigentlich gedacht, ich wäre immer noch in diesem finster, nassen Loch gefangen, aber ich befand mich in einem relativ hellen Raum. Weiße Wände, gemütliches Bett, ich schien frisch gewaschen zu sein und ich trug andere Kleidung. Wo zur Hölle war ich nur? Wieder machte sich Angst in mir breit und hektisch glitt mein Kopf von links nach rechts ohne wirklich irgendwas zu sehen. Meine Sicht verschleierte sich durch die aufkommenden Tränen und ich rutschte noch weiter nach hinten und rollte mich zu einem Ball zusammen und wimmerte. Zu mehr war ich nicht im Stande. „Pippa." Die Stimme klang gebrochen und leise, wie als wenn man stundenlang geweint hat. Irgendjemand sprach mit mir, aber alles was ich nur hörte war mein schwerer, schneller Atem. „Miss Philippa. Können Sie mich hören?" Irgendwer zog meine Augenlider auseinander und leuchtete mit einer Taschenlampe rein. „Wir geben 20 Milligramm der Beruhigungsmittel." Ich hörte ein erschrockenes Japsen, aber ich war kaum noch Herr meiner eigenen Sinne, weshalb ich keine Ahnung habe, wer das war. Ich spürte nur wie eine Nadel abermals in meine Venen gejagt wurde und anstatt panisch zu werden, merkt ich wie meine Glieder schwerer wurden und ich mich langsam wieder mehr entspannte.

Irgendwann hatte ich mich sogar wieder soweit unter Kontrolle das ich meine Augen aufschlug und mich umsah. Es war immer noch hell im Zimmer, inzwischen aber deutlich schwächer als zuvor. Ich spürte eine kühle Brise über meinen Körper wehen und entdeckte daraufhin das Fenster rechts von dem Bett, wovor ein junger Mann stand und aus dem geöffneten Fenster starrte. Ein weiterer Junge saß neben ihm in einem Sessel und lehnte müde seinen Kopf an die Wand. Ich verstand ihn - ich würde auch gerne schlafen. „Nein, nein. Keine Sorge. Es geht ihr gut. Wir haben ihr nur etwas gegeben, dass sie sich entspannt." „Hätte sie dann nicht schon wieder aufwachen müssen?" Fragte eine helle Stimme und mein Blick schnellte dorthin. Eine wunderschöne Frau stand nahe der Tür mit einem Mann in einem weißen Kittel und einem weiteren, der seinen Arm um die Schultern der Frau gelegt hat, während sie ihren Händen über den Herzen platzierte und aufgelöst wirkte. „Das ganze braucht Zeit. Ihre Verletzungen waren schwer, selbst für jemanden wie sie. Ihr Körper wird allein davon schon erschöpft sein, da sie aber auch noch für Wochen in Gefangenschaft war hat sie stark abgebaut. Bis das ganze wieder „normal" ist, könnte noch einiges an Zeit vergehen, also geben sie ihr all das, was sie im Moment noch braucht." „Aber sie wird wieder?" „Ja. Ich vermute, dass sie jeden Tag, wenn nicht sogar jede Minute aufwachen könnte. Gehen sie es nur langsam an." „Danke Doktor. Für ihre Geduld und ihre Hilfe." Der Mann in Kittel nickte dem anderen zu und verbeugte sich leicht. Er wollte wohl gerade gehen, als er zu mir sah und mich beim Lauschen erwischte, aber statt eines grimmigen Ausdrucks lächelte er mich warm an. „Miss Philippa. Wie fühlen sie sich?" Plötzlich lag alle Aufmerksamkeit auf mir und hunderte Emotionen und Gesichtsausdrücke prasselten auf mich ein. Unglaube, Hoffnung, Erleichterung, Traurigkeit, Neugierde, Freude und ein unbändiges Glücksgefühl. Ich war überwältigt und dann geschockt. Die Frau... das war die Königin. Königin Annabelle und der Mann neben ihr König Dorian. Meine ...Eltern? Kann es wirklich sein? Nach all der Zeit weiß ich immer noch nicht ob Edward die Wahrheit gesagt hat. Ich hatte es mir irgendwie anders vorgestellt wenn ich sie das erste Mal wirklich persönlich sehe. Ich weiß nicht wie ich sie mir so vorgestellt habe, aber sicherlich nicht mit Jeans und Tshirt in einem einfachen weißen Raum. Vielleicht imposanter? Sie waren schließlich das Königspaar Artemias - andererseits Alex und Philipp wirkten auch nicht so imposant auf mich. Apropo... erst jetzt erkannte ich sie, aber mein Blick blieb gefangen bei dem Ehepaar.

Die Chroniken der Arcani - Das ÜberlebenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt